Großensee. DNA-Untersuchung bestätigt den Angriff. Landwirte fordern Konsequenzen. War es einer der beiden Wölfe aus dem Sachsenwald?
Ein Wolf hat zwei Schafe in Großensee getötet. Wie das Landesamt für Landwirtschaft und ländliche Räume (LLUR) informiert, hatte der Landwirt seine beiden toten Tiere bereits vor zwei Wochen tot auf der Weide entdeckt. Erst jetzt liege aber das Ergebnis einer DNA-Untersuchung vor, welche bestätige, dass die Schafe von einem Wolf gerissen worden seien, so LLUR-Sprecher Martin Schmidt.
Zu dem Vorfall kam es laut der Behörde, die dem Kieler Umweltministerium angegliedert ist, am 21. November. Neben den zwei getöteten Schafen waren noch drei weitere Tiere auf der Weide, die unverletzt blieben. Es ist das erste Mal, dass Tiere in Stormarn einem Wolf zum Opfer fallen, seit das Ministerium Anfang Oktober ein residentes Paar im Sachsenwald an der Grenze zum Kreis Herzogtum Lauenburg gemeldet hatte. Als resident werden Wölfe im Fachjargon bezeichnet, wenn sie sich dauerhaft in einer Region niedergelassen haben.
DNA-Untersuchung: Wolf reißt zwei Schafe auf Weide in Großensee
Die Kriterien sind bundesweit einheitlich: Wenn ein Tier nachweislich mindestens sechs Monate in einem Gebiet lebt, gilt es laut Bundesamt für Naturschutz als resident. Paare werden als sesshaft eingestuft, wenn beide Wölfe im Abstand von mindestens vier Wochen gemeinsam im gleichen Gebiet nachgewiesen werden. Zum Nachweis nutzen die Experten des LLUR Fotofallen oder genetische Untersuchungen von Beutetieren und Kot.
In Sachsenwald war zunächst ein weibliches Tier im Zeitraum zwischen dem 23. April 2021 und dem 8. Juni 2022 insgesamt viermal anhand von DNA-Spuren festgestellt worden. Woher die Wölfin kam, die von der Behörde die Kennung GW2093f bekommen hat, ist unklar. Der Rüde mit der Kennung GW2071m war erstmals am 8. Februar diesen Jahres im Sachsenwald nachgewiesen worden, als am Kadaver eines Wildtieres genetisches Material sichergestellt wurde. Auch seine Herkunft ist ungeklärt. Man wisse lediglich, dass sich der Wolf zuvor einige Zeit als Einzeltier durch Schleswig-Holstein bewegt habe, so das Umweltministerium.
Sieben Wölfe sind in Schleswig-Holstein als sesshaft bekannt
Dass sich die Rudeltiere in Schleswig-Holstein niederlassen, kommt äußerst selten vor. Im Regelfall durchquerten sie das Land, um nach Dänemark, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern weiterzuziehen, so das Kieler Ministerium. Insgesamt sind aktuell neben den Wölfen aus dem Sachsenwald nur fünf weitere Tiere im nördlichsten Bundesland als resident bekannt: Ein weiteres Paar im Segeberger Forst, das Weibchen GW1120f im Kreis Segeberg sowie der Rüde GW924m in den Kreisen Pinneberg und Steinburg. Letzterer war als „Problemwolf“ bekannt geworden, weil er wiederholt Nutztiere riss und dabei auch eigens zur Wolfsabwehr errichtete Weidezäune überwand. Deshalb wurde das Tier zum Abschuss freigegeben.
Das Paar aus dem Sachsenwald war laut Umweltministerium bislang unauffällig, Angriffe auf Nutztiere gab es nicht. „Bislang ist noch unklar, ob die Schafsrisse einem der beiden Tiere zugeordnet werden können“, sagt LLUR-Sprecher Schmidt. Das Ergebnis einer laufenden Untersuchung zur Individualisierung stehe noch aus und werde voraussichtlich erst in zwei Wochen vorliegen.
Weibliches Tier aus dem Sachsenwald könnte für Risse verantwortlich sein
Es gibt allerdings Hinweise darauf, dass das weibliche Tier aus dem Sachsenwald für die Risse verantwortlich sein könnte. Denn die DNA-Untersuchung der Schafskadaver ergab laut LLUR, dass der Wolf den Haplotyp HW02 trägt. Dieser beschreibt eine bestimmte Nukleotidsequenz eines Chromosoms, die bei Tieren derselben Population häufig gleich ist. Auch das weibliche Tier aus dem Sachsenwald hat laut Schmidt den Haplotyp HW02.
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Gleichzeitig sei dieser in Deutschland sehr selten. „HW01 ist der weitaus häufigere Haplotyp“, sagt der Sprecher des LLUR. „Insofern besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Wölfin aus dem Sachsenwald auch die Rissverursacherin ist“, so Schmidt. „Es kann aber natürlich auch ein anderer Wolf mit diesem Haplotyp gewesen sein.“ Das LLUR verfügt über eine Datenbank, in der sämtliche einmal in Deutschland nachgewiesenen Wölfe individuell anhand ihres genetischen Materials hinterlegt sind.
Stormarns Kreisbauernpräsident fordert Konsequenzen
Für Landwirte in der Region, insbesondere diejenigen mit Viehbeständen, ist die Nachricht von den Schafsrissen Grund zur Besorgnis. Kreisbauernpräsident Friedrich Klose hatte bereits in der Vergangenheit Konsequenzen für den Fall gefordert, dass die Wölfe im Sachsenwald Nutztiere angreifen. „Wenn es zu Rissen kommt oder es zu viele Wölfe werden, muss die Politik die Voraussetzungen dafür schaffen, die Population auszudünnen“, sagt er.
Klose ist selbst unmittelbar betroffen: Der Landwirt hat seinen Milchviehbetrieb bei Trittau, Großensees Nachbargemeinde. Seine Kühe lässt er in der Umgebung weiden. „Kleinere, leichtere Tiere kann ich nicht mehr rauslassen“, sagt er. Für jeden Kollegen, der Weidetiere halte, sei die Situation extrem beunruhigend. Eine Ausstattung sämtlicher Weideflächen mit Wolfsschutzzäunen hält Klose nicht für realistisch, auch wenn das Land Zuschüsse zahlt. Das Problem sei vielmehr der enorme, unverhältnismäßige Arbeitsaufwand. „Um so einen Zaun wirklich sicher zu bekommen, muss mehr als einen Meter in die Tiefe gegraben werden“, so Klose.
Wölfe gelten in Europa als stark gefährdet und unterliegen strengem Schutz
Als Signal, dass die Sorgen der Viehhalter ernst genommen würden, hatte der Landtag jüngst auf Betreiben der schwarz-grünen Landesregierung beschlossen, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Das Schießen eines Tieres ist dennoch nur in besonderen Ausnahmefällen möglich. Wölfe gelten in Europa als „stark gefährdet“ und sind streng geschützt. Die meisten von ihnen bleiben laut Kieler Umweltministerium unauffällig.