Glinde. Er braut und betet: Nils Jacobsen (30) ist der Neue bei der Kirche in Glinde – will auch die Gemeinde in sein Hobby mit einbeziehen.
Sieben Wochen ohne Alkohol: Nils Jacobsen übt diesen Verzicht nicht das erste Mal von Aschermittwoch bis Ostersonntag. In dieser Zeit nimmt Glindes neuer Pastor auch Abstand von einem Hobby, dem Brauen des hopfenhaltigen Getränks in heimischer Küche. Das kann er richtig gut, hat ein Zertifikat als Biersommelier. Die entsprechende Fortbildung machte der 30-Jährige in Bayern binnen drei Wochen nach Abschluss des Theologiestudiums und vor Beginn des Vikariats. Auf Sicht soll die Kirchengemeinde von seinen Künsten profitieren. „Biertastings sind in Planung“, sagt Jacobsen. In 2024 werde es das Angebot allerdings noch nicht geben.
Erfahrungen mit solchen Veranstaltungen in einem Gotteshaus hat der Pastor bereits gemacht: in Langenhorn, als er noch in Hamburg lebte. Es benötigt wenige Utensilien für die Herstellung. Kochtopf, ein Blech mit Löchern sowie die Zutaten reichen. Jacobsen produziert in kleinen Mengen zum Beispiel Porter mit Minze oder India Pale Ale, gekennzeichnet durch fruchtig-bitteren Geschmack und stark hopfenbetont. Er selbst trinke unregelmäßig und bewusst wegen des Genusses. Soll heißen: Die Anzahl der Gläser ist überschaubar. Während des Studiums verdiente der gebürtige Hamburger Geld bei der Ratsherrn-Brauerei, war dort zwecks Führungen eingesetzt.
Kirche Glinde: Neuer Pastor ist ein Biersommelier
In der Küche seiner Wohnung im Glinder Pastorat am Willinghusener Weg steht Jacobsen aber vermehrt am Herd, weil er regelmäßig kocht. Und das nicht nur für sich. Am Gründonnerstag kredenzt der Theologe eine Suppe für Gottesdienstbesucher. Er hat sich mit einem Flüchtling aus dem Iran abgesprochen, der sich in der Kirche ehrenamtlich engagiert und ein spezielles Reisgericht zum Abendmahl beisteuert.
Die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde St. Johannes hat zwei Gotteshäuser, ein weiteres befindet sich im Barsbütteler Ortsteil Willinghusen. Zwei Pastoren sind für die beiden Standorte zuständig. Sören Neumann-Holbeck ist seit vielen Jahren dabei und zugleich Vorsitzender des Gemeinderats. „Er macht den Hauptteil der verwalterischen Tätigkeiten und hält mir den Rücken frei“, sagt Jacobsen. Neumann-Holbeck ist bekannt für seine humoristischen Gottesdienste. Auch ein Grund, weshalb sonntags regelmäßig bis zu 60 Menschen kommen. Zu Weihnachten sind es viel mehr, müssen teilweise zusätzliche Stühle herbeigeschafft werden. Alle Andachten werden gestreamt und sind auf YouTube zu verfolgen. Das Pastoren-Duo geht mit der Zeit. Auch bei Gottesdiensten müsse immer eine Portion Witz dabei sein, so Jacobsen. Die Theologen scheinen sich diezbezüglich gut zu ergänzen.
Inspirationen für Predigten holt sich der Pastor bei Spaziergängen
Der Neue berichtet, er baue gerade die Jugendarbeit auf, die fünf Jahre brach gelegen habe. Das betrifft nicht den Konfirmandenunterricht, der an ausgewählten Sonnabenden von 10 bis 15 Uhr ist – Mittagessen inklusive. Es geht vielmehr um allgemeine Treffs mit Ausflügen etwa zum Bowling. In der oberen Etage des Gemeindehauses steht den Jungen und Mädchen ein eigener Raum zur Verfügung, den sie eingerichtet haben. Ein Schaukelstuhl wurde besorgt, es ist gemütlich. „Wir wollen auch theologische Themen bearbeiten“, sagt Jacobsen, der leidenschaftlich Gitarre spielt und in der Willinghusener Kirchenkita kurze und altersgerechte Andachten abhält. Bei den Konfirmanden steigt er erst nach den Sommerferien ein.
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Kirche bedeute für ihn Ruhepol und Gemeinschaft. Einen guten Pastor mache aus, dass er zugewandt sei und sich Gesprächspartner ihm gegenüber öffnen. Den Reiz seines Jobs beschreibt Jacobsen so: „Ich habe alle Freiheiten, den Tag zu strukturieren, und viel Bezug zu Menschen.“ Inspirationen für seine Predigten holt er sich bei Spaziergängen. Drei bis fünf Stunden benötigt der Pastor dann zum Verfassen. Seine Redezeit bei Gottesdiensten liege unter 20 Minuten. „Ich bin kein Schwafler, versuche, die Dinge auf den Punkt zu bringen.“
Jacobsen führt seit vier Jahren eine Fernbeziehung
Berührungspunkte mit der Kirche hatte Jacobsen bereits im Kindesalter. Seine Mutter ist Gemeindemitglied in Winterhude, er war in einer Bastelgruppe aktiv, später Stammesleiter bei den Pfadfindern in Alsterdorf und an der Spitze einer 60-köpfigen Gruppe. Sein damaliger Berufswunsch: Tierpfleger. Während der Abi-Zeit reifte der Entschluss, in Hamburg Theologie zu studieren. Die mündliche Prüfung für den höchsten Schulabschluss hierzulande war im Fach Religion: 15 Punkte, die Maximalausbeute. Es ging direkt auf die Uni. Nach 14 Semestern, zwei davon in Marburg, war es geschafft. Es folgte das Vikariat im Bezirk Altona. Schließlich entsendete ihn das Landeskirchenamt nach Glinde, wie es offziell heißt. Damit ist eine Beschäftigung nicht garantiert, denn der Gemeinderat hat Vetorecht. Doch es passte. „Ich fühle mich sehr gut aufgenommen“, sagt der Geistliche. Seit November ist er im Probedienst, der drei Jahre dauert.
Im Pastorat lebt er hauptsächlich allein, führt seit vier Jahren eine Fernbeziehung. Seine Freundin arbeitet in Serbien als Architektin, ist sporadisch in Glinde zu Besuch. Jacobsen betont, das sei natürlich kein Dauerzustand. Das Paar will hier zusammenleben. Nur wann? Das ist noch ungewiss.
Mit den Bierproben im Gotteshaus könnte es 2025 konkret werden. Was in Hamburg funktionierte, sollte auch in Glinde angenommen werden. „Man muss mit der Zeit gehen und für neue Dinge offen sein“, sagt der Pastor. Der Mann hat klare Vorstellungen, wie er das Image der Kirche verbessern will.