Bargteheide. Der Komplex unweit des Südrings weist zahlreiche Mängel auf. Die schleichende Entmietung belastet viele Bewohner.

Die Seniorenwohnanlage am Nelkenweg in Bargteheide ist am Vormittag unseres Besuchs in strahlenden Sonnenschein gehüllt. Die frühlingshafte Grundstimmung vermag aber kaum zu kaschieren, dass sich das Areal unweit des Südrings in einem desolaten Zustand befindet. Auf den Dächern wuchert das Moos, unter den Laubengängen blühen Feuchtigkeitsflecken und in den Vorgärten, die großflächig von Wühlmäusen heimgesucht wurden, sprießt das Unkraut.

Wohnanlage: Zustände, die eigentlich unzumutbar sind

Der Niedergang des 1964 erbauten Komplexes erfüllt die Bewohner zunehmend mit Sorge und Unbehagen. „Die Mängel sind allgegenwärtig, auch in den Wohnungen“, sagt Brigitte Katzuba. Vor vier Jahren ist die 75-Jährige in eine 39 Quadratmeter große Wohnung der Anlage gezogen, nachdem sie 30 Jahre in Ahrensburg gewohnt hatte.

Anfangs habe sie sich sehr gefreut, nach der Trennung von ihrem Mann eine neue Bleibe gefunden zu haben. Doch dann häuften sich rasch die Unzulänglichkeiten. Mal stand der Keller unter Wasser, dann fiel auf den Fluren immer wieder das Licht aus, und schließlich kroch der Schimmel die Wände hoch. „Es sind teilweise Zustände, die unzumutbar sind“, sagt Katzuba.

Bewohner hat seine Wohnung selbst saniert

Das bestätigt auch Manfred Seeliger. Der ehemalige Zahntechniker wohnt seit 13 Jahren am Nelkenweg. Als er die Wohnung das erste Mal sah, traute er seinen Augen kaum. „Die Tapeten waren entweder mit Reißzwecken fixiert oder wurden notdürftig mit Tesafilm zusammengehalten. Und über den Zustand von Küche und Bad möchte ich an dieser Stelle lieber den Mantel des Schweigens decken“, berichtet Seeliger.

Die seinerzeit eingeschaltete Maklerin habe gar nicht glauben wollen, dass er die Wohnung trotzdem übernahm. „Ich bin passionierter Handwerker und habe mir die Räume praktisch allein so hergerichtet, wie man es bei einer Anmietung eigentlich erwarten würde“, erklärt der 81-Jährige. Überzeugt habe ihn letztlich die Miete: 214 Euro kalt. „Das war praktisch schon Ende der ersten 2000er-Dekade unschlagbar und ein überzeugendes Argument“, gesteht Seeliger.

Vier lange Wochen ohne Heizung und warmes Wasser

So nahm er letztlich unter anderem in Kauf, dass sich die höchst selten gereinigten Dachrinnen bei Starkregen regelmäßig in Wasserfälle verwandeln, die die Balkone und Terrassen der Wohnungen überschwemmen. „Da muss man sich über massiven Schimmelbefall eigentlich nicht wundern“, merkt Seeliger sarkastisch an, „aber vermutlich tut das auch niemand“.

Im September 2020 ist die Situation jedoch eskaliert. Die Tage waren nach dem Spätsommer schon deutlich kühler, als die marode und überaus störanfällige Heizungsanlage endgültig ihren Dienst quittierte. „Vier lange Wochen waren die Wohnungen eiskalt und warmes Wasser gab es logischerweise auch nicht“, erinnert sich Ernst Kalks.

Gesundheitsamt stellte Legionellen-Befall fest

Ernst Kalks, der sich lange als freiwilliger Hausmeister engagiert hat, will sich krankheitsbedingt Ende April zurückziehen.
Ernst Kalks, der sich lange als freiwilliger Hausmeister engagiert hat, will sich krankheitsbedingt Ende April zurückziehen. © Lutz Kastendieck | Lutz Kastendieck

Seit einigen Jahren gibt der 78-Jährige für eine Aufwandsentschädigung von lächerlichen 115 Euro den ehrenamtlichen Hausmeister und hilft seinen Mitbewohnern, wo immer er kann. Am massiven Legionellen-Befall vermochte er jedoch nichts zu ändern. Der war nach Kontrollen durch das Gesundheitsamt des Kreises amtlich festgestellt worden, ohne dass sich an der Situation lange etwas änderte.

„Inzwischen ist zwar eine neue Heizungsanlage installiert worden. Doch noch immer gibt es große Schwankungen bei der Warmwasseraufbereitung. Und die gesamten Zu-und Ableitungen sind genauso marode wie zuvor“, sagt Kalks. Eigentlich müsste die Stadt eine grundlegende Strangsanierung vornehmen. Das sei ihr aber offenbar zu aufwendig und zu teuer. So komme es immer wieder zu Rohrbrüchen und versteckten Lecks, die einzelne Räume unbewohnbar machten.

Acht der 24 Wohnungen stehen schon lange leer

„Von den 24 Mietwohnungen in der Anlage stehen inzwischen sieben teilweise schon bis zu drei Jahren lang leer, ebenso wie die Hausmeisterwohnung zwischen den beiden zweigeschossigen Blocks“, weiß Dagmar Pardubitzky (74). In einigen ist der Fußboden herausgerissen, in anderen fehlen Herd und Spüle, die normalerweise zur Grundausstattung gehören. „Das Gefühl der schleichenden Entmietung belastet viele Bewohner, ohne dass die Stadtverwaltung erklärt, wie das mit der Anlage weitergeht“, so Pardubitzky.

„Wir sind über die Situation im Nelkenweg informiert“, sagt CDU-Fraktionschef Mathias Steinbuck. Bei einer Diskussion der Lage im vergangenen Jahr sei aber deutlich geworden, dass es in der Kommunalpolitik unterschiedliche Ansichten zur weiteren Vorgehensweise gegeben habe. Während die Grünen für eine klimafreundliche Sanierung plädierten, waren andere Fraktionen mit Blick auf den Kosten-Nutzen-Faktor für einen Neubau.

Ukrainische Flüchtlinge sollen hier unterkommen

SPD-Fraktionschef Mehmet Dalkilinc hofft, dass sich über die Neuaufstellung der Stadtwerke auf dem Wohnungsmarkt rasch neue Optionen ergeben. „Klar ist für uns aber, dass es möglichst bald einer tragfähigen Lösung für alle Bewohner bedarf und die Problematik viel zu lange verschleppt worden ist“, so Dalkilinc.

Die Stadtverwaltung hat sich auf Anfrage bis zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe bislang nicht geäußert. Nach Abendblatt-Informationen sollen einzelne Wohneinheiten am Nelkenweg nun aber zeitnah für ukrainische Flüchtlinge ertüchtigt werden. Seit Wochenbeginn sind von den Mietern indes noch keine Handwerker gesichtet worden.