Ahrensburg. Schöffengericht Ahrensburg verurteilt 42-Jährigen wegen Versicherungsbetrugs. Er nutzte auch die Gutgläubigkeit seiner Kunden aus.
Entspannt lehnt sich der Angeklagte Fatic B. (Name geändert) auf seinem Stuhl zurück. Lachend winkt er seiner Familie zu, die im Zuschauerraum des Saales 1 des Amtsgerichts Ahrensburg Platz genommen hat. Vier Stunden später nimmt er das Urteil dann eher regungslos entgegen: Das Schöffengericht hat den 42-jährigen Ahrensburger wegen Betruges in sechs Fällen, wegen versuchten Betruges in zwei Fällen und Unterschlagung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.
Gegen den Kosovaren war seit Januar 2024 wegen gewerbsmäßigen Betruges in 13 Fällen, davon zwei als Versuch, verhandelt worden. Der Angeklagte betrieb ein Autohaus in Ahrensburg. Dort soll er mehrere Versicherungen durch fingierte und teils erfundene Autounfälle, für die er die Wagen seiner Kunden missbrauchte, um zum Teil fünfstellige Geldbeträge betrogen haben. Der Gesamtschaden beläuft sich laut Anklage auf mehr als 140.000 Euro.
Versicherungsbetrug: Autohaus-Chef aus Ahrensburg fingiert Unfälle
Das Muster: Der Angeklagte soll die Unfälle unter anderem mit Autos, die Kunden bei ihm zur Reparatur eingestellt hatten, selbst verursacht beziehungsweise vorgetäuscht haben, sie verursacht zu haben. Dann, so wirft es ihm die Staatsanwaltschaft vor, soll er die Schäden unter Nutzung der Namen und Daten seiner Kunden selbst bei den Versicherungen angemeldet und Reparaturkosten und Schadenzahlungen (die Wagen der Unfallgegner waren auf seine Mitarbeiter oder deren Angehörige zugelassen) einkassiert haben.
„Auch wenn der Verteidiger immer wieder den Eindruck erwecken möchte, hier liege ein Justizirrtum vor, hat sich die Anklage in diesem Prozess bestätigt“, eröffnet der Staatsanwalt sein Plädoyer. „Allein die Schadenhöhe hätte es gerechtfertigt, dass der Fall von der Abteilung für organisierte Kriminalität verhandelt worden wäre.“
Versicherungsbetrug: Kunden hatten schlichtes Gemüt oder waren manipulierbar
Der Fall sei bestimmt worden durch die Zeugenaussagen, die manches Mal etwas schwierig verlaufen seien, da die Taten so lange zurückliegen, sagt der Ankläger weiter. Einige seien bereits vor sieben Jahren begangen worden. Die heutigen Zeugen seien zum Teil daran beteiligt gewesen, kamen aus dem Familien- und Freundeskreis des Angeklagten. Weil sie sich nicht selbst belasten wollten, hätten sie gar kein Interesse daran gehabt, sich zu erinnern.
Andere „Mittäter“ habe sich der Angeklagte sehr sorgfältig aus seinem Kundenkreis herausgepickt. Sie seien entweder schlichten Gemüts oder leicht zu manipulieren gewesen. Einige seien seinem zweifelsohne großen Charme erlegen und hätten ihm schlicht vertraut. Wieder andere seien schon sehr alt, krank und leicht einzuschüchtern gewesen.
Versicherungsbetrug: Gleicher Unfallort, selbe Unfallgegner – das kann kein Zufall sein
Allein die Tatsache, dass viele der Unfälle am selben Ort und mit denselben Unfallgegnern geschahen, ließen die Annahme, es könne sich hier noch um Zufälle handeln, unvernünftig und nicht mehr lebensnah erscheinen. Die Ergebnisse der Überwachung der Handys und der Chatverläufe der Beteiligten untermauerten das. Am Ende seines Plädoyers fordert der Staatsanwalt unter Berücksichtigung der Vorstrafen und weiterer Verurteilungen eine Gesamtstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.
Der Verteidiger des Angeklagten kommt in seinem Plädoyer zu ganz entgegengesetzten Schlussfolgerungen. „Mein Mandant ist beileibe kein Samariter. Er ist vorbestraft, wenn auch nicht einschlägig“, eröffnet er seinen Vortrag. Auch wenn sein Mandant eine unliebsame Person sei, würden auch für diesen Mann die Regeln des Rechtsstaates gelten. Das bedeute, im Prozess müsse eindeutig eine Täuschungsabsicht vonseiten des Angeklagten nachgewiesen worden sein. Und nur was im Prozess zweifelsfrei festgestellt worden sei, dürfe in die Urteilsfindung einfließen.
Anwalt sagt: Das ist alles nicht strafwürdig
Eine Täuschungsabsicht oder eine Beteiligung an Betrugstaten hätten seinem Mandanten aber nicht nachgewiesen werden können, so der Anwalt. Die im Prozess ermittelten Vorgänge seien vielmehr zivilrechtlicher Natur und nicht strafwürdig. Telefongespräche, Unterschriften und Notizen seien seinem Mandanten nicht zuzuordnen gewesen. Deshalb fordert der Verteidiger, seinen Mandanten freizusprechen und aus der Haft zu entlassen. Lediglich in einem Fall räumt er einen versuchten Betrug ein, für den er eine Bewährungsstrafe von maximal fünf Monaten fordert.
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Im Strafmaß folgt das Schöffengericht dem Antrag des Staatsanwaltes. „Das Gericht ist davon überzeugt, dass die Taten von dem Angeklagten weitgehend verübt wurden“, sagt Richter Said Evora in seiner Urteilsbegründung. Der Angeklagte sei der Geschäftsführer des Autohauses gewesen. „Dort passierte nichts ohne sein Wissen“, so Evora weiter. Es seien einfach zu viele Parallelen bei den fingierten Unfallvorgängen aufgetaucht, als dass man dort noch von zufälligen Schadensereignissen ausgehen könne. Der Angeklagte habe für sich Alias-Namen bei der Abwicklung der Schäden genutzt. Anzunehmen, es gebe dafür andere Gründe, als seine betrügerischen Absichten zu verschleiern, wäre lebensfremd.
Da der Haftbefehl weiter besteht, wird der Angeklagte nach Verkündung des Urteils in Handschellen abgeführt und zurück in die Haftanstalt verbracht. Ob er gegen dieses Urteil Berufung einlegen wird, steht noch nicht fest.