Glinde. Nachfolger von Joachim Lehmann ist gefunden. Hamburger wird Geschäftsführer des Sportvereins. Er steht vor großen Herausforderungen.
Das Sportinternat Schwerin nahe dem Lankower See: Hier leben junge Menschen, die hochbegabt sind und entsprechend gefördert werden. Sie spielen Volleyball, gehen dem Boxen nach oder machen zum Beispiel Leichtathletik. Auch Carsten Henning hat früher als 17-Jähriger dort ein Zimmer gehabt. Er kickte einst in der Landesauswahl Mecklenburg-Vorpommerns, war ambitioniert. Seinen Traum von einer Profi-Laufbahn konnte der auf vielen Positionen einsetzbare Fußballer aber nicht verwirklichen. Trotzdem hat der Sport nach wie vor einen hohen Stellenwert in seinem Leben. Er verdient in diesem Segment sein Geld, war die vergangenen zwölf Jahre in der Verwaltung beim Bramfelder SV tätig. Nun steht der nächste Karriereschritt an. Am 16. August übernimmt der Hamburger die Position des Geschäftsführers beim TSV Glinde mit seinen 18 Abteilungen und rund 2700 Mitgliedern.
Damit hat der Verein sein erstes Problem behoben. Amtsinhaber Joachim Lehmann (66) ist offiziell schon in Rente, geht der Tätigkeit aber immer noch nach, weil sich die Suche nach einem Nachfolger hinzog. Zweimal wurde die Position ausgeschrieben. In der ersten Runde kam es zu einer mündlichen Einigung mit einem Bewerber. Der wollte plötzlich ein höheres Gehalt als besprochen – der Deal platzte. Henning war damals Kandidat Nummer zwei, bewarb sich erneut und erhielt jetzt den Zuschlag. Er setzte sich gegen sechs Konkurrenten durch.
Über 450-Euro-Job zur Vollzeitstelle beim Bramfelder SV
Bis Ende dieses Jahres wird der 40-Jährige von Lehmann eingearbeitet, danach muss er sich allein beweisen. Das Handwerkszeug für die Bewältigung der vielfältigen Aufgaben bringt der Diplom-Sportmanager zweifelsohne mit. Personalführung, Mitgliederverwaltung, Gebäudemanagement, Verhandlungen mit Gewerken und die strategische Ausrichtung – das alles wird sein Beritt sein. Beim BSV als Assistent der Geschäftsführung eignete er sich Know-how an. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen und Sportstätten samt Technik und Belegung.
„Ich habe auch neue Angebote wie Hip-Hop und Jazz-Dance entwickelt sowie eine Fußballschule mit drei Lehrgängen im Jahr. Man springt in den Aufgabenfeldern hin und her, hat im Sport immer viel mit Menschen zu tun. Ich bin glücklich, wie es bis jetzt für mich gelaufen ist“, sagt Henning über seinen beruflichen Werdegang. Er beschreibt sich selbst als lösungsorientierte Person.
Rückblick: Nach der Realschule folgt die Lehre zum Vermessungstechniker. Ein Jahr arbeitet der junge Mann in dem Beruf, setzt dann ausschließlich auf die Karte Fußball mit der Hoffnung auf einen gut dotierten Vertrag. Eintracht Schwerin, Lüneburger SK, Altona 93, VfL 93, Concordia Hamburg und der SV Meppen zählen zu seinen Stationen. Zahlreiche Saisons verbringt er als Amateur in Oberligen, schlägt sich damit durch. Mit seiner Frau ist Henning seit 2006 verheiratet. Das Paar hat inzwischen zwei Kinder im Alter von neun und sieben Jahren. Sie habe ihn jederzeit in seinem Bestreben, Profi zu werden, unterstützt, sagt der neue TSV-Chef.
Joachim Lehmann hört auch als Vereinsvorsitzender auf
Mit Mitte 20 liegen aber immer noch keine Angebote von größeren Clubs vor. Die Hoffnung schwindet, zumindest hat Henning das Fernstudium an einer privaten Uni in Düsseldorf erfolgreich abgeschlossen. Er fängt nebenher auf 450-Euro-Basis beim Bramfelder SV an und verantwortet die Öffentlichkeitsarbeit. Das war 2010 und ist Grundlage für die spätere Festanstellung in Vollzeit bei dem Verein, der aktuell rund 4100 Mitglieder hat.
Nun also Glinde, der TSV mit seinen vielen Baustellen. Da ist zum einen die ungeklärte Besetzung der Vorstandsposten. Lehmann ist zugleich Vorsitzender im Ehrenamt und hört ebenso auf wie seine Stellvertreterin und der Schatzmeister. Trotz öffentlichen Aufrufs haben sich noch keine Nachfolgekandidaten gemeldet. Henning will sich vorerst auf die Aufgabe als Geschäftsführer konzentrieren. Auch der Verein möchte eine Doppelfunktion vermeiden.
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Vor allem aber steht für den neuen Chef ein Herkules-Projekt an: die Sportstätten so auf Vordermann zu bringen, dass der TSV gewappnet ist für die Zukunft. Das ist die größte Herausforderung. Die jetzige Führung schätzt den Investitionsbedarf in Gebäude und Plätze bis 2030 auf knapp fünf Millionen Euro. Ein Gutachter ist beauftragt, belastbare Zahlen zu liefern. Der Verein ist knapp bei Kasse, hatte sich vor mehr als 20 Jahren mit einem Hotel samt Tanzsporthalle übernommen und stand kurz vor der Pleite. Der aktuelle Schuldenstand: rund eine Million Euro.
Politik hat dem TSV Glinde Unterstützung zugesagt
Da hätte der Plan eines Investors gut gepasst. Bis zu 600 Wohnungen möchte dieser auf dem TSV-Gelände bauen und hatte der Stadt einen Grundstückstausch vorgeschlagen. Im Gegenzug würde er dem Sportverein zudem rund 200 Meter nördlich eine neue Anlage finanzieren. Diese Variante ist in der Politik nicht mehrheitsfähig. Stattdessen gibt es das Versprechen für Hilfe am jetzigen Vereinsstandort. Neubauten sind dort ausgeschlossen. Um das zu ändern, müsste die Kommune einen B-Plan aufstellen. Und natürlich wird auch darüber zu reden sein, wie sie dem TSV finanziell unter die Arme greift.
„Der Kampf um Unterstützung ist für mich kein Neuland. Probleme mit maroden Gebäuden kenne ich vom BSV“, sagt Henning. Über die Situation seines neuen Arbeitgebers ist er vollends informiert. Lehmann berichtet, er habe seinem Nachfolger im Vorstellungsgespräch reinen Wein eingeschenkt. Der muss mit viel Fingerspitzengefühl an die Sache herangehen und gibt sich diplomatisch: „Ich bin kein Freund davon, Parolen rauszuhauen.“ Dem Bramfelder SV bleibt Henning übrigens als Trainer erhalten. Die Sportart: selbstverständlich Fußball. Er coacht das erste Herren-Team in der Landesliga.