Bargteheide. Nach Attacken auf das Autonome Jugendhaus Bargteheide steht dessen Vorstand nun selbst in der Kritik. Was der Staatsanwalt sagt.

Mit viel Lifemusik von Bands und DJs, veganem und vegetarischem Essen, sowie kühlen Getränken will das Autonome Jugendhaus (AJH) in Bargteheide am Wochenende, 7. bis 9. Juni, sein 40-jähriges Bestehen feiern. Die Vorbereitungen für das große Festival verliefen unterdessen nicht ganz reibungslos. Wie bereits berichtet, war es in der Nacht zum Sonntag, 26. Mai, zum Ausbruch eines Feuers im Außenbereich der Containeranlage am Volkspark gekommen, bei dem erheblicher Sachschaden entstand. Der Vorstand des AJH ging in einer Erklärung sofort von einem Brandanschlag aus und kritisierte dabei zum wiederholten Male das Vorgehen der Polizei. Den eingesetzten Beamten wurden „kein sonderlich großes Interesse“ und „mangelnde Ernsthaftigkeit“ vorgeworfen.

Laut AJH-Vorstand habe sich der Brand in eine „Vielzahl von Vorfällen“ eingereiht, bei denen das Autonome Jugendhaus von Randalierern angegriffen worden sei oder sich engagierte Jugendliche von rechtsextremen Gruppen bedroht sahen. „Wir sind entsetzt über die rohe Gewalt, die gegen unseren Verein und dessen Räumlichkeiten ausgeübt wird“, heißt es in der Erklärung wörtlich.

Strafrechtlich relevanten Beweisen nicht nachgegangen?

Bereits nach der Attacke in der Nacht zum 3. Februar dieses Jahres hatten AJH-Besucher eine lückenlose Aufklärung des Übergriffs und weiterer Vorfälle in der Stadt gefordert. Immerhin habe es genug Ansätze für weitergehende Ermittlungen gegeben. Stattdessen hätten die Beamten vor Ort offenbar nicht alles, was ihnen mitgeteilt worden sei, protokolliert und mögliche strafrechtlich relevante Beweise nicht hinreichend gesichert.

Blick auf das Außengelände des Autonomen Jugendhauses am Stadtpark.
Blick auf das Außengelände des Autonomen Jugendhauses am Stadtpark. © HA | Privat

Bei der Konfrontation war das Gelände durch eine Gruppe von zeitweilig bis zu 25 Personen belagert worden. Nach Böllerwürfen soll es zu Provokationen mit Beleidigungen und rechtsradikalen Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ gekommen sein und schließlich sogar zu körperlichen Angriffen. Die Drohkulisse habe sich wie eine gezielte und geplante Provokation angefühlt, so ein Augenzeuge gegenüber dieser Redaktion.

Ermittlungen des Staatsschutzes inzwischen eingestellt

Elf Tage nach diesem Geschehen hatte schließlich das Staatsschutzkommissariat der Bezirkskriminalinspektion Lübeck die weiteren Nachforschungen in der Sache übernommen. Weil der „Verdacht eines politisch motivierten Hintergrunds“ im Raum stehe, war bei der Staatsanwaltschaft Lübeck ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt eingeleitet worden.

Auf Anfrage dieser Redaktion teilte Jens Buscher, Sprecher der Staatsanwaltschaft beim Landgericht Lübeck, jetzt allerdings mit, dieses Verfahren sei inzwischen eingestellt worden. „Im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen konnte kein konkreter Geschehensablauf in belastbarer Weise festgestellt werden“, so der Oberstaatsanwalt. Laut Protokoll der Polizeistreife sei es zwar zu Streitigkeiten mit der anderen Gruppe gekommen, nicht aber zu Sachbeschädigungen oder Verletzungen von Besuchern des AJH. Ebenso wenig hätte sich der Vorwurf „strafbarer“ politischer Parolen erhärtet.

Videoaufnahmen wurden von Zeugin selbst gelöscht

„Es ist den Beamten auch nicht mitgeteilt worden, welche konkreten Personen aus der anderen Gruppe für einzelne konkrete Handlungen verantwortlich gewesen sein sollen“, führt Buscher weiter aus. Alles in allem seien an dem fraglichen Abend überhaupt keine Handlungen geschildert worden, die strafrechtlich relevant gewesen wären.

