Ahrensburg. Überweg für Menschen mit Behinderung in dem Ahrensburger Stadtteil war immer wieder gescheitert. Nun gibt es einen neuen Vorschlag.
Der Bornkampsweg im Ahrensburger Stadtteil Wulfsdorf: Eigentlich gilt hier Tempo 30, doch daran hält sich kaum jemand. Die Straße ist als Abkürzung zwischen Ahrensburg und Hamburg-Volksdorf beliebt, das Verkehrsaufkommen entsprechend hoch. Anwohner kämpfen deshalb bereits seit Jahren für eine sichere Straßenquerung.
Bislang scheiterten alle Vorstöße an rechtlichen Vorgaben und baulichen Hindernissen. Ein neuer Ansatz scheint nun eine Lösung möglich zu machen. Doch es gibt noch einige Unsicherheiten.
Sichere Straßenquerung in Wulfsdorf: Ahrensburger Verwaltung macht neuen Vorschlag
Die Mitglieder des Ahrensburger Bau- und Planungsausschusses waren Anfang Februar in Begleitung von Bauamtsleiter Peter Kania sowie Vertretern der Verkehrsaufsicht zu einem Ortstermin nach Wulfsdorf gekommen, um sich gemeinsam mit Anwohnern ein Bild von der Situation zu machen. „Wir alle sind uns einig, dass Handlungsbedarf besteht“, sagt der Ausschussvorsitzende Markus Kubczigk (SPD).
Seit 2005 sind am Bornkampsweg die beiden inklusiven Wohnprojekte Allmende und Wilde Rosen entstanden. In drei Gebäudekomplexen leben 36 Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung – zwar ambulant durch einen Pflegedienst rund um die Uhr betreut, aber in eigenen Ein-Zimmer-Appartements und so selbstständig, wie es die individuellen Bedürfnisse zulassen.
Bewohner der inklusiven Wohnanlagen müssen die Straße mehrfach täglich überqueren
Zwei der Häuser liegen auf der südlichen Straßenseite, eines auf der nördlichen, wo sich auch die Textilwerkstatt befindet, in der ein Großteil der Bewohner tagsüber tätig ist. Andere von ihnen arbeiten in einem inklusiven Café auf dem Gelände des Wohnprojektes oder auf dem Wulfsdorfer Gutshof.
Auf dem Weg zwischen den Wohnungen und den Arbeitsorten müssen die Behinderten mehrfach täglich die viel befahrene Straße queren. Nicole Lampe, deren Sohn Erik in einem der Wohnkomplexe lebt, gehört zu denjenigen, die sich bereits seit Jahren für eine sichere Querungsmöglichkeit einsetzen. Die Ahrensburgerin wünscht sich einen Zebrastreifen oder eine Bedarfsampel in Höhe der Wulfsdorfer Feuerwache. „Erik und viele andere Bewohner können die Straße nicht allein überqueren, das ist viel zu gefährlich“, sagt sie.
Nicole Lampes Sohn Erik kann mit seinem Rollstuhl nicht schnell genug reagieren
Lampe und ihr Mann sind mit ihren beiden Söhnen 2005 nach Wulfsdorf gezogen. Zunächst lebte die Familie gemeinsam in der Siedlung Allmende auf der nördlichen Straßenseite. Erik, der jüngere Sohn, ist mit einer infantilen Zerebralparese zur Welt gekommen und spastisch in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt. Außerdem sind sein räumliches Sehen und seine Reaktionsfähigkeit beeinträchtigt.
2016 zog Erik aus der gemeinsamen Wohnung aus in das betreute Wohnprojekt auf der anderen Straßenseite. Mit seinem Elektrorollstuhl ist der 26-Jährige in der Lage, sich selbstständig fortzubewegen. Doch er ist mit dem Gerät nicht schnell und flexibel genug, um auf den Verkehr zu reagieren.
