Barsbüttel. Marielene Göhring wird kommenden Sonntag in Barsbüttel bei Gottesdienst ins Amt eingeführt. 33-Jährige steht für eine moderne Kirche.
Die Predigt ist vorbereitet und hat den Titel „Du stellst meine Füße auf weiten Raum“, so wie es in einem Psalm der Bibel steht. Ihre Ausführungen werden sieben bis acht Minuten dauern, sagt Marielene Göhring – am kommenden Sonntag in einem für sie besonderen Gottesdienst um 14 Uhr in der Barsbütteler Segenskirche mit Propst Holger Beermann. Die 33-Jährige hat gerade ihre Probezeit gemeistert und wird nun offiziell als Pastorin eingeführt. Natürlich umtreibt auch sie der Mitgliederschwund in der Nordkirche. Mit neuen Formaten versucht die Geistliche, dem Trend entgegenzuwirken und das Gotteshaus insbesondere für junge Menschen attraktiver zu machen. Dabei setzt sie auf Musik der schwedischen Kultband Abba.
„Man muss mal ausprobieren, ob das etwas bringt“, sagt die gebürtige Hamburgerin mit Blick auf den 23. Juni. Dann startet um 11 Uhr ein Gottesdienst mit einem Gospel-Pop-Chor, der bekannte Hits von Benny Andersson, Anni-Frid Lyngstad, Agnetha Fältskog und Björn Ulvaeus singt. Zwei Wochen davor werden Menschen auf dem örtlichen Erdbeerhof unter freiem Himmel getauft. Das war zwar nicht ihre Idee, gehört aber ebenso zu den Veranstaltungen, von denen man sich einen Werbeeffekt verspricht. Derzeit kommen im Schnitt 30 bis 35 Personen zu den Andachten am Sonntagvormittag.
Barsbüttels neue Pastorin sagt: Bibel ist „historisch nicht korrekt“
Göhring steht für eine moderne Kirche. Das wird zum Beispiel deutlich bei ihrer Bewertung der heiligen Schrift: „Die Bibel ist eine Sammlung von Erfahrungen, die Menschen mit Gott gemacht haben. Das Geschriebene ist aber historisch nicht korrekt. So hat es die Sintflut nicht gegeben.“ Optisch kommt die junge Frau farbenfroh daher. Sie hat lackierte Fingernägel, derzeit sind sie grün, blau, gelb und rosa. Dieser Mix wurde speziell zum Osterfest gewählt. Die Lippen sind stets rot geschminkt, und ein Ring schmückt ihre Nase.
Dass sie in Barsbüttel gelandet ist nach dem Vikariat in Hamburg-Rahlstedt, war nicht gerade ihr Wunsch. Die dreijährige Probezeit hätte Göhring am liebsten in einem Pfarramt mit Kollegen geleistet. Im Hauptort der Stormarner Kommune war sie von Beginn an auf sich allein gestellt. Vorgänger Dino Steinbrink ging im August 2020 nach Ratzeburg, wurde Studienleiter am Pastoralkolleg. Die Stelle war ein halbes Jahr vakant. Inzwischen sei ihr Barsbüttel ans Herz gewachsen, auch wegen der Menschen. Die Pastorin sah davon ab, sich für einen anderen Ort zu bewerben. Sie ist auch Vorsitzende des Kirchengemeinderats, lobt dessen Mitglieder und das Wirken von einem halben Dutzend ehrenamtlicher Küsterinnen. Mit allen könne man kreativ zusammenarbeiten.
An freien Tagen ist Marielene Göhring trotzdem ansprechbar
Wie das Verwalten einer Kirchengemeinde funktioniert, sei ein Learning-by-doing-Prozess gewesen. So was bekomme man nicht im Studium vermittelt. Die Jahresabrechnung und sämtlicher Papierkram – alles laufe über ihren Tisch. Bis zu 70 Stunden ist Göhring in manch einer Woche tätig, wenn viele Termine anstehen. Zum Beispiel Trauungen an einem Sonnabend oder einmal im Monat an diesem Tag der Konfirmandenunterricht von 15 bis 19 Uhr. Im aktuellen Jahrgang sind 34 Jungen und Mädchen. „Aber ich genieße auch die Freiheit, die mir dieser Beruf bringt. Das erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation.“ Bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit hat die Pastorin eine gewisse Flexibilität.
- Prost und Amen: Neuer Pastor ist ein Biersommelier
- Reinbeker Kirchengemeinde fehlen 850.000 Euro
- Kirche: Alle müssen sparen, aber eine Gemeinde expandiert
Montags ist immer frei. Doch ansprechbar ist sie trotzdem. Zu Beginn dieser Woche klingelt es zwischen 10 und 11 Uhr gleich dreimal an der Tür ihrer Wohnung im Pfarrhaus. Ein Mitglied des Kirchengemeinderats etwa hat Redebedarf bezüglich der Erneuerung der kleinen Treppe vor der Kirche, die im Winter durch Frost arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Eine Firma bringt das Stück gerade auf Vordermann. Auch summt zweimal das Handy wegen dienstlicher Belange, die Pastorin nimmt die Anrufe entgegen.
Besonders gern hält sich Göhring in der evangelischen Kindertagesstätte am Waldenburger Weg auf, macht einmal in der Woche Religionspädagogik. Dann liest sie Bibelgeschichten vor und singt mit den Kleinen. „Da steckt viel Herzblut drin. Kinder sind so herrlich ungefiltert. Man bekommt sofort Rückmeldung, wenn ihnen etwas nicht gefällt.“ Abwechslung im Job bieten ihr Gottesdienste in Nachbarkommunen. Die Zusammenarbeit in der Region sei enger geworden. „Ich habe vier Termine im Jahr in Reinbek, Glinde und Oststeinbek.“
Über Konfirmandenunterricht ins Ehrenamt bei Kirche gekommen
Sie selbst ist kinderlos, führt eine Fernbeziehung. Der Freund lebt in Bayern, in der Regel sieht sich das Paar im Drei-Wochen-Intervall. Göhring wuchs in Schwarzenbek im Kreis Herzogtum Lauenburg auf, machte das Abitur in Geesthacht mit der Note 1,8. Über den Konfirmandenunterricht fand sie den Einstieg in die Kirche als Jugendliche im Ehrenamt. „Mir wurde klar, dass ich etwas Soziales machen möchte mit und am Menschen.“ Das Theologiestudium absolvierte sie in Kiel und Wien. Die Pastorin erzählt mit Begeisterung von den Aufenthalten im Ausland, etwa dem Jahr nach der zehnten Klasse in Neuseeland. In diesem Sommer geht es im Urlaub drei Wochen mit dem Campingbus quer durch Island.
Göhring ist beruflich ambitioniert. Sie habe Lust auf mehr und nennt in diesem Zusammenhang eine Leitungsposition bei der Kirche zu einem späteren Zeitpunkt. Vorerst hat sie ihr Glück in Barsbüttel gefunden. Dazu trägt auch der Jugendkeller im Gemeindehaus bei. 25 junge Menschen kommen regelmäßig immer donnerstags von 18 bis 20.30 Uhr, beschäftigen sich mit kirchlichen Themen und spielen Billard, Tischtennis oder vergnügen sich am Kickertisch. Dem Gottesdienst mit Abba-Musik will sie weitere Ideen folgen lassen, um junge Menschen an die Kirche heranzuführen. Göhring sagt, Religion werde als etwas Einengendes wahrgenommen. Mit diesem Vorurteil will die Pastorin aufräumen