Bargteheide. Parteien in Bargteheide verurteilen Überfall auf Autonomes Jugendhaus. Warum bislang keine strafbaren Handlungen verfolgt werden.

Der Übergriff auf das Autonome Jugendhaus (AJH) in Bargteheide hat in der Stadt ein lebhaftes Echo ausgelöst. Vertreter aller Parteien verurteilten die Attacke und forderten, die genauen Hintergründe für die Tat aufzuklären. Der Vorgang dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden. „In jedem Falle zeigt der Vorfall eine traurige neue Qualität der Zurschaustellung von rechter Gesinnung in unserer Stadt, die es im Keim zu ersticken gilt“, sagt Peter Beckendorf, Ortsvorsitzender der SPD.

Wie bereits berichtet, waren nur eine Woche nach der Demonstration in Bargteheide gegen Neofaschismus, Antisemitismus und Rassismus am 27. Januar mit mehr als 2000 Teilnehmern in der Nacht zum Sonnabend, 3. Februar, etwa 15 Personen zu dem bekannten Containerbau am Volkspark gezogen, warfen Böller, randalierten, provozierten mit Beleidigungen sowie rechtsradikalen Parolen und suchten zudem offen die körperliche Konfrontation. Erst nach Eintreffen einer Polizeistreife hatte sich die Lage weit nach Mitternacht beruhigt.

Polizei beschränkte sich auf Deeskalation der Lage

Weil vor Ort keine Anzeige erstattet wurde und angeblich keinerlei strafbare Handlungen gemeldet worden waren, beschränkten sich die Beamten auf eine Deeskalation der angespannten Situation. „Wir erwarten aber, dass es die Polizei damit nicht bewenden lässt“, sagt Augenzeuge Marco F. (Name geändert) dieser Redaktion. Die Attacke habe eine neue, bislang so nicht bekannte Qualität gehabt, auf die im Interesse der Sicherheit der im AJH verkehrenden Kinder und Jugendlichen reagiert werden müsse.

Positiv sei, dass die Polizei bereits am vergangenen Wochenende, als im Autonomen Jugendhaus rund 190 Personen friedlich gefeiert haben, durch Streifenfahrten mehr Präsenz gezeigt habe. Auf Unverständnis stieß hingegen, dass offenbar nicht alles, was den Beamten in der fraglichen Nacht mitgeteilt wurde, auch protokolliert worden sei.

Genug Ansätze für weitere Ermittlungen vorhanden

„Das Geschehen wurde unsererseits detailliert geschildert, von den Böllerwürfen über die Beleidigungen und rechtsradikalen Parolen bis zu den körperlichen Angriffen. Dass nichts davon strafrechtlich relevant sein soll, können wir uns nur schwer vorstellen“, sagt Marco F. Zumal den Beamten auch Namen von beteiligten Angreifern genannt worden seien. „Ansätze für weitere Ermittlungen sollte es eigentlich genug geben“, so F. Zumal es mehr als 30 Zeugen sowie Videos und Tonaufnahmen von dem Übergriff gebe.

Bürgermeisterin Gabriele Hettwer (parteilos) zeigte sich schockiert von den Berichten aus der fraglichen Nacht. „Wenn sich das alles tatsächlich so abgespielt hat und Besucher des AJH dermaßen bedrängt und verängstigt wurden, wie geschildert, wäre das erschreckend und nicht hinnehmbar“, sagte sie dem Abendblatt. Sie werde in den nächsten Tagen versuchen, mehr Informationen zu bekommen, und auch das Jugendarbeitsteam der Stadt involvieren.

Bürgermeisterin will AJH am 15. Februar besuchen

Am Donnerstag, 15. Februar, soll es im AJH zu einem Treffen zwischen der Rathauschefin und Vertretern von Jugendgruppen kommen, die regelmäßig im Autonomen Jugendhaus verkehren. „Außerdem werde ich mich bei den Schulleitungen im Schulzentrum erkundigen, was dort über eine Zunahme rechtsradikaler Tendenzen in Form von Schmierereien und verbaler wie körperlicher Attacken bekannt ist“, so Hettwer.

