Reinbek. Die Gefahr von Blackouts, Cyberangriffen oder Unwettern wird immer größer. Die Stadt möchte dagegen gewappnet sein – und geht teils ungewöhnliche Wege.

Es ist ein Szenario, das fast jeder schon einmal erlebt hat: Stromausfall. Wenn das Handy nicht mehr lädt, das Licht ausgeht und der Kühlschrank warm wird, dann ist das im ersten Moment vor allem ärgerlich und meistens noch nicht dramatisch. Doch: „Je länger der Stromausfall anhält, desto gefährlicher wird es“, weiß Sebastian Szymanski. Er ist nicht nur stellvertretender Ortswehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Ohe, sondern auch Leiter einer Arbeitsgruppe, die sich mit der Vorbereitung auf Katastrophenszenarien in Reinbek befasst.

Wenn der Strom ausfällt, ist auch die kritische Infrastruktur und damit die Sicherheit der Bevölkerung ist in großer Gefahr. Denn damit Rettungsdienst, Feuerwehr oder Polizei einsatzbereit sind, wird Strom benötigt. Seit einigen Jahren werden Katastrophenszenarien wieder wahrscheinlicher. Experten fürchten, dass es künftig zum Blackout kommen könnte. In Stormarn gibt es regional immer wieder vorübergehend Stromausfälle.

Blackout rückt näher: Reinbek möchte vorbereitet sein

Die weltpolitische Lage ist angespannt, die Gefahr für Cyberangriffe steigt. Auch Umweltkatastrophen wie Überflutungen häufen sich – wie das Jahrhunderthochwasser im Ahrtal, die Sturmflut an der Ostsee im Herbst 2023 oder auch die starken Überschwemmungen Anfang Januar in Stormarn deutlich machten.

Vor etwa fünf Jahren unter anderem auf Anraten des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe ins Leben gerufen, erstellt die Arbeitsgruppe ein Konzept für das Verhalten im Ernstfall. Das können Szenarien sein wie ein flächendeckender, langanhaltender Stromausfall oder auch Großbrände, Hochwasser, schwere Stürme oder Bombenentschärfungen, die eine Evakuierung notwendig machen.

Die Stadt Reinbek hat drei Netzersatzanlagen angeschafft. 
Die Stadt Reinbek hat drei Netzersatzanlagen angeschafft.  © Juliane Minow | Juliane Minow

Reinbek hat Einsatzleitwagen und Netzersatzanlagen angeschafft

Das Konzept wird nach und nach umgesetzt. Ein wichtiger Meilenstein: die Anschaffung eines Einsatzleitwagens und dreier Netzersatzanlagen. Der Einsatzleitwagen ist seit Dezember 2023 im Besitz der Reinbeker Feuerwehr. 347.000 Euro hat die Stadt dafür bezahlt. Das Fahrzeug dient der Führung und Koordination von taktischen Einheiten der Feuerwehr, der Polizei oder anderer Hilfskräfte.

Das Fahrzeug hat einen Kofferaufbau. Vorne befinden sich zwei Funkarbeitsplätze. Im hinteren Bereich ist ein Besprechungsraum, der Platz für bis zu sechs Personen bietet. Mehrere Monitore und jede Menge Technik sind in dem Fahrzeug verbaut, damit im Katastrophenfall von hier aus wichtige Entscheidungen getroffen werden können.

Ein lang anhaltender Stromausfall bringt Menschen in große Gefahr

Seit Ende Januar besitzt die Stadt Reinbek zudem drei sogenannte Netzersatzanlagen, die an den Standorten der drei Ortswehren Reinbek, Schönningstedt und Ohe stationiert sind. 131.000 Euro haben die jeweils gekostet. Sie liefern Notstrom, wenn es zu einem Blackout kommen sollte.

