Reinbek. Ein Förderverein soll bei der Sanierung der Nathan-Söderblom-Kirche helfen. Sie soll auch ein Ort für Kulturveranstaltungen sein.
Von ihrem etwa 20 Meter hohem Dach ist der Blick über den Täbyplatz bis zum Hamburger Stadtrand und nach Bergedorf frei. Unten, vom Täbyplatz aus gesehen, wirkt die Nathan-Söderblom-Kirche eher wie eine Trutzburg aus Backstein und Sichtbeton. Ihr Architekt Friedhelm Grundmann hat sie entworfen, 1966/67 ist sie erbaut worden. Schon länger werden Schäden an der Fassade sichtbar, berichtet Ansgar Rieke, stellvertretender Gemeinderatsvorsitzender der evangelischen Kirchengemeinde Reinbek-West.
Doch während in Hamburg-Harburg der Kirchturm einer Grundmann-Kirche wegen der hohen Sanierungskosten abgerissen worden ist, wollen die Reinbeker auf keinen Fall auf ihre Kirche verzichten und die Sanierung wagen. Die Pläne dafür reifen schon länger, 2025 soll es nun losgehen. Noch geht es um die Finanzierung: Ein Meilenstein ist durch die Förderzusage in Höhe von etwa 50 Prozent aus dem Bundesförderprogramm KulturInvestin Höhe von 850.000 Euro bereits geschafft. Doch wo soll das übrige Geld herkommen? Die Kirchengemeinde will jetzt noch im Februar einen Förderverein gründen.
Schockverliebt in die Nathan-Söderblom-Kirche
„Aktuell sind wir gerade in der Phase, dass wir Anträge bei Stiftungen und für weitere Förderprogramme stellen“, erzählt Pastorin Bente Küster. Sie ist zuversichtlich, dass die Kirchengemeinde die Finanzierungslücke noch mit eigenen Rücklagen, weiteren Förderzusagen, Stiftungen und vielen privaten Spenden schließen wird. „Jede Spende, egal in welcher Höhe, hilft uns weiter. Denn wir wollen unsere Räume ja erhalten, damit wir sie mit Leben füllen können“, hält Küster fest.
„Mit der Nathan-Söderblom-Kirche ist es wie mit Marzipan: Entweder man liebt sie oder man hasst sie“, sagt Bente Küster über die spröde Architekturschönheit am Täbyplatz. Sie selbst sei schockverliebt in die Architektur gewesen, als sie zum ersten Mal nach Reinbek gekommen sei, erzählt die Pastorin. „Mir hat der Kontrast zwischen dem warmen bordeauxroten Backstein und dem Sichtbeton gleich gut gefallen – und dass Friedhelm Grundmann sich ein stimmiges Gesamtkonzept bis hin zu Bepflanzung des Innenhofes überlegt hat.“ Zuvor habe sie eine Pastorenstelle in einer Grundmann-Kirche in Bad Schwartau gehabt.
Kirchentüren sollen den Menschen weit offen stehen
„Aber dort hat man nicht alles umgesetzt und an den Fenstern gespart, sodass der Kirchenraum dort recht dunkel war – ganz anders als in der Nathan-Söderblom-Kirche“, stellt Küster fest. Denn dort sorge das Lichtspiel gerade am Abend für eine ganz besondere Atmosphäre. „Deshalb laden wir jetzt auch regelmäßig zum Abendgottesdienst ein“, erzählt die Pastorin.
In der Praxis habe sich der Kirchenraum als unglaublich flexibel erwiesen, ob für Tango, Reinhard Mey oder „Halloween needs Reformation“: „Wir brauchen diesen Kirchenraum einfach, um zusammenzukommen und um kreativ zu überlegen, wie wollen wir hier gemeinsam leben“, sagt Bente Küster. „Wir wollen unsere Türen weit öffnen, um Kultur anzubieten, den Menschen, die sich für zeitgenössische Themen interessieren, einen Raum bieten.“
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Betonkrebs frisst sich in die Bausubstanz
Geplant ist beispielsweise ein Vortrag des Architekten Andreas Rauterberg über die besonderen Merkmale und die Bedeutung kirchlicher Räume am Sonntag, 25. Februar, um 17 Uhr. „Am 22. März wollen wir gemeinsam mit anderen Akteuren und Interessenten zu einem großen Demokratiefest einladen“, verrät die Pastorin. Am Ostermontag überträgt der NDR den Gottesdienst vom Täbyplatz im Radio.
Sowohl Rieke als auch Bente Küster betonen, dass das Bauwerk gesichert sei. „Wir haben im Wesentlichen zwei Bauschäden, die auf die Fehler der 60er-Jahre zurückzuführen sind“, erläutert Ansgar Rieke. „Einmal war die Betonschicht, die den Armierungsstahl ummantelt, zu dünn gewählt. Im Laufe der Zeit haben sich Risse gebildet, die sich im Winter durch Frost vergrößert haben, der Beton ist schließlich abgeplatzt. Dieser sogenannte ‚Betonkrebs‘ frisst sich immer stärker in die Bausubstanz, wenn er nicht saniert wird.“ Eine akute Einsturzgefahr bestehe jedoch nicht. „Wir kontrollieren die Sicherheit regelmäßig mit unseren Architekten und Bauingenieuren“, sagt Bente Küster.
Geht man in die Kirche hinein, erschließt sich das Konzept dahinter
Ein zweites Problem sei die Klinkerfassade gewesen, die mit Stahlnägeln im Beton befestigt worden sei. „Diese sind teilweise durchgerostet“, erklärt Ansgar Rieke. „Deshalb musste der Turm eingerüstet werden. Diese Nägel haben wir bereits durch Edelstahlnägel, die nicht rosten, ersetzt.“ Der Beton müsse jedoch grundlegend saniert werden. Geplant ist die Bauphase von 2025 bis 2029, dies hänge jedoch von den Baufirmen ab.
„Man muss in die Kirche hineingehen, damit sich einem die Architektur erschließt“, weiß Ansgar Rieke. Der etwa 30 Meter hohe Glockenturm markiert die Nordostecke des Platzes, an der der Weg entlang der Klosterbergen-Grundschule aus dem Osten und der Fußweg vom Weißenseer Weg aus dem Norden aufeinandertreffen. Zum Platz hin schirmt sich das Bauwerk, dessen Baukörper funktionell ineinander gesteckt wirken, ab.
Kirchenräume wirken wie eine Oase und schirmen vom Platz ab
Erst im Innenraum wird das durch die sparsam eingeplanten schmalen Fenster einfallende, raffinierte Lichtspiel deutlich: Am meisten Helligkeit gelangt durch das große Fenster zum Innenhof an der Nordseite in den Kirchenraum und durch das Fenster über dem Mittelschiff in den puristischen Chorraum. Das Ensemble aus Kirche, Gemeinderäumen und -saal bildet einen Innenhof, der sich erholsam vom Trubel des Platzes abhebt.
Wer der Gemeinde helfen will, die Kirche zu retten, erreicht das Kirchenbüro ab Dienstag, 20. Februar, unter Telefon 040/7226315. Spenden unter dem Stichwort „Turm“ sind auf dem Konto der Gemeinde IBAN DE87 5206 0410 6006 4460 19 willkommen.