Bargteheide. Der Überfall auf das Autonome Jugendhaus in Bargteheide wird nun doch untersucht. Die Gründe für den Sinneswandel nach elf Tagen.

Nach dem Überfall auf das Autonome Jugendhaus (AJH) Bargteheide in der Nacht zum 3. Februar kommt es nun doch zu polizeilichen Ermittlungen. Das Staatsschutzkommissariat der Bezirkskriminalinspektion Lübeck hat die Nachforschungen am Mittwoch, 14. Februar, übernommen, bestätigte ein Sprecher dieser Redaktion. Es stehe der Verdacht eines politisch motivierten Hintergrunds im Raum, hieß es zur Begründung. „Wir sehen den Ergebnissen der Ermittlungen mit Interesse entgegen und begrüßen die eingehende Untersuchung dieses Vorfalls“, heißt es in einer Mitteilung des AJH.

Videoaufnahmen mussten gelöscht werden

Wie bereits berichtet, war es in der fraglichen Nacht am Rande einer Geburtstagsfeier im nur 100 Meter entfernten Vereinsheim des TSV Bargteheide zu dem Übergriff gekommen. Das Autonome Jugendhaus soll zeitweilig von bis zu 25 Personen belagert worden sein. Nach Böllerwürfen sei es zu Provokationen mit Beleidigungen und rechtsradikalen Parolen gekommen und schließlich sogar zu körperlichen Angriffen. Erst nach Eintreffen einer Polizeistreife hatte sich die Lage weit nach Mitternacht beruhigt.

Weil vor Ort keine Anzeige erstattet wurde und angeblich keinerlei strafbare Handlungen gemeldet worden waren, hatten sich die Beamten auf eine Deeskalation der angespannten Situation beschränkt. Auf Unverständnis stieß hingegen, dass offenbar nicht alles, was den Beamten in der fraglichen Nacht mitgeteilt wurde, auch protokolliert worden sei. Mehr noch seien Besucher des AJH von den Beamten aufgefordert worden, Videoaufnahmen zu löschen. Das hat die Polizei jedoch dementiert. Das gefertigte Video sei „eigeninitiativ gelöscht“ worden, ohne den Beamten vor Ort vorher Einsicht gewährt zu haben.

Hinreichende Ansätze für Ermittlungen gegeben

Nach Darstellung mehrerer Zeugen aus dem Autonomen Jugendhaus wurde der Streife das Geschehen indes detailliert geschildert. „Dass nichts davon strafrechtlich relevant sein soll, können wir uns nur schwer vorstellen“, monierten sie im Abendblatt. Zumal den Beamten auch Namen von beteiligten Angreifern genannt worden seien. Deshalb habe es aus ihrer Sicht hinreichende Ansätze für weitere Ermittlungen gegeben.

Das beurteilt das Staatsschutzkommissariat offenbar ebenso. „Grund hierfür ist auch die Berichterstattung in den Medien, aus der sich wegen der detaillierten Schilderungen von Besuchern des Autonomen Jugendhauses der Anfangsverdacht von Straftaten begründet“, erklärte Polizeisprecher Ulli Fritz Gerlach. Um weitere Einzelheiten zu prüfen und mögliche Straftaten deliktsbezogen konkretisieren zu können, seien die Ermittler aber auf weitere Hinweise und persönliche Aussagen von Zeugen angewiesen.

Bürgermeisterin sagt Jugendlichen Unterstützung zu

Unterdessen hat sich Bürgermeisterin Gabriele Hettwer am Donnerstag, 15. Februar, mit mehreren Nutzern des Autonomen Jugendhauses vor Ort getroffen. Das Stadtoberhaupt hatte den Übergriff bereits zuvor als „erschreckend und nicht hinnehmbar“ bezeichnet. Bei dem Treffen im AJH sei es dann zu einem „offenen und konstruktiven Austausch“ gekommen.

Dabei wurden unter anderem Maßnahmen erörtert, die künftig für mehr Sicherheit auf dem Gelände sorgen sollen. Dazu könnten nach Informationen unserer Redaktion neben einer neuen Einfriedung, Scheinwerfer mit Bewegungsmeldern und sogar eine Videoüberwachung zählen. Überdies seien durch einen Mitarbeiter der Verwaltung sicherheitsrelevante Mängel an der Innenausstattung des Autonomen Jugendhauses aufgenommen worden.

TSV Bargteheide verurteilt Attacke aufs Schärfste

„Es hat sich gezeigt, dass rechtsextreme Gewalt auch vor Bargteheide keinen Halt macht. Diese neue Realität erfordert angemessenes Handeln. Daher befürworten wir die Initiative der Stadt, weitergehende Schutzmaßnahmen zu ergreifen“, bewertete das AJH den Besuch der Bürgermeisterin in einer Stellungnahme positiv.

Inzwischen hat auch der TSV Bargteheide die Attacke auf das Autonome Jugendhaus verurteilt. „Die Angreifer kamen zwar vom Gelände unseres Vereins, zumindest der Veranstalter der Geburtstagsfeier war aber kein TSV-Mitglied“, sagte der Erste Vorsitzende, Stephan Schott, dem Abendblatt. Was an dem fraglichen Abend geschehen sei, habe rein gar nichts mit dem zu tun, wofür der Verein stehe. Nämlich für Offenheit, Toleranz, gegenseitigen Respekt und Fairness – ganz im Sinne des jüngsten Positionspapiers des Landessportbunds zu den wachsenden antidemokratischen und rechtsextremistischen Tendenzen.

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„Vom Verhalten der Gäste des TSV-Sporttreffs und deren Aussagen distanzieren wir uns in aller Form“, betonte Schott. Unmittelbar nach Bekanntwerden des Überfalls habe der Vorstand den Vorfall eingehend diskutiert und das Gespräch mit den Jugendlichen im AJH gesucht. Aber auch mit dem Pächter des Vereinsheims. Der dürfe die Räume zwar eigenverantwortlich vermieten. Allerdings nur zu privaten, nicht öffentlichen Zwecken, wie etwa Geburtstags- und Trauerfeiern.

„Für politische Veranstaltungen ist das Vereinsheim hingegen nicht der richtige Ort“, so Stephan Schott. Man leiste im TSV wichtige Jugendsozialarbeit, die von solchen Taten nicht überschattet werden sollte. Die Ablehnung solch einer Art der Auseinandersetzung wolle man jetzt auch in den Verein hinein kommunizieren, unter anderem bei der Jugendversammlung und der Jahreshauptversammlung am 1. März.