Oststeinbek. Thorsten Kelm ist Pastor in Oststeinbek, er predigt die Mobilitätswende. Für ihn ist das durchaus ein kirchliches Thema.

Seit 2013 ist Thorsten Kelm Pastor in Oststeinbek und im Gemeindegebiet dienstlich vorrangig mit dem Fahrrad unterwegs. Er hat aber auch ein Deutschland-Ticket, nutzt Bus und Bahn. Der 54-Jährige setzt sich für die Mobilitätswende ein. Doch seine Möglichkeiten, sprichwörtlich am großen Rad zu drehen, sind begrenzt. In der Hoffnung, bei dem Thema voranzukommen, hat er einen Runden Tisch initiiert mit Vertretern aller Parteien im Ort sowie vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Auch Bürgermeister Jürgen Hettwer ist stets geladen. Er war einmal dabei.

Die Gruppe hat sich den Namen „Mobil in Oststeinbek ohne Auto“ gegeben. Sie legt den Fokus nicht nur auf bessere Bedingungen für Radfahrer, sondern hat zugleich Fußgänger im Blick. „Ziel ist es, Alternativen zum Auto anzubieten“, sagt Kelm. Er nennt zum Beispiel Busse und bemängelt, dass die Linie in den Ortsteil Havighorst nur im Stundentakt fährt. „Die Bewahrung der Schöpfung ist ein kirchliches Thema. Man muss vorsichtig mit Ressourcen umgehen. Wir kommen in allen Bereichen an die Grenzen des Wachstums“, so der Geistliche. Runtergebrochen auf den Verkehr bedeutet das für ihn: „Mehr Autos vertragen unsere Straßen nicht, und fossile Brennstoffe sind endlich.“

Pastor Kelm nimmt die Rolle des Moderators ein

Das erste von bislang drei Treffen war im März dieses Jahres. Derzeit umfasst die Gruppe zehn Personen. Kelm hätte den Kreis der Beteiligten gern erweitert. „Das Klimaschutzmanagement aus Glinde sowie Billstedt hat aus Termingründen leider abgesagt.“ Er selbst hält sich bei den Besprechungen zurück, nimmt eigentlich neben dem evangelischen Kirchengemeindemitglied Marcus Dreyer die Rolle des Moderators ein. Kelm bietet eine Plattform für den Austausch, gibt lediglich vereinzelt Anregungen. Von der Anwesenheit der Politiker verspricht er sich einiges: „Hier kann man gucken, wie man ohne Fraktionszwang auf einen Nenner kommt.“ Im besten Fall stellen Parteien in der Folge einen gemeinsamen Antrag in Ausschusssitzungen für zum Beispiel eine Straßenquerung. Damit erspart man sich lange Diskussionen in den Gremien. Und in der Öffentlichkeit kann keiner ein Projekt als seine Idee verkaufen. Das Konkurrenzdenken und Neid werden also ausgeblendet.

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Die Notwendigkeit, mehr für Radfahrer im Ort zu machen, sieht Kelm bereits seit seinem Zuzug vor zehn Jahren. Der gebürtige Berliner hatte zuvor in Kiel und Wuppertal gearbeitet. Die Verbindung nach Havighorst bezeichnet er als „katastrophal“ ebenso wie die Absenkung von Bordsteinkanten im Gemeindegebiet. „Die Radwegesituation sollte verbessert werden von Glinde über Oststeinbek bis nach Billstedt. Auf Hamburger Gebiet ist schon viel passiert“, sagt der Pastor. Auch deshalb wollte er Protagonisten aus der Nachbarschaft mit am Tisch haben. Was Kelm positiv bewertet: Die Beschilderung der Radwege in der Kommune ist inzwischen vollzogen.

