Glinde. Elternvertreterin kritisiert schlechte Kommunikation. Wie geht es nun für die Kinder der evangelischen Einrichtung weiter?

52 Jahre lang wurden in der evangelischen Kindertagesstätte St. Johannes am Willinghusener Weg in Glinde Kinder betreut. Seit der Eröffnung 1971 haben hier unzählige Generationen von Mädchen und Jungen zwischen drei und sechs Jahren gespielt, gebastelt und wurden auf ihrem Lebensweg begleitet. Diese Ära gehört nun der Vergangenheit an. Mit Beginn der Sommerferien in Schleswig-Holstein hat die traditionsreiche Einrichtung für immer ihre Türen geschlossen. Wie ist es dazu gekommen? Und wie geht es für die 20 Kinder der Kita weiter?

Warum die Kita geschlossen wurde, erläutert Remmer Koch, stellvertretender Sprecher des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Hamburg-Ost, der Träger der Einrichtung war, wie folgt: „In kleinen Einrichtungen gibt es keinen Spielraum beim Personal. Im Fall von Krankheit, Fortbildung oder Urlaub braucht es fremdes Leihpersonal, was dauerhaft nicht optimal für die Kinder ist. Zudem ist es bei der angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht immer möglich, Fachkräfte temporär zu beschäftigen. Das führt zu ungewollten Schließzeiten, die eine Belastung für Eltern bedeuten.“

20 Kinder wurden in der Kita St. Johannes von zwei Erzieherinnen betreut

Bei der Kita St. Johannes handelt es sich um eine verhältnismäßig kleine Einrichtung. Bis zum Schluss haben 20 Kinder in einer Gruppe den Kindergarten besucht. Zwei Erzieherinnen waren dort angestellt. Es handelte sich um eine Kita mit Halbtagsbetreuung, die von montags bis freitags von 7.30 bis 13.30 Uhr geöffnet war. Bei der Stadt Glinde nach den Gründen der Schließung gefragt, teilte Sprecher Tobias Senff mit: „Der Kostenaufwand ist zu hoch.“ Das Gebäude gehört laut Kirchenkreis der Kirchengemeinde Glinde. Über eine Folgenutzung werde erst später beraten.

Immerhin: „Alle Eltern haben eine Anschlussbetreuung für ihre Kinder erhalten“, versichert Remmer Koch. Ein Teil der Eltern habe sich entschieden, beim Träger zu bleiben. „Vier Kinder besuchen künftig den evangelischen Integrationskindergarten Wilde Wiese, sieben werden in eine Kita eines anderen Trägers gehen“, so der Sprecher. Die übrigen neun Kitakinder wechseln in die Schule. Auch die Mitarbeiterinnen konnten anderweitig untergebracht werden, so Koch: „Sie haben Angebote aus anderen Kitas des Trägers erhalten, die sie angenommen haben.“

Die „Rettungsboote“ verlassen das sinkende Schiff: Den Eltern, Kindern und Erzieherinnen ist der Abschied nicht leicht gefallen.
Die „Rettungsboote“ verlassen das sinkende Schiff: Den Eltern, Kindern und Erzieherinnen ist der Abschied nicht leicht gefallen. © Juliane Minow

Für einige Eltern bedeutet die Schließung künftig einen weiteren Weg zur Kita

Doch auch wenn die künftige Betreuung der Kinder gesichert ist – für eine Mutter und Elternvertreterin der Kita, die anonym bleiben möchte, bleibt ein fader Beigeschmack angesichts dessen, wie die Schließung vonstatten gegangen ist. Sie kritisiert unter anderem die Kommunikation mit den Eltern. „Im Frühjahr 2022 gab es ein Gespräch mit dem Träger, bei dem die Elternvertreter über eine mögliche Schließung informiert wurden“, sagt die Mutter. „Schockierend fand ich, dass wir gebeten wurden, den anderen Eltern nichts davon zu sagen.“ Das konnte sie nicht mit sich vereinbaren, bestand doch zu den anderen Eltern ein enges Verhältnis. Sie selbst komme aus einer Pastorenfamilie, sei für christliche Werte und einen ehrlichen Umgang miteinander.

Obwohl ihr damals nichts Offizielles zu den Gründen gesagt worden sei, vermutet die Mutter: „Es handelt sich um eine kleine Kita mit Halbtagsbetreuung ohne Essensangebot. Ich denke, das ist einfach kein Geschäftsmodell, das sich lohnt.“ Die Elternvertreterin hatte selbst einen Sohn in der Kita, der im kommenden Jahr in die Schule kommt. Ihren zweiten Sohn konnte sie nicht in der Kita unterbringen. Nach der Schließung seien die Wege für einige Eltern nun weiter. Außerdem müssten die Kinder komplett neu eingewöhnt werden. „Das ist für Familien oft eine herausfordernde Zeit“, so die Mutter.

Stadt Glinde führt neun Kitas und drei Tagespflegepersonen auf

Nachdem das Thema Schließung im Raum stand, habe sie mit den Eltern kommuniziert, Gespräche mit Träger und Stadt geführt, versucht, das Unvermeidliche abzuwenden – ohne Erfolg. „Ich habe immer nur gehört, dass man noch nichts Näheres sagen kann, bin bestimmt sieben- oder achtmal vertröstet worden“, sagt sie. Im Herbst 2022 sei vom einen auf den anderen Tag ein Elternabend einberufen worden. „Da ist uns gesagt worden, dass die Kita schließen wird.“ Die Nachricht habe viele Eltern erschüttert. „Es gab Enttäuschung und Frust, viele Tränen sind geflossen.“

Die Mutter habe gehofft, dass die Stadt sich für den Fortbestand der Kita einsetzen würde. Bei der Stadt nachgefragt, verweist Tobias Senff darauf, dass sich die Kita in Trägerschaft der evangelischen Kirche befinde. „Sie hat auch die Entscheidung getroffen, die Einrichtung zu schließen“, so der Stadtsprecher. Zum Vorwurf, dass die Nachricht kurzfristig übermittelt worden sei, sagt Koch: „Die Eltern wurden vor einem Dreivierteljahr im November 2022 bei einem Elternabend über die Schließung informiert. Bereits zu dem Zeitpunkt konnten andere Kitaplätze zugesichert werden.“

Trotz allem Unmut: „Die Erzieherinnen haben bis zum Schluss alles getan, damit die Kinder eine schöne Zeit hatten“, so die Elternvertreterin. Anfang Juli hat ein Abschlussgottesdienst stattgefunden. „Das war sehr emotional“, sagt sie. Doch nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Stadt Glinde bedeutet die Kitaschließung wohl einen Verlust. Aktuell führt die Stadt neun Kitas und drei Tagespflegepersonen auf ihrer Internetseite auf. Anfang 2022 stand die Schließung der Kita Kinderland am Oher Weg im Raum, ein Zahnarzt hatte Interesse an den Räumlichkeiten. Die Schließung konnte abgewendet werden. Ganz akut sei die Lage in der Stadt aber nicht, so Sprecher Senff: „Nach derzeitigem Kenntnisstand herrscht aktuell keine Not an Kita-Plätzen. Der Rechtsanspruch kann gewährleistet werden.“