Reinbek. Eigene Flotte mit Elektroautos für Stormarns Süden lohnt sich nicht. Das liegt unter anderem an neuen Aktivitäten eines Großanbieters.

Direkt am Glinder Markt und auf dem Parkplatz des Ostkreuz-Centers in Oststeinbek hat das E-Werk Sachsenwald vor Kurzem je eine Turbosäule mit 150 Kilowatt für das Laden von Elektroautos gebaut. In diesem Jahr will das Energieunternehmen die Zahl der Stromtankstellen in seinem Versorgungsgebiet auf 95 erhöhen. Ein Gewinnbringer ist das noch nicht, die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieser Zustand auf Sicht ändert, jedoch hoch. Inzwischen hat der neue Chef Moritz Manthey ein weiteres mögliches Geschäftsfeld in Sachen Mobilitätswende ausführlich geprüft: ein eigenes Carsharing mit Stromern für die Allgemeinheit in Reinbek, Glinde, Barsbüttel, Oststeinbek und Wentorf.

Doch daraus wird nichts. „Eine Umsetzung in Eigenregie in der angedachten Größenordnung ist nicht annäherungsweise wirtschaftlich darstellbar“, sagt der 43-Jährige. Ein Grund: Der Anbieter Miles ist seit vergangener Woche in der Region aktiv. In Konkurrenz will man nicht gehen.

Elektroautos – „Carsharing nicht annäherungsweise wirtschaftlich“

Den Wunsch einer Wirtschaftlichkeitsberechnung hatte Barsbüttels Bürgermeister Thomas Schreitmüller auf Geheiß der Politik an das E-Werk herangetragen. Die Kommune ist Mitgesellschafter des Energieversorgers mit Sitz in Reinbek. Ihr Anteil: 2,3 Prozent. Manthey und seine Kollegen machten das stationsbasierte Carsharing zur Grundlage ihres Checks. Autos können dabei nur an bestimmten Stellen abgeholt und müssen nach Ende der Leihe auch dorthin zurückgebracht werden. Ein weiteres Merkmal: Für die fünf Kommunen waren zwölf Fahrzeuge vorgesehen. Kalkuliert wurde am Beispiel des VW ID3 – mit den Varianten Leasing oder Kauf.

Pro Pkw kommt Manthey auf Kosten in Höhe von rund 1100 Euro im Monat mit All-inclusive-Paket, also zum Beispiel Versicherung, Werkstattservice und Buchungssoftware. Womöglich sind darüber hinaus Startinvestitionen in Stellplätze und Ladeinfrastruktur nötig. Es wurden Preissysteme verschiedener Carsharing-Anbieter ausgewertet.

Carsharing: Fünf bis sechs Euro Gebühr pro Stunde angesetzt

Das E-Werk setzte nach dieser Analyse folgende Gebühren für Nutzer an: 5 bis 6 Euro die Stunde bei zehn bis 20 Freikilometern, den Übernachttarif für 20 bis 25 Euro mit 50 Gratiskilometern sowie eine Leihe über das Wochenende für 75 Euro und mit 300 Freikilometern. Auch tauschte man sich mit Akteuren wie „moIN“ und „stadtmobil“ über das Buchungsverhalten derer Kunden aus.

Manthey sagt, nur bei einer sehr positiven Nutzungsprognose sei es denkbar, an der schwarzen Null zu kratzen. „Es ist jedoch davon auszugehen, dass nicht alle Fahrzeuge optimal angenommen werden.“ Soll heißen: eine unbefriedigende Auslastung. Überlegungen, im großen Stil aktiv zu werden, macht zudem das Engagement von Miles in Wentorf zunichte. Der Gemeinde hatte das E-Werk zwei Autos zugeordnet. Das Vermietungsunternehmen mit Sitz in Berlin stellt aber bis zu 15 Fahrzeuge. Es ist beim Reinbeker Nachbarn am 15. März an den Start gegangen. Davor endete das Geschäftsgebiet in Bergedorf.

Carsharing: Free-Floating-Sharing in Wentorf beim Unternehmen Miles

Miles verfährt nach dem stationsungebundenen Modell, im Branchenjargon Free-Floating genannt. Hier werden die Autos an beliebigen Stellen innerhalb eines festgelegten Gebiets geparkt. Für die Anmietung sind eine E-Mail-Adresse, ein Ausweisdokument, ein EU-Führerschein und ein Konto nötig. Gebucht werden können die Fahrzeuge über die Miles- sowie eine Reihe weiterer Apps. One-way-Fahrten von und nach Hamburg sind ohne Zuschläge möglich.

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Das Free-Floating-Modell hatte das E-Werk ohnehin nicht in Betracht gezogen. „Es setzt eine sehr hohe Anzahl an Fahrzeugen voraus“, sagt Manthey. Das Ergebnis seiner Untersuchung mit der stationsbasierten Variante und detailliertem Zahlenwerk wird er den Gesellschaftern demnächst vorstellen: also Reinbek, Glinde, Wentorf, Barsbüttel, Oststeinbek und der Thüga-Gruppe. Im Aufsichtsrat sind Bürgermeister und Politiker aller Kommunen vertreten. Der Geschäftsführer wird ihnen von Carsharing in der angedachten Form abraten. Das Gremium dürfte seiner Einschätzung folgen.

Kooperation mit Verein Dorfstromer ist Gegenstand von Gesprächen

Gestorben ist das Thema für das E-Werk aber keinesfalls. „Wir prüfen ganz konkret die Frage, ob und inwieweit wir mit anderen Carsharing-Anbietern zusammenarbeiten können. Ich halte das für durchaus wahrscheinlich“, sagt Manthey, der den Posten an der Spitze des Energieversorgers am 1. März übernommen hat; Vorgänger Thomas Kanitz ist jetzt im Ruhestand. Ein möglicher Partner: der Verein Dorfstromer aus Hollern-Twielenfleth (Niedersachsen). Dieser existiert seit 2018 und hatte damals angefangen, um die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern. Inzwischen bedient man auch Hamburger Terrain mit Elektrofahrzeugen. Mitglieder können Einzelpersonen, Familien, Unternehmen und auch Gemeinden werden. Aktuell sind es 768, die Flotte umfasst 28 Wagen.

Die Autos bei den Kooperationspartnern des Vereins haben einen festen Platz und benötigen eine eigene Ladesäule. Für die Errichtung ist Dorfstromer nicht zuständig. Und genau hier kommt das E-Werk mit seiner Expertise ins Spiel. Im April organisiert Manthey eine digitale Konferenz unter Beteiligung des Dorfstromer-Vorsitzenden Edgar Schmidt und des Nachbarschaftsforums „Zwischen Bille und Glinder Au“. Dieser Gruppe gehören die Bürgermeister aus Reinbek, Glinde, Wentorf, Barsbüttel, Oststeinbek, Wohltorf, Aumühle, Börnsen und die Amtsleitung des Bezirks Bergedorf an.