Reinbek. Ministerium meldet sesshaften Rüden. Weibchen lebt seit April 2021 in dem Gebiet. Experten rechnen mit Welpen. Landwirte in Sorge.

Es ist erst eineinhalb Monate her, da gab das Kieler Umweltministerium bekannt, dass ein Wolf im Sachsenwald sesshaft geworden sei. Doch inzwischen ist das weibliche Tier offenbar nicht mehr allein: Wie das Ministerium jetzt informierte, konnte anhand genetischer Untersuchungen von aufgefundenen Kotresten und Wildtierrissen ein zweiter Wolf in dem Forstgebiet bei Reinbek nachgewiesen werden. Diesmal handele es sich um einen Rüden.

Auch er habe sich Erkenntnissen des Ministeriums zufolge dauerhaft im Sachsenwald niedergelassen. Damit seien die Voraussetzungen gegeben, um die beiden Tiere nach den bundesweit einheitlichen Kriterien als sogenanntes residentes Paar einzustufen. Dafür müssen beide Wölfe im Abstand von mindestens vier Wochen gemeinsam im gleichen Gebiet nachgewiesen werden, etwa durch Fotofallen oder genetische Untersuchungen.

Experten rechnen für das kommende Jahr mit Wolfnachwuchs im Sachsenwald

Die Experten des Umweltministeriums gehen davon aus, dass es jetzt, wo Wölfin und Rüde sich in derselben Region niedergelassen haben, schon im kommenden Jahr Nachwuchs geben könnte. Damit rechnet auch Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz. Dass es diese Wahrscheinlichkeit gebe, wolle er nicht verhehlen, sagte der CDU-Politiker am Freitag im Landtag. „Wir müssen also davon ausgehen, dass wir im nächsten Jahr in Schleswig-Holstein ein bis zwei Wolfsrudel beherbergen werden“, sagte der Landwirtschaftsminister.

Zeitgleich mit der Information über den Wolfsrüden im Sachsenwald hatte das Umweltministerium bekanntgegeben, dass auch im Segeberger Forst ein residentes Paar nachgewiesen wurde. „Wir werden die weitere Entwicklung sorgfältig beobachten“, versprach Schwarz. Bislang gebe es aber, wie das Umweltministerium betont, „trotz intensiven Monitorings“ keine Hinweise darauf, dass sich die Wolfspaare bereits fortgepflanzt hätten.

Der männliche Wolf lebt mindestens seit Anfang Februar in der Region

Der männliche Wolf, der die Kennung GW2071m erhalten hat, wurde laut Ministerium erstmals am 8. Februar dieses Jahres im Sachsenwald nachgewiesen, nachdem er ein Wildtier gerissen hatte. Zuvor habe sich der Wolf einige Zeit als Einzeltier durch Schleswig-Holstein bewegt. Woher er ursprünglich stammt, sei nicht bekannt.

Das weibliche Tier, das die Kennung GW2093f trägt, lebt laut Umweltministerium spätestens seit dem 23. April 2021 im Sachsenwald. Damals war die DNA der Wölfin erstmals an einem gerissenen Reh festgestellt worden. Seitdem gab es drei weitere genetische Nachweise, zuletzt am 8. Juni dieses Jahres. Woher GW2093f stammt, ist bislang ebenfalls ungeklärt. Genetische Untersuchungen haben laut Umweltministerium gezeigt, dass sie dem Haplotyp HW02 und damit der sogenannten Mitteleuropäischen Flachlandpopulation angehört.

Der Rüde fiel im April 2021 durch Nutztierrisse eb Rendsburg und in Dithmarschen auf

Die Wölfin habe sich bislang unauffällig verhalten, es sei nicht bekannt, dass sie Nutztiere gerissen habe. Der Rüde hingegen ist laut Ministerium im April 2021 durch fünf Risse von Weidetieren im westlichen Teils des Kreises Rendsburg und in Dithmarschen aufgefallen. Seit er im Sachsenwald sesshaft sei, habe es aber keine derartigen Vorfälle gegeben. „Es ist anzunehmen, dass Übergriffe auf Nutztiere weiterhin ausbleiben, insofern die Tierhaltenden gefährdete Weidetiere mit wolfsabweisenden Zäunen schützen“, heißt es.

