Ahrensburg/Lübeck. Prozess: Ahrensburger soll auch mit gestohlenen Wagen gehandelt haben. Nun hat sich eine ebenfalls angeklagte Frau geäußert.
In dem Prozess gegen den ehemaligen Autohaus-Chef Fatic B. (Name geändert) vor dem Amtsgericht Lübeck hat sich am Freitag die ebenfalls angeklagte, zeitweilige Geschäftsführerin des Unternehmens geäußert und eine Mitverantwortung für die Buchhaltungsverstöße, welche die Staatsanwaltschaft B. vorwirft, bestritten.
Sie sei zwar auf dem Papier als Geschäftsführerin eingetragen gewesen, habe in dem Autohaus aber keine Führungsverantwortung gehabt, so Jacqueline K. (Name geändert). „Die Entscheidungen hat er getroffen, hat sich um die Lohnauszahlungen gekümmert und Mitarbeiter eingestellt oder entlassen“, sagte die 39-Jährige und meinte mit „er“ Fatic B. Dieser sei für alle Angestellten „der Chef“ gewesen.
Prozess gegen Autohändler aus Ahrensburg: Geschäftsführerin äußert sich vor Gericht
Der 42 Jahre alte Unternehmer steht wegen diverser Delikte im Zusammenhang mit der Führung des Autohauses in Ahrensburg zwischen November 2014 und Oktober 2020 vor Gericht, darunter Steuerhinterziehung, Hehlerei, Betrug, Urkundenfälschung und Unterschlagung (Az. 725 Js 55324/16). Insgesamt umfasst die Anklageschrift 43 Punkte. Derzeit sitzt der Ahrensburger in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen schweigt er.
Unter anderem soll B. in seinem Autohaus mit Fahrzeugen gehandelt haben, die Dritte zuvor gestohlen hatten. An den Diebstählen selbst war der Unternehmer laut Staatsanwaltschaft nicht beteiligt, wusste aber um die Herkunft der von ihm angeboten Autos. Um diese zu verschleiern, änderte der 42-Jährige in der seinem Autohaus angegliederten Werkstatt die für jedes Auto einzigartige, ins Blech geprägte Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN).
Der Unternehmer soll über Jahre hinweg Geschäftsunterlagen manipuliert haben
Darüber hinaus soll der 42-Jährige mehrere Autos zur Finanzierung sowie Bankkredite erworben haben, ohne die gewährten Darlehen anschließend zu begleichen. Dazu nutzte er demnach gefälschte Identitäten und Papiere. Teilweise überredete er auch Bekannte, die Finanzierungsverträge auf ihren Namen abzuschließen. Die Autos, alles hochwertige Modelle der Hersteller BMW, Mercedes und Audi, habe der Angeklagte auf sich selbst zugelassen und genutzt.
Auch interessant
- Kanonenschlag verfehlt SPD-Abgeordneten in Bargteheide knapp
- Elterntaxi-Zone vor Schule – es regt sich Widerstand
- Busausfälle: Schon wieder dramatische Lage in Stormarn
Um seine kriminellen Machenschaften zu verbergen und die in Wahrheit sehr angespannte finanzielle Lage des Autohauses zu vertuschen, soll der Ahrensburger über Jahre hinweg Geschäftsunterlagen und Bilanzen manipuliert haben. Umsatzsteuererklärungen und -voranmeldungen soll der Unternehmer nicht, zu spät oder vorsätzlich falsch abgegeben und so das Finanzamt um Steuern im sechsstelligen Bereich betrogen haben.
Mitangeklagte war von August 2016 bis August 2017 als Geschäftsführerin eingetragen
Offiziell als Geschäftsführer der GmbH war B. laut Anklage lediglich zwischen 2015 und 2016 aktiv. In der Zeit danach soll der 42-Jährige im Handelsregister verschiedene Strohmänner und -frauen auf dieser Position eingetragen haben, darunter seinen im Kosovo lebenden Bruder, während er in Wahrheit im Hintergrund weiterhin die Geschäfte des Autohauses führte und alleiniger Gesellschafter war.