Radreparaturwerkstatt auf Kirchengrundstück ist eine Idee

In der Gruppe wird auch über Carsharing und E-Bikes gesprochen. Eine Option ist, ein Elektro-Lastenrad des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs Stormarn in Oststeinbek für einen bestimmten Zeitraum der Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Kelm bietet eine Abstellmöglichkeit auf dem Grundstück der Kirchengemeinde an. Der Kreisverband verleiht drei solcher Exemplare auch an Nicht-Mitglieder gratis, will seine Flotte aufstocken. Das E-Bike trägt bis zu 200 Kilogramm inklusive Fahrer und ist bestens geeignet, Wochenendeinkäufe zu tätigen. Auch Kühlschränke und Waschmaschinen lassen sich darauf bewegen. „Außerdem gibt es die Idee einer Reparaturwerkstatt auf unserem Gelände mit Luftpumpe, Schraubenschlüsseln und Vorrichtung für das Aufhängen von Rädern“, berichtet Kelm. Des Weiteren habe man sich darüber unterhalten, eine Karte zu erstellen für Radrouten.

Um auf den Runden Tisch aufmerksam zu machen, wurde für das Marktfest im vergangenen Juli ein Plakat entworfen. Auf dem steht unter anderem: „Wie kann es in Oststeinbek attraktiver werden, das Auto (auch mal) stehen zu lassen und stattdessen andere Verkehrsmittel zu nutzen?“ CDU, Wählergemeinschaft OWG, SPD und Grüne präsentierten es an ihren Ständen. Andreas Krause (OWG) ist Mitglied der Gruppe. Er sagt: „Es gibt noch keine umgesetzten Maßnahmen, die auf unser Wirken zurückgehen. Aber die Denkanstöße sind eine gute Sache. Auf jeden Fall ziehen alle am gleichen Strang.“

ADFC schlägt Radstreifen auf Straßen im Gewerbegebiet vor

Neben Günter Weigt (SPD) und Matthias Rust (CDU) bringt sich Jan Schwartz von den Grünen ein. Der lobt vor allem den Initiator: „Pastor Kelm hat eine große Einigungswirkung. Die Treffen waren von Beginn an sehr wohltuend.“ Er wünsche sich Tempo 30 auf der Möllner Landstraße, das lasse die Gesetzeslage aber nicht zu. Für den ADFC beteiligt sich Gabriele Malone. Die Oststeinbekerin ist inzwischen im Ruhestand, hat früher in der Gemeindeverwaltung gearbeitet. Sie sagt: „Ich habe die Versammlungen als sehr konstruktiv empfunden.“ Sie hat eine beratende Funktion für die Politiker am Runden Tisch und unterbreitet Vorschläge. Malone: „Wir müssen uns zum Beispiel über Radstreifen auf den Straßen im Gewerbegebiet unterhalten. Das Geld für eine andere Infrastruktur ist nicht vorhanden. Da muss man sich eben kostengünstige und effektive Lösungen einfallen lassen.“

Bürgermeister Hettwer sagt über Kelms Runden Tisch: „Jeder Impuls ist wertvoll.“ Mit alternativen Mobilitätsangeboten beschäftige sich die Gemeinde aber auch schon seit Längerem. Beim Sammeltaxi-Dienst Moia hat der Rathauschef nicht nur einmal wegen der Erweiterung des Geschäftsgebiets angefragt. Bislang ohne Erfolg. Dafür konnte man das Unternehmen Lime für den E-Scooterverleih gewinnen. 100 Roller stellte die Firma. Mit den Nutzerzahlen ist sie unzufrieden, zieht die Geräte über den Winter ab. Dem Bürgermeister wurde zugesagt, dass sie im kommenden Frühjahr zurückkommen.

In Oststeinbek gibt es auch Mitfahrbänke. Eine Idee Kelms, die von der Politik aufgegriffen und dann per Beschluss umgesetzt wurde. Für seinen Runden Tisch sucht der Pastor weitere Mitstreiter. Die Treffen sind im Kirchengemeindehaus und dauern nicht länger als 90 Minuten. Interessierte können Kontakt aufnehmen per E-Mail an pastor.kelm@kirche-in-steinbek.de.