Großhansdorf. Großhansdorf geht mit Videoüberwachung gegen Müllsünder vor. Datenschutzbeauftragte äußert Bedenken. Gemeinde schaltet Anwalt ein.
Illegal entsorgter Müll ist nicht nur aus optischen Gründen ein Ärgernis, die Entsorgung der Hinterlassenschaften kostet Gemeinden und Abfallunternehmen auch viel Geld. Großhansdorf setzt deshalb als erste Kommune in der Region auf Videoüberwachung, um Müllsünder abzuschrecken.
Doch das schleswig-holsteinische Landesdatenschutzzentrum könnte dem Pilotprojekt ein Ende bereiten. Die Behörde habe der Gemeinde nahegelegt, die Kameras wieder abzubauen, informierte Bürgermeister Janhinnerk Voß am Montag im Bau- und Umweltausschuss als Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktion. Politik und Verwaltung in Großhansdorf möchten jedoch an der Videoüberwachung festhalten.
Kameras gegen Müllsünder in Großhansdorf: Datenschutzbeauftragte äußert Bedenken
„Das Landesdatenschutzzentrum hat uns mitgeteilt, dass die Videoüberwachung voraussichtlich nicht mit datenschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar sei“, so Voß. Die Verwaltung habe sich daraufhin anwaltlichen Rat gesucht. „Wir sehen nicht, dass die Kameras gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen“, sagt der Bürgermeister.
Gemeinsam mit dem Fachanwalt für Verwaltungsrecht habe die Gemeinde ihre Sichtweise in einem Schreiben verfasst, welches dem Landesdatenschutzzentrum Ende vergangenen Jahres zugegangen sei. „Bislang haben wir darauf keine Rückmeldung erhalten“, so Voß. Vorerst laufe das Pilotprojekt weiter.
Behördenchefin sieht „keine geeignete Rechtsgrundlage“ für Videoüberwachung
Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragte Marit Hansen sagte unserer Redaktion, sie sehe unter Berücksichtigung der derzeit vorliegenden Informationen „keine geeignete Rechtsgrundlage, auf die sich die Videoüberwachung stützen könnte“. Der Gemeinde sei mit einem Schreiben von September 2023 die Möglichkeit gegeben worden, darzulegen, ob sie bereit sei, die Videoüberwachung einzustellen.
Nach Eingang der Stellungnahme aus Großhansdorf werde geprüft, ob die Behörde Maßnahmen entsprechend der Datenschutzgrundverordnung ergreife. Diese seien nicht zwingend gleichbedeutend mit der Aufforderung zum Abbau der Kameras. Es sei etwa auch die Anweisung, Verarbeitungsvorgänge in Einklang mit dem Datenschutzrecht zu bringen, denkbar. „Das Anhörungsverfahren dauert an“, so Hansen. Eine rechtlich bindende Aufforderung zur Deinstallation der Kameras habe die Behörde bislang nicht erteilt.
Seit Mai 2022 filmen zwei Kameras die Abfallcontainer am Waldreiterweg
Großhansdorf hatte im Mai 2022 zwei Kameras installiert, die die Abfallcontainer am Waldreiterweg filmen. Neben den Behältern hatten Unbekannte in der Vergangenheit immer wieder große Mengen Müll illegal abgeladen. Die zwei Kameras am Waldreiterweg werden per Solarzelle mit Energie versorgt und per Bewegungsmelder aktiviert. Eine Hinweistafel klärt über die Videoüberwachung und die Rechte der Betroffenen auf. 3600 Euro hatte die Installation des Systems gekostet.
Im Vorfeld hatte die Verwaltung laut Bürgermeister Voß sich von Datenschutzexperten beraten lassen. Diese hätten keine Bedenken geäußert. Argumentiert wurde vor allem mit den immensen Kosten, die durch die illegale Abfallbeseitigung entstehen. Gerade erst hatte Olaf Stoetefalke, Prokurist der Abfallwirtschaft Südholstein (AWSH), die Summe auf rund 400.000 Euro für die Beseitigung allein im Jahr 2023 beziffert.
Im Jahr 2023 wurden im Gebiet der AWSH 290 Tonnen Müll illegal entsorgt
Im vergangenen Jahr wurden demnach 290 Tonnen Müll an den Recyclingcontainern in den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg abgeladen. Das Geld zahlen am Ende alle Bürgerinnen und Bürger. Denn die gestiegenen Kosten führen langfristig dazu, dass die Entsorgungsentgelte steigen. Die Videoüberwachung sei deshalb ein verhältnismäßiges Mittel, so die Datenschutzexperten im Vorfeld des Großhansdorfer Pilotprojektes.
