Ahrensburg. Messgeräte sollten Autos und Geschwindigkeiten an zwei Straßen erfassen, deren Anwohner regelmäßig über Raser klagen. Das ist passiert.

Auf der Dorfstraße in Ahrensfelde gilt eigentlich Tempo 30. Im Bereich des dörflich geprägten Ahrensburger Stadtteils macht die Straße eine lange Kurve, ist deshalb schwer einsehbar, was die Querung für Fußgänger und Fahrradfahrer gefährlich macht. Oft sind hier auch Reiter mit ihren Pferden auf der Fahrbahn unterwegs. Dennoch hält sich an die Geschwindigkeitsvorgabe hier kaum ein Autofahrer. Wer den Verkehr auf der Dorfstraße beobachtet, stellt schnell fest: Tempo 60 und aufwärts ist die Regel.

Anwohner klagen seit Jahrzehnten über gefährliche Situationen durch rücksichtslose Raser. Seit Langem drängen sie auf Geschwindigkeitsmessungen, um ihre Sorgen mit Zahlen zu untermauern. Diese Messungen haben inzwischen stattgefunden. Doch nun hat sich herausgestellt: Die erhobenen Daten sind aller Voraussicht nach unbrauchbar.

Panne bei Verkehrszählung in Ahrensburg: Daten voraussichtlich unbrauchbar

„Nach erster Prüfung der ausgelesenen Summen aller Fahrzeugbewegungen ist aufgefallen, dass die Summen nicht stimmen können“, heißt es in einem Bericht aus dem Ahrensburger Rathaus. Voraussichtlich seien die Daten in der Konsequenz nicht inhaltlich interpretierbar.

Betroffen ist nicht nur die Dorfstraße, auch die in beiden Fahrtrichtungen am Rosenweg installierten Anlagen haben offenbar fehlerhafte Werte geliefert. In dem Wohngebiet in der Nähe des Schulzentrums Am Heimgarten beschweren sich Anwohner ebenfalls wiederholt über Raser. Eigentlich gilt dort Tempo 50, doch die Mehrzahl der Autofahrer sei deutlich schneller unterwegs und gefährde damit die Kinder auf dem Weg zur Schule, klagen Eltern und Nachbarn.

Im Oktober und November wurde 42 Tage lang an den Straßen gemessen

Sowohl an der Dorfstraße als auch am Rosenweg sind schon lange zusätzliche Verkehrsberuhigungsmaßnahmen geplant, unter anderem jeweils ein Mini-Kreisverkehr. Eine Umsetzung soll aber aufgrund von Personalmangel im zuständigen Tiefbauamt des Rathauses nicht vor 2026 erfolgen.

Gemessen wurde an beiden Standorten an 42 Tagen, vom 17. Oktober bis zum 28. November 2023. Verwendet wurden Tempo-Anzeiger, die vorbeifahrenden Autofahrern ihre Geschwindigkeit anzeigen, aber auch über eine Aufzeichnungsfunktion verfügen. Die Anlagen hatte Ahrensburg 2020 angeschafft. Schon kurz nach der Installation gab es Probleme.

Schon kurz nach der Installation der Messgeräte gab es Probleme

Aufgrund einer fehlerhaften Einstellung hatte das Gerät an der Dorfstraße Autofahrern auch dann einen lächelnden, grünen Smiley gezeigt, wenn sie deutlich schneller als mit der zugelassenen Geschwindigkeit von 30 km/h unterwegs waren. Erst nach einigen Tagen konnte die Verwaltung das Problem beheben.

Den jetzt ausgelesenen Daten zufolge waren drei Viertel (74,5 Prozent) der Verkehrsteilnehmer auf der Dorfstraße mit mehr als 40 km/h unterwegs und damit mehr als zehn Kilometer pro Stunde schneller als erlaubt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit lag bei 40 km/h.

Zahl der Autos ist angeblich in vergangenen zehn Jahren deutlich geschrumpft

Gezählt wurden 47.485 Fahrzeugbewegungen. Das macht rund 1131 Fahrzeuge am Tag. Doch diese Zahl machte die Verantwortlichen bei der Verkehrsaufsicht im Ahrensburger Rathaus stutzig. Denn bei einer Erhebung für den „Masterplan Verkehr“ vor rund zehn Jahren waren mit 4000 bis 6000 deutlich mehr Fahrzeuge pro Tag auf der Trasse gezählt worden.

