Großhansdorf. Wenn großflächig der Strom ausfällt, geht es um Leben und Tod. Damit die kritische Infrastruktur weiterläuft, braucht es Notstrom.
Man stelle sich folgendes Szenario vor: Es gab einen Cyberangriff auf das Stromnetz. Der Strom ist großflächig und auf unabsehbare Zeit ausgefallen. Das bedeutet nicht nur, dass Haushalte ohne Licht auskommen müssen, dass der Kühlschrank warm wird, dass der Fernseher nicht mehr geht und dass Handys und Laptops leerlaufen.
Das Problem ist viel größer und potenziell lebensgefährlich. Denn auch die kritische Infrastruktur und damit die Sicherheit der Bevölkerung ist in großer Gefahr: Damit Rettungsdienst, Feuerwehr oder Polizei einsatzbereit sind, müssen sie mit Treibstoff versorgt werden. Dafür wird zwingend Strom benötigt.
Tankstellen in Großhansdorf und Reinbek zur Verfügung gestellt
Damit Krankenwagen, Katastrophenschutz und Co. auch im Falle eines solchen Katastrophenszenarios fahren können, haben der Kreis Stormarn und die Lother Gruppe einen Kooperationsvertrag geschlossen. Die Mineralölhandelsgesellschaft betreibt ein Tankstellennetz mit über 100 Tankstellen in Norddeutschland, darunter auch mehrere im Kreis Stormarn.
„Die Lother Gruppe hat sich dazu verpflichtet, zwei ihrer Tankstellen in Stormarn zur Verfügung zu stellen, die im Notfall über ein Notstromaggregat in Betrieb genommen werden können“, sagt Geschäftsführer Matthias Bartholl.
Kreis Stormarn hat 2018 mit Blackout-Planung begonnen
Bei den beiden Tankstellen handelt es sich um die Nordoel-Tankstelle in Großhansdorf (Sieker Landstraße 178) und die Shell-Tankstelle in Reinbek (Möllner Landstraße 19). Die Notstromaggregate, wie sie umgangssprachlich genannt werden, sind eigentlich Netzersatzanlagen. Die beiden Geräte im Wert von etwa 130.000 Euro wurden vom Land Schleswig-Holstein zur Verfügung gestellt.
„Wir haben 2018 mit der Blackout-Planung begonnen“, sagt Birte Riebel vom Fachbereich Sicherheit und Gefahrenabwehr im Kreis Stormarn. Ein wichtiges Ziel: Die Kritische Infrastruktur auch im Ausnahmefall aufrechtzuerhalten. Riebel: „Dafür sind wir mit Mineralölunternehmen in Kontakt getreten und haben diese um Mithilfe gebeten.“
Versorgungssicherheit in Deutschland ist trotz allem recht hoch
Die Verantwortlichen der Lother Gruppe haben bei dieser Anfrage nicht lange überlegt, sagt Geschäftsführer Matthias Bartholl: „Für uns ist soziales Engagement im Zuge unserer gesellschaftlichen Verantwortung selbstverständlich. Deshalb ist eine Hilfestellung bei Notfällen für uns eine soziale und gerne geleistete Pflichtaufgabe.“ Auch in zwei weiteren Kreisen in Schleswig-Holstein, nämlich in Steinburg und Rendsburg-Eckernförde, stellt das Unternehmen weitere Tankstellen für den Notfall zur Verfügung.
Das Unternehmen hat die Tankstellen technisch so ausgerüstet, dass die Feuerwehr die mobile Netzersatzanlage anschließen und die Tankstelle in Betrieb nehmen kann. Betreut werden die Geräte von der dritten Feuerwehrbereitschaft Technische Hilfe des Kreises Stormarn mit Bereitschaftsführer Harald Gewe. Auch das Technische Hilfswerk könnte die Geräte im Notfall bedienen. Übrigens: Mögliche Szenarien, die einen sogenannten Blackout verursachen können, sind vielfältig: „Ein instabiles Stromnetz kann die Ursache sein“, so Andreas Rehberg, Fachbereichsleiter Sicherheit und Gefahrenabwehr beim Kreis Stormarn. Angesichts der aktuellen Krisenlage und weltpolitischer Spannungen sei auch ein Angriff auf das Stromnetz nicht ausgeschlossen. Natürlich hofften alle Beteiligten, dass es nicht zu so einem Angriff kommt. „Die Versorgungssicherheit in Deutschland liegt noch immer bei über 99 Prozent“, so Rehberg. Aber wenn doch einmal das Unwahrscheinliche passiert, dann will man vorbereitet sein.
2006 gab es in Europa einen schwerwiegenden Stromausfall
In der Vergangenheit habe es immer mal wieder Situationen und Fälle gegeben, in denen der Strom flächendeckend ausgefallen ist. Zum Beispiel am 4. November 2006 kam es gegen 22.10 Uhr in Europa flächendeckend zu einem Stromausfall. Teile von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich und Spanien waren bis zu 120 Minuten ohne Strom.
Auslöser war die planmäßige Abschaltung beider Stromkreise der vom damaligen Netzbetreiber E.ON betriebenen Höchstspannungsleitung Conneforde–Diele, die die Ems quert. Die Abschaltung, bei der es zu Fehlern kam, geschah für die Überführung der Norwegian Pearl, eines auf der Meyer Werft in Papenburg gebauten Kreuzfahrtschiffes. Auch wenn solche Fälle selten sind, machen sie deutlich, dass Blackouts eine reale Gefahr sind, auf die man vorbereitet sein muss. In dieser Sache sind sich die Verantwortlichen der Lother Gruppe und des Kreises einig. Bartholl: „Wir stehen zusammen für die gute Sache: die Sicherheit.“