Auch in der Kommunalpolitik wächst die Sorge, dass sich Übergriffe wie in der Nacht vom 2. zum 3. Februar am Autonomen Jugendhaus wiederholen könnten. „Das AJH ist eine Bargteheider Ur-Institution, die seit vielen Jahrzehnten Bestand hat, um die Selbstverwaltungskompetenz von Jugendlichen zu fördern“, erklärt Florian Bremer-Gast, Vorsitzender des CDU-Ortsverbands. Um sich ein Gesamtbild von dem Vorfall machen zu können, bedürfe es jetzt vor allem einer strafrechtlichen Ermittlung des Geschehens.

Rechte Gruppen verlassen den Untergrund

„Wir als CDU Bargteheide haben eine ganz klare Haltung gegen Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit und unterstützen deshalb auch das zivilgesellschaftliche Engagement in Bargteheide wie etwa die Demonstration kürzlich vor dem Rathaus“, so Bremer-Gast. Zu dieser Haltung zählten auch die klare Ablehnung von Gewalt und das Verwenden von Kennzeichen und Parolen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen.

„Wir sind von der bei dem Übergriff am AJH offen zur Schau getragenen politischen Gesinnung und Haltung entsetzt“, sagt SPD-Pendant Peter Beckendorf. Dass es zu physischen und körperlichen Angriffen gegen das Gebäude und vor allem gegen Personen gekommen sein soll, sei in keiner Weise akzeptabel. Bislang hätten sich rechte Gruppen in Bargteheide zumeist im Hinter- und Untergrund gehalten. Das habe sich nun offenbar geändert.

Gezielte Aktion oder spontane Tat unter Alkoholeinfluss?

Ob es sich dabei tatsächlich um Personen aus Bargteheide gehandelt habe, oder um auswärtige Besucher einer Geburtstagsfeier im TSV-Vereinsheim, sollte durch die Polizei rasch aufgeklärt werden. „Dann gibt es vielleicht auch Aufschluss darüber, ob es sich um eine gezielte Aktion gehandelt hat, oder um eine spontane Tat infolge übermäßigen Alkoholkonsums“, so Beckendorf.

Die FDP Bargteheide verurteilt den nächtlichen Überfall auf das Autonome Jugendhaus aufs Schärfste. „Er zeigt deutlich, dass es auf die gewaltfreien Demonstrationen für unsere Demokratie nur eine Reaktion von rechts gibt: Das Verbreiten von Hass, Angst und Gewalt“, äußerte der Ortsvorsitzende Andreas Samtleben. Politisch sei hier längst noch nicht das letzte Wort gesprochen.

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Norbert Muras, Fraktionschef der Wählergemeinschaft WfB, tat sich schwerer mit einer ersten Einschätzung: „Mir fehlt es momentan noch an zusätzlichen Informationen, um das Ganze wirklich beurteilen zu können.“ Tatsache sei, dass die Art des Umgangs miteinander nicht in Ordnung gewesen sein könne. „Leute in einem Jugendheim sollten jedenfalls nicht bedroht und eingeschüchtert werden, das ist unmöglich“, so Muras.

Tom Mac Arthur, Ortsverbandsvorsitzender der Grünen und Organisator der Demo am 27. Januar, sieht sich derweil darin bestätigt, dass es auch in Bargteheide unübersehbare rechtsextreme Tendenzen gibt. „Der Vorfall zeigt, dass wir aufmerksam bleiben und klar Stellung beziehen müssen“, sagt Mac Arthur. Die Grünen würden aber weiter für eine sachliche und konstruktive Auseinandersetzung mit Vertretern anderer politischer Lager werben, populistischer Meinungsmache jedoch konsequent entgegentreten.