Bewohner sind auf ständige Begleitung durch einen Pflegedienst angewiesen
Jedes Mal, wenn Erik seine Eltern besuchen oder zur Arbeit auf dem Gutshof möchte, wo er in der Grünflächen- und Tierpflege tätig ist, ist er deshalb auf die Begleitung durch einen Pflegedienst angewiesen. Genauso geht es anderen Anwohnern. Nicole Lampe hat deshalb gemeinsam mit anderen Bewohnern der Anlage eine Politikgruppe gegründet und macht sich bei der Ahrensburger Verwaltung für eine Lösung stark.
Mehrere Briefe hat sie bereits geschrieben, an das Rathaus und an die Lokalpolitik, die Gruppe war wiederholt in politischen Sitzungen zu Gast, um das Anliegen vorzutragen – bislang vergeblich. Auch der Ahrensburger Behindertenbeirat hat sich inzwischen eingeschaltet. „Das große Ziel im Leben von Menschen, die mit kognitiven, körperlichen und weiteren Einschränkungen leben, ist Autonomie, die selbstständige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben“, schreibt der Beiratsvorsitzende Henning Rohwedder in einer Stellungnahme an Politik und Verwaltung.
Vorsitzender des Behindertenbeirates schaltet sich in die Debatte ein
Dazu gehöre auch, dass sich die in Wulfsdorf arbeitenden und lebenden Menschen mit Handicap in ihrem Stadtteil möglichst selbstständig und ohne ständige Begleitung bewegen können. „Dazu bedarf es unbedingt einer sicheren Möglichkeit der Straßenquerung“, so Rohwedder. „Es muss jetzt etwas geschehen.“
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Doch nach dem Ortstermin erteilt Bauamtsleiter Peter Kania der Wunschvariante der Wulfsdorfer, einer Querungshilfe in Höhe der Feuerwache, erneut eine Absage. „Nach Aussage der Verkehrsaufsicht ist die Einrichtung eines Fußgängerüberwegs oder einer Ampel in unmittelbarer Nähe der Zufahrt zur Feuerwehr nicht möglich“, sagt Kania. Zudem müsste dem Bauamtsleiter zufolge dann die Bushaltestelle verlegt werden, die sich beidseitig an der Stelle befindet.
Für Zebrastreifen benötigte Fläche befindet sich in privatem Besitz
Stattdessen schlägt die Verwaltung nun einen Zebrastreifen östlich der Kreuzung Bornkampsweg/Wulfsdorfer Weg vor, einige Meter weiter in Richtung Hamburger Straße. Auf der nördlichen Straßenseite ist bereits ein Gehweg vorhanden, auf der südlichen befindet sich hinter einem Knick die Wohnanlage „Wilde Rosen“. Direkt vom zugehörigen Parkplatz könnte demnach ein Weg zur Straße und zu einem Zebrastreifen angelegt werden.
„Die Problematik besteht darin, dass die Fläche auf der südlichen Straßenseite sich in privatem Eigentum befindet“, sagt Kania. Die Eigentümergemeinschaft der Wohnanlage müsste folglich ihre Zustimmung geben. Nicole Lampe hat noch aus weiteren Gründen Bedenken. „Auf dem Grundstück befinden sich Müllcontainer, die versetzt werden müssten“, sagt sie. Zudem machten die Container die Stelle schwer einsehbar.
Bauausschussvorsitzender ist nach Ortstermin „vorsichtig optimistisch“
„Es ist gut, dass die Verwaltung bemüht ist, eine Möglichkeit zu finden“, sagt Nicole Lampe. Die Wunschlösung der Betroffenen sei der neue Vorschlag jedoch nicht. „Ich bin skeptisch, ob sich das am Ende wirklich so umsetzen lässt“, so die Ahrensburgerin.
Eine verbindliche Zusage möchte auch Kania derzeit noch nicht machen. Einzelheiten müssten noch geprüft, Gespräche mit der Eigentümergemeinschaft geführt werden, sagt er. In einer der kommenden Bauausschusssitzungen sollen Ergebnisse vorgestellt werden. Dessen Vorsitzender, Markus Kubczigk, ist immerhin „vorsichtig optimistisch“, dass es bald eine Lösung gibt. „Die Aussagen der Verwaltung klingen deutlich positiver als bislang“, sagt der SPD-Politiker.