Eine dieser Personen war Nadine K., die von August 2016 bis August 2017 als Geschäftsführerin eingetragen war. Ihr wirft die Staatsanwaltschaft vor, während ihrer Tätigkeit im Autohaus in 13 Fällen für die Buchführungsdelikte und Steuerhinterziehungen mitverantwortlich gewesen zu sein. Die 39-Jährige weist das zurück. Dass es Probleme mit den Steuerunterlagen des Unternehmens gebe, habe sie erst nach dem Ende ihrer Tätigkeit erfahren, als die Polizei ihre Wohnung nach Papieren des Autohauses durchsucht habe, sagte die Hamburgerin.
Die 39-Jährige will zwielichtige Umstände ihrer Anstellung nicht hinterfragt haben
Vor Gericht schilderte die gelernte Friseurin, wie es zu der Beschäftigung bei B. gekommen sei. „Eine Freundin, die dort schon im Büro gearbeitet hat, hat mir den Job vermittelt“, so K. Kurz darauf sei sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Dabei habe Fatic B. ihre Bereitschaft, sich als Geschäftsführerin eintragen zu lassen, zur Bedingung für eine Beschäftigung gemacht. Ein Gehalt von 1000 Euro im Monat habe ihr der 42-Jährige angeboten. Das habe schon damals nicht einmal dem Mindestlohn entsprochen. Das Geld habe ihr K. immer bar ausgezahlt.
Ob sie angesichts dieser Umstände nicht misstrauisch geworden sei, wollte die Vorsitzende Richterin Corinna Wiggers von der Angeklagten wissen. „Ich habe dringend Arbeit gesucht, deshalb habe ich das nicht hinterfragt“, so K. Wenige Tage später habe sie im Autohaus angefangen.
Ein brisantes Schreiben trägt die Unterschrift der Hamburgerin
Gemeinsam mit zwei Kolleginnen habe sie im Büro gearbeitet, dort unter anderem Termine geplant, Anrufe entgegengekommen, Fahrzeugteile bestellt und Rechnungen geschrieben. In den ersten Monaten habe sie noch Zugriff auf eines der Geschäftskonten gehabt, den habe ihr B. aber plötzlich ohne Angaben von Gründen gesperrt. Nachgefragt habe sie deshalb aber nie.
„Mir war nicht bewusst, dass ich für die Buchhaltung und Bilanzen verantwortlich bin“, sagte die 39-Jährige. Für sie sei klar gewesen, dass dafür Fatic B. die Verantwortung trage, der laut Handelsregister in den ersten Wochen ebenfalls noch als Geschäftsführer eingetragen war. Dass ihr nach kurzer Zeit die alleinige Geschäftsführung übertragen worden war, wollte die 39-Jährige nicht bewusst mitbekommen haben, obwohl das dazugehörige Schreiben an das Handelsregister ihre Unterschrift trägt.
Nadine K. kündigte nach eigener Aussage, weil B. ihr immer weniger Lohn auszahlte
Auf Nachfrage des Verteidigers von B., Merlin Böttcher, musste die Hamburgerin einräumen, dass es vor dem Beginn ihrer Tätigkeit im Autohaus ein Gespräch über die Aufgaben eines Geschäftsführers gegeben hatte, bei dem auch ein Ahrensburger Rechtsanwalt anwesend war. „Es ging aber nie darum, dass ich irgendwie haftbar bin“, so K. „Ich hatte das Gefühl, dass er mir das eher schönreden wollte.“
Mehr aus Ahrensburg
Die Tätigkeit für B. habe sie schließlich im August 2017 gekündigt, weil der 42-Jährige ihr entgegen des Arbeitsvertrags immer weniger Lohn ausgezahlt habe. Den Posten des Geschäftsführers habe anschließend ein Werkstattmitarbeiter übernommen, der erst wenige Wochen zuvor in dem Autohaus angefangen habe.
