Bargteheide. Eine Gruppe von 15 Personen hat randaliert, beleidigt und gedroht. Warum die Angreifer dem rechten Lager zugeordnet werden.
Nur eine Woche nach der Demonstration in Bargteheide gegen Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus mit mehr als 2000 Teilnehmern ist es zu einem Übergriff mit offenbar rechtsradikalem Hintergrund auf das Autonome Jugendhaus (AJH) gekommen. Wie erst jetzt bekannt wurde, belagerten in der Nacht zum Sonnabend, 3. Februar, etwa 15 Personen den bekannten Containerbau am westlichen Stadtrand, warfen Böller, provozierten mit Beleidigungen und suchten zudem offen die körperliche Konfrontation. Erst nach Eintreffen der Polizei beruhigte sich die Lage auf dem Gelände an der Alten Landstraße weit nach Mitternacht.
„Diese Attacke hatte eine neue, bislang so nicht bekannte Qualität“, sagt Marco F. (Name geändert) dieser Redaktion. Mit Blick auf seine Sicherheit und die seiner Familie bittet er darum, auf die Nennung seines richtigen Namens zu verzichten. Das gilt ebenso für die anderen beiden Zeugen des Geschehens, die mit dem Abendblatt gesprochen haben.
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Tom Mac Arthur, Organisator der Demonstration gegen Rechts am 27. Januar im Bargteheider Zentrum, hatte bei seiner Ansprache bereits darauf hingewiesen, dass sich „geschichtsvergessenes, rechtsextremes Gedankengut“ längst auch wieder in Bargteheide eingeschlichen habe. „Das beweisen Hakenkreuzschmierereien an Gebäuden der Stadt, aber auch entlarvende Kommentare in den sozialen Netzwerken“, so Mac Arthur.
Nun ist es also erstmals zu einer anscheinend konzertierten Aktion einer größeren Gruppe gekommen, die keinen Hehl daraus gemacht hat, in welcher Ecke des politischen Spektrums sie zu verorten ist. „Die Aggressivität und das Maß an verbaler Verachtung war geradezu erschreckend“, sagt Felix K., ein weiterer Zeuge der Nacht am AJH.
Feuertonne umgetreten und gegen Türen gehämmert
Alles begann am späten Freitagabend. Gegen 21.30 Uhr tauchten plötzlich fünf Jugendliche am AJH auf, weitere drei hielten sich zu diesem Zeitpunkt noch im Hintergrund. Sie gehörten offenbar zu einer Geburtstagfeier, die im benachbarten Casino des TSV Bargteheide stattfand.
„Erst flogen Böller, dann folgten erste Schmährufe“, schildert Felix K. Da sich zu diesem Zeitpunkt nur vier Jugendliche im AJH aufgehalten hätten, seien umgehend Freunde, Bekannte und Eltern alarmiert worden. Kurz vor 23 Uhr waren dann fünf Angreifer auf das Gelände vorgedrungen, traten dort eine Feuertonne um und hämmerten gegen die Türen.
Mehrfach wurde lautstark „AfD, AfD, AfD“ skandiert
Begleitet wurden die Übergriffe von lautstarken Parolen wie „Deutschland den Deutschen“ und Anfeindungen wie „Scheiß Hurensöhne, keiner will euch hier haben“ und „Raus, ihr Antifa-Zecken“. Zudem sei mehrfach lautstark „AfD, AfD, AfD“ skandiert worden. „Diese Drohkulisse fühlte sich wirklich wie eine gezielte und geplante Provokation an“, sagt Marco F.
Die Situation habe sich dann für eine Weile beruhigt, weil offenbar Mitternacht ein Geburtstagsfeuerwerk auf dem TSV-Gelände geplant gewesen sei. Dazu ist es dann auch gekommen. „Und zwar ziemlich laut und etwa zehn Minuten lang“, so Marco F. Es sei schon erstaunlich gewesen, dass sich nicht sofort eine Polizeistreife habe blicken lassen. Denn außerhalb des bekannten Zeitraums zur Jahreswende muss für Feuerwerk eine behördliche Genehmigung eingeholt werden. Wer dagegen verstößt, riskiert Bußgelder von bis zu 10.000 Euro.
