Reinbek. Das weibliche Tier hat sich laut Ministerium dauerhaft in der Region angesiedelt. Landwirte sind besorgt. Amt gibt Verhaltenstipps.

Ein Wolf hat sich dauerhaft im Sachsenwald angesiedelt – das meldet das Landesumweltministerium in Kiel. Das weibliche Tier mit der Kennung GW2093f sei im Zeitraum zwischen dem 23. April 2021 und dem 8. Juni 2022 insgesamt viermal genetisch in dem Waldgebiet bei Reinbek nachgewiesen worden. Damit könne die Wölfin als resident, also als in der Region sesshaft eingeordnet werden.

Den Kriterien des Bundesamts für Naturschutz zufolge wird ein Wolf dann als resident eingestuft, wenn er für mindestens sechs Monate im selben Gebiet lebt. Laut Ministerium ist es sehr ungewöhnlich, dass sich ein Wolf in Schleswig-Holstein niederlässt. Im Regelfall durchquerten sie das Land, um nach Dänemark, Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern weiterzuziehen.

Genspuren der Wölfin wurden an Rehkadaver und in Kot nachgewiesen

Im Fall der Wölfin aus dem Sachsenwald wurden die Genspuren demnach einmal an dem Kadaver eines gerissenen Rehs und dreimal an aufgefundenem Kot festgestellt. Die Herkunft von GW2093f ist bislang ungeklärt. Genetische Untersuchungen haben laut Umweltministerium gezeigt, dass sie dem Haplotyp HW02 und damit der sogenannten Mitteleuropäischen Flachlandpopulation angehört.

Bislang sind dem Ministerium zufolge nur drei residente Wölfe in Schleswig-Holstein bekannt: Im November 2018 konnten die Wölfe GW924m in den Kreisen Pinneberg und Steinburg sowie GW1120f im Kreis Segeberg als resident klassifiziert werden. Ersterer wurde als „Problemwolf“ bekannt, weil er wiederholt Nutztiere riss und dabei auch eigens zur Wolfsabwehr errichtete Weidezäune überwand. Deshalb wurde das Tier zum Abschuss freigegeben.

Das Tier verhält sich laut Ministerium bislang unauffällig

Inzwischen haben beide Tiere Schleswig-Holstein wieder verlassen. „Problemwolf“ GW924m wanderte in der zweiten Jahreshälfte 2019 über Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen weiter, wo er im Januar 2020 überfahren wurde. Die Wölfin aus dem Kreis Segeberg verschwand, ohne dass ihr Verbleib geklärt werden konnte. GW1120f verhielt sich laut Ministerium, anders als ihr Artgenosse, die gesamte Verweildauer über unauffällig. Auch im Fall der Wölfin aus dem Sachsenwald sei bislang nicht bekannt, dass sie Nutztiere gerissen habe. Landwirte aus der Region reagieren trotzdem besorgt.

„Für jeden Kollegen, der Weidetiere hält, ist die Situation extrem beunruhigend“, sagt Friedrich Klose, Kreisbauernpräsident in Stormarn. Der Landwirt hat einen Milchviehbetrieb in Trittau und auch Weideflächen am Rand der Hahnheide bei Linau. Mehrfach sei in direkter Umgebung bereits ein Wolf gesichtet worden. Ob es sich um GW2093f oder nur um ein Tier auf dem Durchweg gehandelt hat, ist zwar nicht nachgewiesen, dennoch hat Klose bereits reagiert.

Bauernverband reagiert mit Sorge auf die Nachricht

„Kleinere, leichtere Tiere kann ich dort nicht mehr rauslassen“, sagt der Trittauer. Insgesamt habe er die Weidezeiten für Jungtiere reduziert. Für die Landwirte sei nicht nur der Verlust von Vieh durch Wolfsrisse ein Schaden. „Wenn die Tiere einmal von einem Wolf gehetzt worden sind, sich bedroht fühlen, ändert sich ihr Verhalten nachhaltig“, sagt Klose. Rinder reagierten verängstigt, stünden nah in der Herde zusammen. „Sie verlieren die Zutraulichkeit, was für die Arbeit mit den Tieren ein Problem darstellt“, sagt der Kreisbauernpräsident. Diese wieder aufzubauen sei sehr zeitintensiv.

Kloses Amtskollege aus dem Nachbarkreis Herzogtum Lauenburg, Hans-Peter Grell aus Duvensee, ist ebenfalls besorgt. „Wir kennen das Problem schon seit einigen Jahren von durchziehenden Wölfen“, sagt er. Insofern sei die Situation durch GW2093f keine grundlegend neue. Zurzeit wolle er aber noch abwarten, die Lage nicht überdramatisieren. „Bislang gab es keine Risse“, sagt Grell.

Landesamt gibt Tipps zum richtigen Verhalten bei Begegnung mit Wölfen

Das Kieler Umweltministerium sieht darin auch einen Erfolg der Präventionspolitik. Der Kreis Herzogtum Lauenburg sei bereits seit 2015 als Wolfspräventionsgebiet ausgewiesen, ein großer Anteil der dort gehaltenen rund 3200 Mutterschafe durch wolfsabweisende Zäune geschützt. Von letzteren halten Klose und Grell wenig. „Es ist nicht realistisch, einen Großteil der Weiden auf diese Weise einzuzäunen“, sagt Stormarns Kreisbauernpräsident. Dabei sei weniger der finanzielle Aspekt ein Problem – es gibt Zuschüsse vom Land –, als vielmehr der Arbeitsaufwand. „Um so einen Zaun wirklich sicher zu bekommen, muss mehr als einen Meter in die Tiefe gegraben werden“, sagt Klose.

Unabhängig von den Sorgen der Landwirte stellen Wölfe für Menschen ansonsten im Regelfall keine Gefahr dar, betont das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR). Spaziergängern gibt die Behörde im Internet Verhaltenshinweise für den Fall einer Begegnung mit einem Wolf an die Hand. Abstand halten, langsam zurückbewegen, laute die Devise. Falls das Tier nicht weglaufe, empfiehlt das LLUR: Anhalten, schreien und laut in die Hände klatschen.

Hundehalter sollten ihre Vierbeiner im Wald unbedingt anleinen

Unter keinen Umständen dürften Wölfe gefüttert werden, dies sei nicht nur gefährlich, sondern stelle auch eine Straftat dar, weil die Tiere durch die Fütterung aufdringlich und aggressiv werden könnten. Sei ein Wolf gerade mit der Nahrungsaufnahme beschäftigt, sollten sich Spaziergänger umgehend zurückziehen. Hundehaltern rät das Landesamt: In Gebieten, in denen Wölfe vorkommen, sollten die Vierbeiner unbedingt immer angeleint werden.