Anwohner des Rosenwegs in Ahrensburg demonstrieren im März 2022 für eine sichere Querungshilfe für Fußgänger und Radfahrer.
Anwohner des Rosenwegs in Ahrensburg demonstrieren im März 2022 für eine sichere Querungshilfe für Fußgänger und Radfahrer. © HA | Filip Schwen

Am Rosenweg sieht es ähnlich aus: Im Schnitt wären die Verkehrsteilnehmer in Richtung stadteinwärts mit 46 km/h unterwegs, stadtauswärts wurden 47 km/h gemessen. Stadteinwärts waren rund 46 Prozent der Fahrzeuge mit Tempo 60 oder schneller unterwegs und damit mindestens zehn km/h zu schnell, stadteinwärts waren es rund 28 Prozent.

Die Anlagen erfassen auch die Geschwindigkeiten von Radfahrern und E-Scootern

Im Oktober und November 2023 wurden laut Verwaltung am Rosenweg 46.746 Fahrzeuge gezählt, das macht im Durchschnitt 1113 Fahrzeuge am Tag. Auch hier waren vor rund zehn Jahren noch 4000 bis 6000 Fahrzeugbewegungen binnen 24 Stunden erfasst worden.

„Aus unserer Sicht können die jetzt gemessenen Werte nicht korrekt sein, da der Verkehr grundsätzlich mehr geworden ist“, sagt Rathaussprecherin Petra Rogge. Ein weiteres Problem: Ab Geschwindigkeiten von einigen Kilometern pro Stunde erfassen die Messgeräte auch Radfahrer, E-Scooter und Mofas.

Die wirklichen Durchschnittsgeschwindigkeiten liegen wohl deutlich höher

„Die Anlagen unterscheiden nicht nach Verkehrsteilnehmern“, sagt Rogge. „Das verzerrt das Messergebnis dahingehend, dass man nicht exakt sagen kann, welcher Verkehrsteilnehmer wie schnell gefahren ist oder welche Verkehrsteilnehmergruppe in welchem Maße zur Durchschnittsgeschwindigkeit beigetragen hat.“ Heißt: Auch die ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeiten und der Anteil der Geschwindigkeitsverstöße haben kaum Aussagekraft. In Wirklichkeit dürften sie deutlich höher liegen.

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Peter Körner, Vorsitzender des Vereins Dorfgemeinschaft Ahrensfelde, hält die Messergebnisse für vollkommen unrealistisch. „Die Zahlen decken sich überhaupt nicht mit unserer Wahrnehmung und mit früheren Erhebungen“, sagt er. „47.000 Autos in 42 Tagen sind viel zu wenige.“

Die Messgeräte waren möglicherweise zeitweise außer Betrieb

Der FDP-Stadtverordnete Wolfgang Schäfer, der am Rosenweg wohnt, hält die Messwerte ebenfalls für realitätsfern. Er verweist auf eine eigene Zählung, welche Anwohner im vergangenen Juni durchgeführt haben. „Allein zwischen 7.30 und 8.30 Uhr am Morgen haben wir 415 Autos gezählt“, sagt er. Auch wenn es sich um den Wert für eine Stoßzeit handele, müsse die Zahl auf den Tag gerechnet deutlich höher als 1113 liegen. „Das Ganze spielt sich ja mittags und abends genauso ab, der restliche Tag ist dann noch gar nicht berücksichtigt“, sagt Schäfer.

Doch wie kann es sein, dass die Anlagen so viel weniger Autos zählten als noch bei der Erhebung vor rund zehn Jahren? Derzeit werde weiter nach der Ursache gesucht, dazu tausche man sich auch mit dem Hersteller aus, sagt Rogge. „Ein Grund könnte sein, dass die Geschwindigkeitsmessanlagen zeitweise außer Betrieb sind oder zeitweise fehlerhaft laufen.“

Trotz Tempo 30 wurde Spitzengeschwindigkeit von 91 km/h gemessen

Immerhin in einem Punkt waren die Messungen nicht umsonst: Sie belegen, dass einzelne Autofahrer auf den beiden Straßen deutlich schneller fahren als erlaubt und bestätigen damit den Eindruck der Anwohner. An der Dorfstraße lag die gemessene Spitzengeschwindigkeit laut Rogge bei 91 km/h. Am Rosenweg waren es sogar 127 Kilometer pro Stunde.