Lühe. Das Car-Sharing-Konzept wurde für ländliche Regionen entwickelt. Doch inzwischen gibt es auch in Hamburg feste Stationen.
Am Anfang standen die Vereinsgründer vor einer Frage: Wie funktionieren moderne und umweltschonende Verkehrskonzepte auch auf dem Land? Dort, wo Nahverkehrsangebote eher selten, die Wege aber meist lang sind und Familien daher oft einen Zweit-oder gar Drittwagen besitzen. Schnell kam man dann auf das Car-Sharing, also auf das organisierte Teilen von Autos, die möglichst elektrisch angetrieben werden sollten, wie Edgar Schmidt sagt.
Auch in Finkenwerder gibt es jetzt eine Station
Der Elektro-Ingenieur aus der Samtgemeinde Lühe ist Mitgründer des Vereins Dorfstromer, der eben aus dieser Frage entstanden ist und seit Gründung vor rund drei Jahren ein erstaunliches Wachstum erlebt hat. 15 Dorfstromer-Fahrzeuge sind mittlerweile in der Region unterwegs, weitere acht sind bestellt. Längst beschränken sich die festen Standorte nicht mehr auf ländliche Regionen im Landkreis Stade.
In Hollenstedt im Nachbarkreis Harburg gibt es mittlerweile eine Dorfstromer-Station, seit kurzem auch in Finkenwerder und sogar mitten in der Stadt in Altona, hat eine Hausgemeinschaft einen Dorfstromer stehen. 350 Nutzer hat der Verein inzwischen registriert, darunter auch Gewerbebetriebe, die ihren Mitarbeitern Car-Sharing anbieten wollen.
Anfragen von Neubaugebiet-Investoren
Anfragen gibt es zudem von Investoren von Neubau-Quartieren in Buxtehude und Neu Wulmstorf, die mit den Altländer Dorfstromern kooperieren wollen, um auch dort Car-Sharing-Angebote bereit halten zu können. „Das spricht sich wohl rum, die Leute sehen die Fahrzeuge und kommen dann zu uns“, sagt Schmidt.
Dabei war am Anfang gar nicht klar, ob Car-Sharing als Alternative zum Zweitwagen auf dem Land funktionieren würde. Jedenfalls nicht als kommerzielles Unternehmen, so wie es sie in großen Städten vielfach gibt. „Auf dem Land rechnet sich das nicht“, sagt Schmidt. Allein schon wegen der Personalkosten. Also kam die Gruppe, zu denen viele Kommunalpolitiker verschiedener Fraktionen gehören, auf die Idee einer Vereinsgründung, um mit ehrenamtlicher Arbeit Kosten zu sparen. Positiver Nebeneffekt: „Das stärkt das Wir-Gefühl“, sagt Schmidt. Als Vereinsmitglied hat man eben einen anderen Bezug zum Auto, als wenn man nur Kunde ist. „Da werden dann auch mal die Fußmatten ausgeklopft, wenn das Fahrzeug zurückgeben wird“, sagt Schmidt. Vor der Vereinsgründung hatten er und seine Mitstreiter zunächst mit vielen Leute gesprochen, um zu schauen, wie ein solches Car-Sharing-Konzept funktionieren müsste.
Viele Idee entstanden bei Kaffeekränzchen
„Wir haben uns bei Vereinen und zu Kaffeekränzchen eingeladen, da kamen dann Fragen, auf die wir Antworten finden mussten“, berichtet Schmidt. Herausgekommen ist ein Car-Sharing-Modell, das angesichts des Erfolgs offenbar gut funktioniert: Nutzer zahlen einen festen Vereinsbeitrag, eine Stunde Dorfstromer-Fahren kostet dann ohne Kilometerbegrenzung vier Euro. Die Fahrzeuge stehen an festen Stationen mit Ladesäulen und werden über eine Buchungsplattform im Internet und verknüpfte Mobilfunknetze gebucht. Man wählt sein Wunschfahrzeug und Zeitpunkte von Abholung und Rückgabe aus. Mit einer Smartphone-App lässt sich das Auto wie ferngesteuert öffnen und auch wieder schließen.
Die Reichweite beträgt dann rund 300 Kilometer. Wichtig ist noch, dass die Nutzer Zielort oder Fahr-Kilometer angeben, dann rechnet die Software die spätere Pause zum Aufladen aus, bis das nächste Vereinsmitglied das Fahrzeug wieder voll aufgeladen nutzen kann. Eine komplette Ladung von leer auf voll dauert etwa sechs Stunden. Da aber im Durchschnitt nur 40 Kilometer pro Buchung gefahren werden, dauerten die meisten Ladepausen etwa eine halbe Stunde, sagt Schmidt.
Wobei die Nutzung der Fahrzeuge in der Region teils sehr unterschiedlich ist, wie er beobachtet hat. Mal sind nur kurze Wege zum Einkaufen, ein anderes Mal auch ein Trip zur Ostsee. Und es gibt offenbar Unterschiede zwischen Stadt und Land, haben die Dorfstromer-Gründer festgestellt „Auf dem Land sind es oft Ältere, die dann auf das eigene Auto ganz verzichten und hin und wieder einen Dorfstromer nutzen“, sagt Schmidt. In Altona hingegen werde das Fahrzeug von jungen Familien sehr rege genutzt.
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Trotz vieler Kilometer gab es nie eine technische Panne
Insgesamt haben die Dorfstromer-E-Autos inzwischen eine Strecke von 180.000 Kilometern zurückgelegt. „Und das alles ohne eine technische Panne“, wie Schmidt sagt, der auch privat ein E-Auto fährt und überzeugt von der Technik ist, die deutlich weniger verschleißanfällig sei, weil viel weniger Elemente verbaut werden müssten: Der gesamte Antriebsstrang beim E-Auto sei beispielsweise so einfach aufgebaut wie allein der Anlasser beim Benzinmotor.
Und auch bei den Bremsen sei viel weniger Wartung notwendig, weil bei E-Autos eher die Motorbremse eingesetzt wird, die so wiederum die Batterie laden kann. Dem Elektromotor gehöre daher eindeutig die Zukunft, glaubt Schmidt. „So etwas werden wir alle bald fahren, so viel ist sicher“, sagt er.
So viel kosten die Dorfstromer
Vereinsmitglieder bezahlen einen festen Monatsbeitrag: eine Einzelperson fünf Euro, Familien mit mehreren registrierten Nutzern acht Euro. Auch Gemeinden (100 Euro/Monat) und Gewerbebetriebe (20 Euro/Monat) sind Vereinsmitglieder. Pro angefangener Fahrtstunde werden dann bei Buchung eines Fahrzeuges vier Euro abrechnet.
Dieses Preis-Modell ist damit nach Berechnung des Vereins oft günstiger als der Unterhalt eines eigenen Autos oder die Nutzung des ÖPNV. Als Beispiel nennt der Verein unter anderem ein Musicalbesuch in Hamburg mit einem Start in Stade: Zwei Personen zahlen dann mit der Bahn 26,50 Euro mit dem eigenen Pkw (0,33 Cent pro Kilometer) 28,38 Euro und mit einem Dorfstromer eben 24 Euro, wenn man fünf Stunden unterwegs ist. Infos: www.dorfstromer.de