Bargteheide. Stadtverwaltung Bargteheide will Wohnblöcke am Nelkenweg abreißen. Wer davon betroffen wäre und wie die Kommunalpolitik reagiert.

Unter den Bewohnern der Wohnanlage Nelkenweg 19-23 herrscht helle Aufregung. Hier wohnen neben vielen alleinstehenden Senioren vor allem Flüchtlinge. Nun ist aber bekannt geworden, dass die Stadt plant, die beiden Blöcke und den verbindenden Mittelbau abzureißen. Das geht aus einer Verwaltungsvorlage hervor, die im Bauausschuss am Donnerstag, 13. Juni, beraten worden ist. „Warum wird so etwas öffentlich diskutiert, ohne vorher die Mieter zu informieren“, fragt Manfred Seeliger, der seit 15 Jahren in der Anlage wohnt. Nun gehe bei vielen seiner oft betagten Nachbarn die Angst um, auf der Zielgerade ihres Lebens das Zuhause zu verlieren und das gewohnte Umfeld verlassen zu müssen, so der 83-Jährige.

Wassereinbrüche und Schimmelbefall: Liste der Mängel ist lang

Im Frühjahr 2022 war es bereits zu einer ähnlichen Situation gekommen. Seinerzeit hatten sich mehrere Bewohner über die unhaltbaren Zustände des 1964 erbauten, zweigeschossigen Komplexes beschwert. Regelmäßig verwandelten sich die nur selten gereinigten Dachrinnen in Wasserfälle. Dann standen die Keller unter Wasser und immer wieder wurde Schimmelbefall in den Wohnräumen festgestellt. Zudem fiel oft die Beleuchtung in den Fluren aus.

Schon im September 2020 war die Lage erstmals eskaliert. Die Tage waren nach dem Spätsommer schon deutlich kühler, als die marode und überaus störanfällige Heizungsanlage endgültig ihren Dienst quittierte. „Mehrere Wochen lang waren die Wohnungen eiskalt und warmes Wasser gab es natürlich auch nicht“, so Seeliger. Nach dem Einbau einer neuen Heizungsanlage und anderer Sanierungsmaßnahmen habe sich die Situation aber deutlich entspannt. „Inzwischen fühlen sich viele Mieter wieder wohl in ihren vier Wänden“, sagt Seeliger. „Wir wollen hier gar nicht weg“, bestätigen die Nachbarinnen Dagmar Pardubitzky und Brigitte Katzuba.

2014 wurden Sanierungskosten auf 800.000 Euro geschätzt

Dennoch ist der Sanierungsstau noch immer gewaltig. So blieben die Zu- und Ableitungen nach dem Einbau der neuen Heizungsanlage so marode wie zuvor. Eine generelle Strangsanierung im Nachgang war der Stadt nämlich zu teuer. Bereits im Jahr 2014 waren die Kosten auf etwa 800.000 Euro geschätzt worden. Heute dürfte eine Generalsanierung der gesamten Wohnanlage ein Vielfaches kosten.

Zwischenzeitlich standen sieben der insgesamt 24 Mietwohnungen leer – teilweise mehrere Jahre lang. In einigen war der Fußboden herausgerissen, in anderen fehlten Herd und Spüle, die normalerweise zur Grundausstattung gehören. Das Gefühl der schleichenden Entmietung belastete viele Bewohner, ohne dass die Stadtverwaltung erklärte, wie es mit der Anlage weitergehen sollte.

Aktuell sind nur noch 13 Wohnungen regulär vermietet

Schuld waren erhebliche Differenzen zum weiteren Vorgehen in der Kommunalpolitik. Während etwa die Grünen für eine klimafreundliche Sanierung plädierten, waren andere Fraktionen mit Blick auf den Kosten-Nutzen-Faktor für einen Abriss, eine Überplanung des gesamten Grundstücks und einen anschließenden Neubau.

Genau darum drehte sich die Debatte in der Bauausschusssitzung auch jetzt wieder. Inzwischen sind nach Angaben der Verwaltung noch 13 Wohnungen regulär vermietet, insbesondere an Senioren mit geringem Einkommen. Zehn Wohnungen werden aktuell von Flüchtlingen bewohnt, eine Wohneinheit wird gerade hergerichtet. Eine weitere wird zum 1. Juli frei und soll dann ebenfalls renoviert werden.

