Stapelfeld. Dank der MVA hatte Stapelfeld ein Privileg, das kaum ein anderer Ort in der Größe hatte. Gibt es eine Chance auf einen Neubau?
Die letzten Bahnen sind geschwommen, das Wasser ist bereits abgelassen: Das Schwimmbad auf dem Gelände der Müllverbrennungsanlage (MVA) in Stapelfeld ist Geschichte. Zum Jahresende ist der Nutzungsvertrag zwischen dem MVA-Betreiber EEW Energy from Waste und der Gemeinde ausgelaufen.
Beide Seiten haben sich darauf verständigt, den Kontrakt nicht zu verlängern. „Der Sanierungsstau ist einfach zu groß, um noch einmal in die Anlage zu investieren“, sagt Stapelfelds Bürgermeister Martin Wesenberg. Zu diesem Ergebnis sei man gemeinsam mit EEW gekommen, nachdem ein Gutachter das Hallenbad inspiziert habe.
MVA Stapelfeld: Schwimmbad in 1800-Einwohner-Dorf schließt nach 40 Jahren
Ein Weiterbetrieb hätte zusätzlich größere Umbauten notwendig gemacht. Denn das Bad ist Teil des Gebäudekomplexes der MVA, der in den kommenden Jahren abgebrochen werden soll. EEW errichtet derzeit auf einem Nachbargrundstück an der Ecke Alte Landstraße/Ahrensburger Weg eine neue Müllverbrennungsanlage mit Klärschlammverbrennung, die 2025 in Betrieb gehen und die derzeitige MVA ersetzen soll.
Die spezielle Konstellation aus Schwimmhalle und Müllverbrennungsanlage ist historisch gewachsen. Bei der Inbetriebnahme der MVA 1979 war die Anlage in kommunaler Hand, als Gemeinschaftsprojekt der Stadt Hamburg und der beiden Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg.
Stapelfeld schloss einen Nutzungsvertrag mit dem MVA-Betreiber EEW
Stapelfeld hatte damals durchgesetzt, dass auf dem Gelände auch ein Freibad gebaut wird, welches von der MVA mit Wärme versorgt wurde. Später machte die Gemeinde das Bad für 600.000 Euro zum Hallenbad. So kam der Ort in den Luxus, trotz gerade einmal etwas mehr als 1800 Einwohnern über ein eigenes Schwimmbad zu verfügen.
Später wurde die MVA verkauft und privatisiert. Teile des Schwimmbad-Gebäudes sind allerdings noch immer im Eigentum der Gemeinde. MVA-Betreiber EEW hatte einen Vertrag mit der Kommune bis Ende 2023, beide zahlten sich gegenseitig 18.500 Euro im Jahr.
Stapelfeld: Schwimm-Begeisterte zahlen im Jahr 120 Euro für eine Vereinsmitgliedschaft
Darüber hinaus stellte das Unternehmen pro Jahr 10.000 Euro für die Instandhaltung bereit. Nach eigenen Angaben hat EEW von 2019 bis 2021 rund 60.700 Euro beigesteuert. Die Gemeinde wiederum hat einen Nutzungskontrakt mit dem Verein Schwimmfreunde Stapelfeld. Die Stapelfelder Vereinsmitglieder konnten gegen einen Mitgliedsbeitrag von 120 Euro im Jahr (150 Euro für auswärtige Mitglieder) in der Halle schwimmen.
Das Ende der Schwimmhalle hatte sich in den vergangenen Jahren abgezeichnet. „Nicht ohne Grund errichten wir in Stapelfeld einen Ersatzneubau für die bald 45 Jahre alte MVA. Die Anlage hat das Ende ihrer Lebenszeit erreicht, die Instandhaltungskosten sind hoch, die Energieeffizienz ist schlecht“, sagt Morten Holpert, Technischer Geschäftsführer von EEW Stapelfeld. Das Gleiche gelte für das nur wenige Monate jüngere Schwimmbad.
Schwimmfreunde stehen nach Schließung der Halle ohne Heimstätte da
Ein Bausachverständiger habe die Anlage im Beisein der Schwimmfreunde begutachtet und die erheblichen Mängel bestätigt. Ein hoher sechsstelliger Betrag wäre laut Holpert nötig gewesen, eine Millioneninvestition habe als wahrscheinlich gegolten. „Wir haben uns damals bereit erklärt, das Hallenbad bis zum Ende des Kooperationsvertrages 2023 noch einmal zu ertüchtigen, und dafür mehrere Zehntausend Euro in die Hand genommen“, so der Geschäftsführer.