Energisch dementiert hat der Oberstaatsanwalt auch die Behauptung von Augenzeugen, Besucher des AJH seien von der Streife aufgefordert worden, Video- und Tonaufnahmen zu löschen. Vielmehr sei das von einer Zeugin gefertigte Video trotz Aufforderung nicht vorgespielt worden. Und zwar deshalb, weil sie es bereits gelöscht hatte, nachdem sie dazu von einer Person der anderen Gruppe aufgefordert worden sei.

Keine Anhaltspunkte für konkrete Straftaten

Letztlich hätten sich weder während des Polizeieinsatzes in der Nacht zum 3. Februar noch bei den späteren Ermittlungen ausreichende Anhaltspunkte für konkrete Straftaten ergeben. Und trotz ausdrücklicher Nachfrage der Beamten habe keiner der Anwesenden eine Strafanzeige oder einen Strafantrag gestellt. Dies sei im Übrigen auch im Nachhinein zu keiner Zeit erfolgt.

„Mehr noch haben sich keine Zeugen bei der Polizei gemeldet, um bei einer Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken“, moniert Buscher. Zudem hätten die während der Ermittlungen bekannt gewordenen Zeugen übersandte Aufforderungen zur schriftlichen Schilderung des Sachverhalts nicht beantwortet und seien zu den von der Staatsanwaltschaft Lübeck veranlassten polizeilichen Vernehmungen ohne Angabe von Gründen nicht erschienen.

Kripo Ahrensburg ermittelt nach wie vor in alle Richtungen

„Das führt zu der Annahme, dass etwaige Zeugen aus dem Umfeld des AJH gar kein Interesse an einer Aufklärung des Sachverhalts durch die Ermittlungsbehörden zu haben scheinen“, folgert Oberstaatsanwalt Jens Buscher. Wegen des Fehlens einer „umfassenden Sachverhaltsschilderung“ sei letztlich nicht zu klären gewesen, was sich am fraglichen Abend im Bereich des Autonomen Jugendhauses in Bargteheide tatsächlich zugetragen hat.

Laut der zuständigen Polizeidirektion in Ratzeburg dauern die Ermittlungen im Fall des vom AJH-Vorstand vermuteten Brandanschlags vom 26. Mai an. „Es wird von der Kriminalpolizei in Ahrensburg nach wie vor in alle Richtungen ermittelt, ohne dass sich der Verdacht einer bewussten Brandstiftung bislang erhärtet hätte“, sagt Sprecherin Jacqueline Fischer.

Feuertonne könnte Brand ausgelöst haben

Vielmehr könnte auch Leichtsinn im Spiel sein. Ersten Zeugenaussagen zufolge waren am Abend zuvor nämlich noch mehrere Personen am und im Autonomen Jugendhaus zugange, um das Sommerfest vorzubereiten. Dabei sollen für eine kleine Vorfeier Holzscheite in jener Feuertonne angefacht worden sein, die möglicherweise Auslöser des Brandes war.

„Die Unterstellung, unsere Kollegen vor Ort hätten die Situation nicht ernst genommen und kein großes Interesse an dem Vorfall gezeigt, weisen wir erneut mit Nachdruck zurück“, so Fischer. Das Vorgehen sei absolut regelkonform gewesen, die Aussagen der Anwesenden seien ordnungsgemäß protokolliert und der Brandort zudem fotografisch dokumentiert worden.

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„Die eingesetzten Beamten sind stets um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bemüht, erhalten aber nicht immer die wünschenswerte Unterstützung“, betont Jacqueline Fischer. Außerdem werde zu selten mit der Polizei direkt kommuniziert: „Es kann eigentlich nicht sein, dass wir bestimmte Informationen zuerst aus den Medien erfahren, statt von Augenzeugen am Ort des Geschehens.“

Eine Stellungnahme zur Einstellung des Verfahrens zum Übergriff Anfang Februar und zur unterlassenen Unterstützung der Ermittlungsbehörden hat der Vorstand mit Verweis auf das Festival zum Jubiläum abgelehnt. Sich zu den aufgeworfenen Fragen zeitnah und substanziell zu äußern, dafür fehle momentan schlicht die Zeit. Wie sich diese Haltung mit den permanenten Forderungen nach einer umfassenden und lückenlosen Aufklärung der Angriffe auf das Autonome Jugendhaus und seine Besucher verträgt, bleibt schleierhaft.