Mehrere Angreifer der rechten Szene zugeordnet
Als nach dem Feuerwerk erneut bis zu 15 Personen am Autonomen Jugendhaus aufliefen, wurde dann doch der Notruf gewählt. Allerdings von Anwohnern, die sich bei der Polizei wegen ruhestörenden Lärms beschwert hatten. Am AJH war derweil versucht worden, die Lage nicht eskalieren zu lassen. „Dennoch kam es erneut zu Beleidigungen und schließlich auch zu körperlichen Attacken“, schildert Marco F. den Fortgang des Geschehens. Erst mit dem Eintreffen einer Polizeistreife gegen 0.30 Uhr habe sich die Situation schlagartig beruhigt. Plötzlich sei die Hälfte der Angreifer verschwunden gewesen. „Der verbliebene Rest bemühte sich unterdessen nach Kräften, es so aussehen zu lassen, als wären wir die Provokateure gewesen“, so Marco F.
Die zuständige Polizeidirektion in Ratzeburg teilt auf Anfrage dieser Redaktion mit, die Besatzung der Funkstreife sei auf zwei Personengruppen getroffen, die „kommunikativ erreichbar waren“. Von einem Übergriff sei den Beamten indes nichts mitgeteilt worden. Die Gruppen hätten sich alsbald getrennt, zu weiteren Störungen sei es nicht gekommen. „Allerdings haben Personen aus dem AJH mehrere Personen aus der Gruppe benannt, die sie der rechten Szene zuordneten und mit denen es in letzter Zeit immer wieder Probleme gegeben habe“, so Polizeisprecherin Jacqueline Fischer.
Jugendhaus wird von rund 300 Jugendlichen besucht
Mit der Drohung, „Wir kommen wieder“ und „Ihr werdet auf jeden Fall den Kürzeren ziehen“ hatten sich die letzten Angreifer wenig später zurückgezogen. Eine Anzeige ist nach dem Vorfall bislang noch nicht erstattet worden. Einzelpersonen aus dem AJH hätten sich aber bereits mit Anwälten beraten und sich die Option einer Anzeige vorbehalten, so Felix K.
„Das Autonome Jugendhaus wird regelmäßig von rund 300 Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 26 Jahren besucht. Wenn es kein geschützter Ort mehr ist, hat die Stadt ein gravierendes Problem“, sagt Marco F. Zumal verbale Attacken in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen hätten. Schon in der Weihnachtszeit und immer öfter auf dem Gelände des Schulzentrums. „Immer wieder werden Mädchen als Scheiß-Antifa-Fotzen bezeichnet, das sind längst keine Einzelfälle mehr“, bestätigt Celina M.
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Flankiert wird das Ganze durch eine Häufung aggressiver Posts in den sozialen Netzwerken, insbesondere auf Instagram. Bis vor Kurzem gab es dort noch einen Account mit Namen „Deutsche Jugend Bargteheide“, der vielfach Beiträge mit Parolen wie „Hol dir dein Land zurück“, „Setzt die Saat für einen neuen Staat“ und „Remigration statt 3-Sterne-Pension“ geteilt hat.
Dort war unlängst auch zu lesen, „die Zahl der Linken in Bargteheide sei sehr hoch“. Sie versuche, „auf sich aufmerksam zu machen“. Das wolle man nun ändern und „Präsenz zeigen“, um wieder zu einem „Normalen Deutschland“ zu kommen. „Wacht auf und kämpft für das Vaterland! Jede Art von Aktivismus hilft! Wir lassen uns nicht von einer Minderheit linksradikaler Halbstarker einschüchtern.“ Anscheinend ist diese Aufforderung längst auf fruchtbaren Boden gefallen.