Den Landwirten in der Region bereitet die Wiederansiedlung der Wölfe im Sachsenwald zunehmend Sorge. „Solange die Tiere im Wald bleiben und es zu keinen Angriffen auf Nutztiere kommt, kann ich damit leben“, sagt Stormarns Kreisbauernpräsident Friedrich Klose. Der Landwirt aus Trittau hält Milchvieh, lässt seine Kühe auch am Rand der Hahnheide bei Linau weiden, etwa zehn Kilometer nördlich des Sachsenwaldes.

Kreisbauernpräsident hält flächendeckenden Bau von Schutzzäunen für unrealistisch

Er sehe die Ausbreitung der Raubtiere aber, wie viele Kollegen, insgesamt „mit Skepsis“. Gerade für kleinere Weidetiere wie Schafe, aber auch für Kälber, stellten die Wölfe eine erhebliche Gefahr dar. Es sei nicht realistisch, die Weiden flächendeckend mit Schutzzäunen zu sichern, auch wenn es dafür Fördergeld vom Land gebe. „Es sind nicht nur die Kosten, auch der Arbeitsaufwand, der notwendig ist, um so eine Anlage zu errichten, ist immens“, sagt der Trittauer. „Um so einen Zaun sicher zu bekommen, muss man mehr als einen Meter in die Tiefe graben“, sagt Klose.

Der Kreisbauernpräsident hat für seinen Betrieb schon nach der Sichtung des weiblichen Wolfes Konsequenzen gezogen und die Weidezeiten für Jungtiere reduziert. Klose fordert: „Wenn es zu Rissen kommt oder es zu viele Wölfe werden, muss die Politik die Voraussetzungen dafür schaffen, die Population auszudünnen.“

Schwarz-Grün will Wolf ins Jagdrecht aufnahmen

Genau darüber hat, unabhängig von den aktuellen Entwicklungen, der Landtag am Freitag beraten. Die Landesregierung aus CDU und Grünen möchte den Wolf in Schleswig-Holstein ins Jagdrecht aufnehmen. So hatten es die Parteien bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. „Dieser Schritt dient unter anderem dazu, klare Zuständigkeiten für den Fall eines zu entnehmenden Problemwolfs zu formulieren“, begründete Landwirtschaftsminister Schwarz das Vorhaben.

Der CDU-Politiker betonte aber auch, dass der Schutzstatus der Tiere damit nicht aufgehoben werde. „Die Aufnahme des Wolfes ins Landesjagdrecht erfolgt mit einer ganzjährigen Schonzeit“, sagte Schwarz und betonte: „Der Wolf bleibt weiterhin eine nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützte Art.“ Das Schießen eines Tieres sei damit nur in Ausnahmefällen möglich. Die Voraussetzungen dafür seien für jeden Einzelfall zu prüfen. Der Schritt sei dennoch wichtig, um Rechtssicherheit für die Jäger im Land zu schaffen. Es gehe etwa um die Frage, unter welchen Bedingungen ein verletzter Wolf erlegt werden dürfe.

Die FDP fordert „wolfsfreie Zonen“ und Absenkung des Schutzstatus

Der FDP geht der Vorstoß von CDU und Grünen nicht weit genug. Der jagdpolitische Sprecher der Liberalen, Oliver Kumbartzky, forderte die Einrichtung sogenannter „wolfsfreier Zonen“ an den Küsten. „Eine bloße Aufnahme ins Jagdrecht bringt herzlich wenig“, sagte er. Er forderte die Landesregierung auf, sich auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass der Schutzstatus des Wolfs von „streng geschützt“ auf „geschützt“ gesenkt wird.

„Europaweit gibt es heute bereits zehntausende Tiere“, so Kumbartzky. Er sprach sich für ein „aktives Bestandsmanagement“ aus mit gesetzlicher Grundlage für Abschüsse. Dem erteilte Schwarz eine klare Absage. Das Töten eines Wolfes sei nur unter sehr eng gefassten Bedingungen möglich. Die Einrichtung „wolfsfreier Zonen“, wie sie die FDP fordere, sei deshalb zurzeit rechtlich nicht umsetzbar.