Insolvenzverwalter schildert vor Gericht „merkwürdiges Verfahren“
Neben Nadine K. sagten am Freitag auch der zwischenzeitlich bestellte Insolvenzverwalter des Autohauses und die Ermittlungsführerin der Steuerfahndung aus. Der Insolvenzverwalter, der 2018 vom Amtsgericht Reinbek für die GmbH wegen nicht gezahlter Sozialversicherungsbeiträge eingesetzt worden war, sprach von einem „merkwürdigen Verfahren“.
So sei etwa der auf dem Papier eingetragene Geschäftsführer trotz erheblicher Bemühungen nicht auffindbar gewesen. Bereits seit September 2017 habe es keine geordnete Buchführung mehr gegeben. Das Insolvenzverfahren sei schließlich mangels verwertbarer Masse eingestellt worden. „Zuvor waren mehrere, zunächst noch auf das Unternehmen zugelassene Fahrzeuge abgemeldet worden und verschwunden“, so der Anwalt. Das einzige verbliebene, auf die Firma angemeldete Auto sei ebenfalls nicht auffindbar gewesen.
Im September 2016 fiel das Autohaus dem Finanzamt erstmals auf
Laut Akten gründete Fatic B. anschließend eine neue GmbH unter anderem Namen und führte mit dieser das Autohaus weiter. Es besteht der Verdacht, dass er dabei widerrechtlich das Vermögen der Vorgängerfirma in das neue Unternehmen verschob. Inzwischen wurde der Anwalt auch als vorläufiger Insolvenzverwalter für das Privatvermögen von Fatic B. bestellt. Bislang habe sich der Unternehmer dabei alles andere als kooperativ verhalten, Informationen zu Gläubigern nicht herausgegeben, so der Jurist. Die Entscheidung über die Eröffnung eines Privatinsolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Reinbek stehe noch aus.
Bereits im September 2016 sei das Autohaus dem Finanzamt erstmals aufgefallen, sagte die Ermittlerin der Steuerfahndung. „Es gab Unstimmigkeiten bei der Umsatzsteuer, teilweise fehlten Steuererklärungen.“ Im April 2017 sei ein Strafverfahren eingeleitet worden.
Neun Fahrzeuge waren auf die Ehefrau des Angeklagten zugelassen
Bei einer Durchsuchung im September desselben Jahres seien zahlreiche Geschäftsunterlagen sichergestellt worden, darunter Rechnungen, die nicht Eingang in die Buchführung gefunden hätten. „Es stellte sich außerdem heraus, dass neun Fahrzeuge auf die Ehefrau des Angeklagten zugelassen waren, für deren Erwerb sie nicht über die finanziellen Mittel verfügte und die wir der Firma zugerechnet haben.“
Das Verfahren soll am Dienstag, 11. Juni, mit der Vernehmung weiterer Ermittlungsbeamter fortgesetzt werden. Für Fatic B. ist es nicht der erste Strafprozess im Zusammenhang mit der Führung des Ahrensburger Autohauses: Erst Ende März hatte das Amtsgericht in der Schlossstadt den 42-Jährigen zu dreieinhalb Jahren Gefängnis wegen Betruges und Unterschlagung in sechs Fällen verurteilt.
Amtsgericht Ahrensburg verurteilte den 42-Jährigen Ende März bereits wegen Betrugs
Der Unternehmer soll mit Autos seiner Kunden Unfälle fingiert und Versicherungen so um mehr als 140.000 Euro geprellt haben. Gegen die Entscheidung hat B. Rechtsmittel eingelegt. In dem aktuellen Verfahren sind neun weitere Verhandlungstage angesetzt. Mit einem Urteil ist frühestens Ende Juli zu rechnen.