Ende Dezember wurde zum letzten Mal in dem Becken geschwommen, dann war Schluss. Das hat vor allem für die Schwimmfreunde Folgen, die nun ohne Heimstätte dastehen. Zwischenzeitlich stand deshalb sogar eine Vereinsauflösung im Raum. „Wir wollten den Verein unbedingt über das Ende der Schwimmhalle hinaus retten“, sagt der neue Vorsitzende Florian Drebber, der den Posten erst Mitte Dezember übernommen hat.
Der Verein will auch nach dem Aus für die Schwimmhalle fortbestehen
Dafür haben die Mitglieder auf einer Versammlung eigens die Satzung geändert. Diese besagte zuvor, dass sich die Schwimmfreunde auflösen, wenn keine Schwimmfläche mehr zur Verfügung steht. „Wir wollen die Strukturen erhalten, die Leute beisammen halten“, sagt Drebber.
Dass das Aus für die Anlage unausweichlich war, sieht auch er so. „Es hätte keinen Sinn gemacht, große Sanierungen durchzuführen, das war allen Beteiligten klar.“ Das Bad sei bei seiner Eröffnung für 25 Jahre ausgelegt und nun fast doppelt so lang in Betrieb gewesen.
Schwimmfreunde machen sich für einen Neubau in Stapelfeld stark
Für den Vereinsvorsitzenden steht aber fest, dass es einen Ersatz geben muss. „Stapelfeld braucht ein Schwimmbad“, sagt Drebber. „Es gibt in der Region zu wenige Wasserflächen, gerade für Schwimmanfänger.“ Auch für Senioren, Reha-Angebote und Sportvereine fehlten Hallenzeiten.
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Besonders problematisch sei das Aus aber für die Schulen in der Region, allen voran die Grundschule Stapelfeld. „Die Klassen fahren jetzt mit dem Schulbus ins Freizeitbad nach Reinbek“, sagt Drebber. „Die Kinder sind länger unterwegs als die eigentliche Schwimmzeit, das ist kein Zustand.“ Die Schulen seien auf ein Bad in der Nähe angewiesen.
Finanzierung und Standort eines neuen Hallenbades sind vollkommen unklar
Die Schwimmfreunde wollen sich dafür einsetzen, dass in Stapelfeld ein neues Hallenbad entsteht, und suchen weitere Mitstreiter. „Wir nehmen gern Neumitglieder auf“, sagt Drebber. Im Falle eines Schwimmbad-Neubaus sollen die Vereinsangehörigen bei der Vergabe der Hallenzeiten den Vortritt haben.
Standort und Finanzierung einer neuen Schwimmhalle sind allerdings noch vollkommen unklar. „Es ist klar, dass wir als Verein den Großteil der Kosten nicht übernehmen können“, sagt Drebber. Es gebe in Abstimmung mit der Gemeinde verschiedene Ideen, welche er aber erst später im Laufe des Jahres öffentlich machen könne. „Die Wunschlösung ist ein Becken in etwa in der Größe, wie wir es bislang hatten“, sagt der Vereinsvorsitzende. Dieses war 1,30 Meter tief und bot acht 25-Meter-Bahnen. „Für Schwimmanfänger ist das optimal“, so Drebber.
Eine Idee: ein neues Schwimmbad als Teil des geplanten Grundschul-Neubaus
Stapelfelds Bürgermeister Martin Wesenberg bestätigt, dass zurzeit verschiedene Lösungen in der Gemeindevertretung und im Schulverband, dem auch die Gemeinden Braak und Brunsbek angehören, diskutiert werden. „Es gibt aber noch nichts Konkretes“, sagt der Politiker von der örtlichen Wählergemeinschaft.
Eine Idee sei eine Angliederung eines Hallenbads an die neue Grundschule. Die Bildungseinrichtung soll vom Von-Eichendorff-Weg an den Groot Redder umziehen. Derzeit befindet sich die Gemeinde in der Bauleitplanung. Bis die neue Schule steht, wird es noch einige Jahre dauern.
EEW sagt Gemeinde kostenlose Wärmelieferung für neues Hallenbad zu
Parallel blicke die Gemeinde auch interessiert ins wenige Kilometer entfernte Siek, so Wesenberg. Dort plant ein Förderverein den Bau eines Hallenbads an der L224. Die Umsetzung ist aufgrund einer ungeklärten Finanzierung allerdings noch ungewiss. Unterdessen signalisiert auch EEW-Geschäftsführer Morten Holpert Unterstützung. „Kommt es zu einem Hallenbadneubau in Stapelfeld, stehen wir mit unserer Wärme parat und liefern kostenlos“, bekräftigt er.