Reinbek. Was tun, wenn man einen Zaun bauen möchte, die Handelsware aber zu langweilig ist? Dann legt man die Säge an – wie Thomas Doetzkies.

Nie ist Thomas Doetzkies so häufig mit Fremden und mit Nachbarn ins Gespräch gekommen wie in den vergangenen Monaten, seit sich seit neuer Gartenzaun zu seinem persönlichen Corona-Projekt entwickelt hat. „Sind Sie der Mann mit dem Zaun?“, hört er oft. „Viele nennen mich sogar einen Künstler“, erzählt er amüsiert. Das findet der 50 Jahre alte Familien­vater ein bisschen übertrieben.

Eines ist aber sicher: Seine Zaunlatten, in die er viele fantasievolle Motive und Figuren hineingesägt hat, spendet vielen Menschen, die an seinem Grundstück am Samlandweg vorbeigehen, Freude. Denn ob Wanderer, die auf Luchse treffen, oder ein Kletterer, der an einem Seil den Felsen hinaufhangelt: Es gibt im Holz immer Neues zu entdecken.

Einige Neugierige sind extra aus Hamburg nach Reinbek geradelt

Und ihr Zuspruch wiederum erfreut Thomas Doetzkies. „Sie glauben ja nicht, wie viele Leute ich über diesen Zaun schon kennengelernt habe“, erzählt der künstlerisch und handwerklich begabte Caterer. „Neulich war ein Ehepaar hier, die hatten den ersten Zeitungsartikel dabei. Sie waren extra aus Hamburg hergeradelt, um sich den Zaun anzuschauen.“

Seit vergangenem Wochenende – ein gutes halbes Jahr, etwa 150 Arbeitsstunden, 210 Fichtenholzbretter, 1464 Schrauben, vier Sägeblätter und etwa 1100 Euro an Materialkosten später – ist sein Projekt nun fertig. Eine Neuschönningstedterin war gestern gerade dabei, ihrem Mann die Figuren zu zeigen.

„Das ist so niedlich“, lobte sie Thomas Doetzkies. „Am besten gefällt mir der Bär mit dem Bienenkorb im Baum. Im November kommen meine Enkel zu Besuch. Ich freue mich schon sehr darauf, ihnen diesen Zaun zu zeigen.“

Die handelsüblichen Zäune waren ihm zu langweilig

Auf etwa 25 Meter Länge sieht an Doetzkies' Zaun kaum eine Fichtenholzlatte aus wie die andere.
Auf etwa 25 Meter Länge sieht an Doetzkies' Zaun kaum eine Fichtenholzlatte aus wie die andere. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Irgendwann im April hat er begonnen, die Grundstücksumfassung zu erneuern. Die sollte den Garten hinterm Haus abschirmen und dort gut zwei Meter hoch sein, an der Vorderseite reichten 80 Zentimeter. Die handelsüblichen Zäune waren ihm zu langweilig. Anfangs gab es nur zwei Schafe auf den ersten Zaunspitzen. Zuerst hat er sie noch direkt am Zaun ausgesägt.

Doch so, wie seine Motive immer persönlicher und filigraner wurden, entwickelte sich auch seine Arbeitsweise weiter: Die Ideen kamen ihm bei seinen Trainingsläufen, er zeichnete die Schraublöcher und die Motive an und sägte sie schließlich in der Garage aus.

Motive von einer Berghütte über eine Steilküste bis zur Hafenanlage

Nach den Schafen, einer Steilküste wie an der Ostsee, einem Großsegler, einem Taucher und seiner Schatzkiste, Luchsen, Kletterern, Rehen und einer Hafenanlage mit Flaschenzug entstanden noch eine Seilbahn mit zwei Gondeln, die beiden Kater Henry und Charly, die das Ehepaar Doetzkies auf einer Berghütte in Berchtesgaden hatte, die Hütte selbst sowie das gesamte Watzmannpanorama samt Watzmann-Mann, -Frau und fünf Kindern. „Für dieses Motiv musste ich mal ordentlich rechnen, bis alles passte“, verrät der 50-Jährige.

Der Kunsthandwerker hat auch die Berchtesgadener Hütte verewigt.
Der Kunsthandwerker hat auch die Berchtesgadener Hütte verewigt. © Susanne Tamm | Susanne Tamm

Außerdem ist ein Bergwerk, das allerdings nicht von Zwergen, sondern von Mäusen betrieben wird, zu erkennen. „Das ist auch so eine Idee, die ich beim Laufen hatte“, erinnert er sich. „Die Kinder lieben besonders die goldfarben angemalte Mäusegöttin. Sie streicheln sie immer, weil sie so schön glatt ist.“ Auch eine Silhouette seiner Frau Frauke hat er verewigt, außerdem immer wieder Bäume mit Eule, ­Bären, auf dem stumpfen Winkel thront passgenau ein kleines Schloss, von der eine Kutsche davonfährt.

Thomas Doetzkies setzt auf das Gute im Menschen

Darunter hat Thomas Doetzkies den Namen der Straße „Samlandweg“ eingesägt. Denn: „Wer vom Wanderweg zwischen Königsberger Straße und Schröders Stieg kommt, weiß meist nicht, wie unsere Straße überhaupt heißt“, erläutert er und erzählt gleich eine Anekdote dazu: „Eine Passantin hat mich gefragt: ‘Sind Sie dieser Sam Land?’, weil ich auf die Trennungsstriche beim Samlandweg verzichtet hatte.“

Am Ende des etwa 25 Meter langen Zauns müht sich Sisyphus damit, seine schwere Steinkugel den Hügel hinaufzurollen. Thomas Doetzkies’ Mühen jedenfalls sind nicht vergebens: Für seinen Zaun gibt es eine große Fangemeinde. Angst vor Vandalismus hat er nicht. „Ich setze auf das Gute im Menschen“, sagt er. Sollten es doch einmal Rabauken wagen, sein Werk zu beschädigen, müssen sie wohl damit rechnen, dass sie unter den Augen der Fans nicht ohne Ärger davonkommen.