„Vielen Menschen ist nicht bewusst, was ohne Strom alles nicht mehr funktioniert“, sagt Szymanski. Wenn ein Stromausfall länger als sechs Stunden anhält, könne es schnell kritisch werden. „Das Handynetz bricht zusammen, weil nach ein paar Stunden die Akkus leer sind. Das bedeutet, dass Kommunikation nicht mehr funktioniert. Kühlketten werden unterbrochen, Supermärkte können keine Lebensmittel mehr verkaufen. Man kann nicht mehr an Bargeld kommen.“ Diese Liste ließe sich fast endlos fortsetzen.

In dem neuen Einsatzleitwagen der Stadt Reinbek ist modernste Technik verbaut. 
In dem neuen Einsatzleitwagen der Stadt Reinbek ist modernste Technik verbaut.  © Juliane Minow | Juliane Minow

Wenn der Strom ausfällt, sind Feuerwehren besonders gefragt

Umso wichtiger sei es, sich vorher Gedanken zu machen, was in solchen Fällen zu tun ist. Denn: „Katastrophen fragen nicht, wann wir so weit sind“, sagt Bürgermeister Björn Warmer. „Sie passieren einfach.“ Schlimm wäre es, wenn dann Chaos ausbräche. Denn das würde potenziell auch Menschenleben gefährden. Wichtig ist, dass Feuerwehren, Polizei und Hilfsorganisationen einsatzfähig bleiben.

„Wenn der Strom ausfällt, können Menschen in Fahrstühlen stecken bleiben und müssen gerettet werden“, sagt Reinbeks Gemeindewehrführer Oliver Selke. Und: „Wenn der Strom ausfällt, zünden Menschen oft Kerzen an, um Licht zu generieren. Dadurch steigt aber auch die Brandgefahr“, sagt Selke. Dementsprechend sei die Feuerwehr in solchen Situationen besonders gefragt.

Reinbek schafft eine neue Stelle für den Bereich Bevölkerungsschutz

Der Kreis Stormarn befasst sich seit Jahren intensiv mit dem Thema Katastrophenschutz, Reinbek ist eine von mehreren Kommunen, die eigene Konzepte erarbeiten. Eine Besonderheit gibt es in Reinbek trotzdem: „Wir schaffen eine neue Stelle, die sich dezidiert um den Bevölkerungsschutz kümmert“, sagt Reinbeks Ordnungsamtsleiterin Jenny Laue.

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Der oder die Verantwortliche soll zum Beispiel Daten erfassen über Anzahl und Ort von Fahrstühlen oder Wohngemeinschaften beatmeter Menschen. Auch soll von dort aus mit Feuerwehr, Krankenhaus oder Apotheke kommuniziert werden. Zudem ist die Stelle Ansprechpartner für die Bevölkerung. Reinbek sei eine der wenigen mittelgroßen Kommunen in Schleswig-Holstein, die eine Stelle extra für diese Aufgabe schafft. Unter vergleichbar großen Städten sei Laue dies ansonsten nur aus Husum bekannt.

Bürger sollen sich selbst auch auf den Ernstfall vorbereiten

Bei allen Vorkehrungen aber könne die Verantwortung für Katastrophenszenarien nicht nur bei Stadt, Feuerwehr und Co. liegen. „Jeder Bürger sollte sich auch selbst auf den Ernstfall vorbereiten“, sagt Warmer. Eine Anlaufstelle dafür: Die Internetseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Dort gibt es zum Beispiel eine Liste, welche Vorräte man am besten zu Hause haben sollte. Eine Broschüre liegt auch im Reinbeker Rathaus aus.

Als die Broschüre vor einigen Jahren aktualisiert wurde, seien viele Menschen erstaunt darüber gewesen, dass sie überhaupt notwendig sei, so Selke. Seit Ende des Kalten Krieges sei der Schutz vor Katastrophen aus den Köpfen vieler Menschen verschwunden. „Wir kommen aus kriegsarmen Friedenszeiten und müssen uns gedanklich wieder umstellen“, sagt Bürgermeister Björn Warmer. „Bullerbü ist vorbei.“