Die Bilanz fällt aus Sicht der Großhansdorfer Verwaltung bislang positiv aus. Es sei bis auf Einzelfälle zu keiner illegalen Abfallentsorgung am Waldreiterweg mehr gekommen, so Bürgermeister Voß. Das Rathaus hatte deshalb vorgeschlagen, auch an anderen Containerstandorten Kameras zu installieren.
FDP sieht sich in ihrer Ablehnung der Überwachungskameras bestätigt
Andere Kommunen wie Delingsdorf, Hoisdorf und Oststeinbek diskutierten darüber, das Großhansdorfer Modell zu übernehmen. Inzwischen liegen diese Überlegungen auf Eis. Man wolle zuerst die Entscheidung des Landesdatenschutzzentrums abwarten, entschieden etwa die Oststeinbeker Gemeindevertreter im vergangenen September. Grund dafür, dass sich die Behörde überhaupt mit dem Thema befasst, ist laut der Landesdatenschutzbeauftragten Marit Hansen die Beschwerde eines Großhansdorfer Bürgers.
Unter den Gemeindevertretern in der Waldgemeinde ist das Projekt ebenfalls umstritten. CDU, Grüne und SPD hatten damals für die Installation der Kameras gestimmt, die FDP war strikt dagegen. Die Liberalen sehen sich nun in ihrer Position bestätigt. „Die Kameras sind ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Privatsphäre“, sagt Fraktionschef Carsten Pieck.
CDU-Ortsvorsitzender wirft FDP „destruktives Verhalten“ vor
Bürger würden unter Generalverdacht gestellt. „Wenn diese Form der Videoüberwachung Schule macht, haben wir irgendwann überall im öffentlichen Raum Kameras“, warnt Pieck. Stattdessen solle die Verwaltung lieber mit ordnungsrechtlichen Mitteln wie Geldbußen gegen Müllsünder vorgehen.
Mehr aus Stormarn
- Nach Anwohner-Kritik: Windpark-Investor macht Rückzieher
- Angriff aufs AJH Bargteheide – doch Polizei ermittelt nicht
- Nach langem Streit: Hammoor bekommt Ortsumgehung
Heftige Gegenrede kommt von der CDU. Der Ortsvorsitzende Mathias Schwenck wirft den Liberalen „destruktives Verhalten“ vor. „Durch die Kameras werden die Plätze sauber gehalten. Es ist sehr schade, wenn eine Partei massiv dagegen arbeitet“, sagt Schwenck, der auch Bürgervorsteher in Großhansdorf ist. Die Maßnahme finde bei einer weit überwiegenden Mehrheit der Bürger Zustimmung. Das erfahre er regelmäßig in Gesprächen. Das bestätigt auch der Bürgermeister. „Die Rückmeldungen aus der Bevölkerung sind durchweg positiv“, sagt Voß.
SPD-Fraktionschefin zu den Kameras: „Unser Herz hängt nicht daran“
Die Grünen wollen die Videoüberwachung ebenfalls beibehalten. „Wir haben diese Maßnahme seinerzeit keineswegs leichtfertig eingeführt“, sagt Fraktionschefin Sabine Rautenberg. „Es ist zwar bedauerlich, dass so etwas überhaupt notwendig ist, aber wir halten die Kameras für ein probates Mittel.“
Die SPD, die das Projekt ebenfalls mitgetragen hatte, möchte es hingegen nicht um jeden Preis fortführen. „Unser Herz hängt nicht daran“, sagt die Fraktionsvorsitzende Gudrun Apel. Dabei geht es den Sozialdemokraten nicht vordergründig um den Datenschutz. „Ich sehe den Gewinn hinter den Kameras nicht“, so Apel. Sie bezweifle, dass die Geräte wirklich eine abschreckende Wirkung entfalteten. „Auf jeden Fall sollten wir kein Geld in einen Rechtsstreit investieren“, sagt sie.
Als letzter Ausweg bliebe der Gemeinde ein Gang vor das Verwaltungsgericht
Wie es nun weitergeht, ist offen. Die Verwaltung werde zunächst die Reaktion des Landesdatenschutzzentrums auf ihr Schreiben abwarten, sagt Bürgermeister Voß. Falls die Behörde an ihrer Position festhält, bliebe Großhansdorf noch eine Klage vor dem Verwaltungsgericht. Ob die Gemeinde diesen Weg gehen würde, darüber möchte Voß derzeit noch nicht spekulieren.