Im ersten Quartal 2025 wird Quartier Am Maisfeld fertig

„Wir empfehlen der Politik aber weiterhin Abriss und Neubau, da eine Sanierung von Grund auf als unwirtschaftlich erachtet wird“, sagt Sven Dutschmann, Leiter des Bargteheider Bauamts. Ähnlich wie im Fall der maroden Halle des Kopernikus Gymnasiums würden die Sanierungskosten etwa 75 Prozent der Neubaukosten betragen.

Überdies eröffne sich Anfang kommenden Jahres die Gelegenheit, allen Mietern der Anlage neuen Wohnraum anbieten zu können. „Im ersten Quartal 2025 soll das Quartier Am Maisfeld fertiggestellt werden. Dort gäbe es eine gute Alternative, um die regulären Mieter unterzubringen“, sagte Bürgermeisterin Gabriele Hettwer dieser Redaktion.

58 von insgesamt 76 Einheiten sollen Sozialwohnungen werden

Bekanntlich entstehen Am Maisfeld unter Federführung der Stadtwerke insgesamt 76 Wohneinheiten verschiedener Größe, von denen 58 Sozialwohnungen werden sollen. Die Schutzsuchenden in den zehn Wohnungen am Nelkenweg könnten laut Verwaltung in der gerade übergebenen neuen Wohncontaineranlage an der Alten Landstraße oder anderen Wohnungen, etwa im jüngst gekauften Hotel Papendoor, untergebracht werden.

Ob sich die Verwaltung diesmal durchsetzen wird, erscheint nach der jüngsten Diskussion indes mehr als fraglich. Neben den Grünen plädierte auch die FDP für einen Erhalt der Wohnblöcke. „Die Rohbausubstanz aus Kalksandstein scheint intakt“, sagt Gorch-Hannis la Baume, der selbst im Bausektor tätig ist. Zumal der Zuschnitt der Wohnungen durch das Entfernen nicht tragbarer Wände anpassbar wäre und durch optimierende Anbauten sowie Aufstockung eines Dachgeschosses zusätzlicher Wohnraum entstehen könnte.

So beurteilen es auch die Grünen. „Mit Blick auf die beschlossenen Bauleitlinien der Stadt und die in den Gebäuden bereits gebundene graue Energie für die Materialherstellung, den Transport und den Bau präferieren wir weiter die Sanierung“, so Ruth Kastner. Die CDU sei hingegen eher für einen Abriss, ließ Matthias Schulze Isfort wissen. „Bevor keine konkreten und belastbaren Zahlen auf dem Tisch liegen, wirkt die ganze Debatte für mich aber eher wie Stochern im Nebel“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Bauausschusses.

Deshalb soll die Verwaltung jetzt erst einmal einen detaillierten Bauzustandsbericht sowie eine Machbarkeitsstudie samt Lebenszyklusanalyse der Bestandsbauten in Auftrag geben. Dieser Beschluss wurde schließlich einstimmig gefasst. Laut Bauamtschef Sven Dutschmann könne ein Neubau am Nelkenweg erneut den Stadtwerken übertragen werden, da das Projekt dem Konzept zur dauerhaften Sicherung günstigen Wohnraums entspreche.

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Der Wählergemeinschaft WfB wäre unterdessen wichtig, dass den aktuellen Bewohnern nach einer Kündigung der Mietverträge nicht nur zwingend alternative Sozialwohnungen, sondern auch die Option auf eine Rückkehr an den Nelkenweg angeboten werden. „Sie wohnen zum Teil schon seit Jahrzehnten in der Siedlung am Südring. Da sollte man sie in hohem Alter nicht dauerhaft herausreißen“, erklärte Ferdinand Zarnitz.

Nach Abendblatt-Informationen hatte der Elmshorner Projektentwickler Semmelhaack im Zusammenhang mit dem Bau des benachbarten BornInk-Quartiers bereits vor Jahren angeboten, auch das Terrain am Nelkenweg zu überplanen. So habe es das Angebot gegeben, die Bewohner vorübergehend in einem der beiden Bestandsblöcke und in neuen BornInk-Wohnungen unterzubringen, um dann an gleicher Stelle neue, seniorengerechte Appartements zu bauen. Auf diesen Vorschlag war die Stadt aber nie eingegangen.