Stapelfeld. Gegen 1 Uhr am Donnerstag erreichte der 68 Tonnen schwere Spezialtransport die MVA Stapelfeld. Wie geht es nun weiter?

In einer Sache sind Projektleiter Felix Ranseder und Morten Holpert, technischer Geschäftsführer von EEW in Stapelfeld, sich einig: „So etwas wie heute erlebt man nicht jeden Tag.“ Gegen 1 Uhr am frühen Donnerstag hat ein Schwertransport mit einer 68 Tonnen schweren Turbine das Gelände erreicht. Sie dient der Energieerzeugung und kommt auf dem Neubau der Müllverbrennungsanlage(MVA) zum Einsatz. Die sogenannte Entnahmekondensationsturbine soll künftig für eine deutlich höhere Energieeffizienz sorgen.

EEW investiert 220 Millionen Euro in neue Müllverbrennungsanlage

Wie berichtet, investiert der Betreiber EEW Energy from Waste mehr als 220 Millionen Euro in das neue Müllheizkraftwerk (MHKW) und die neue Klärschlamm-Monoverbrennungsanlage (KVA). Im November 2022 wurde offiziell der Grundstein gelegt. Die Bauarbeiten auf der laut Holpert aktuell größten Baustelle Schleswig-Holsteins startete bereits vor etwa zwei Jahren. „2016 begannen wir mit der Planung“, so Holpert. Bis alle notwendigen Beschlüsse gefasst, Kosten ermittelt und Genehmigungen erteilt wurden, vergingen einige Jahre. Auch Corona habe zwischenzeitlich zu Verzögerungen geführt.

Am Donnerstag wurde die Turbine mithilfe eines Krans entladen. 
Am Donnerstag wurde die Turbine mithilfe eines Krans entladen.  © Manfred Musfeldt | Manfred Musfeldt

Die Turbine wurde am Produktionsstandort von Siemens Energy im tschechischen Brünn gebaut und machte sich von dort aus am Montag, 6. März, jeweils nachts von 6 bis 22 Uhr auf den Weg nach Stormarn. „Die erste Etappe führte von Brünn nach Magdeburg, die zweite von Magdeburg nach Seevetal und die dritte von Seevetal nach Stormarn“, so Holpert. Mehr als 800 Kilometer legte die Turbine unter Polizeibegleitung und mithilfe von etwa einem Dutzend Menschen zurück. Ausgeführt wurde der Schwertransport vom Hamburger Frachtspeditionsdienst Trans-Trading.

Der Schwertransport vom tschechischen Brünn bis nach Stapelfeld lief nach Plan

„Es lief alles nach Plan“, sagt Felix Ranseder. Wegen behördlicher Angelegenheiten hatte sich der Transport ungefähr um eine Woche verzögert. Weil sich auf dem Weg zahlreiche Brücken befinden, habe der Transport einige Umwege fahren müssen. „Die führen dann manchmal zum Beispiel mitten durch die Stadt.“ Ansonsten sei man aber rundum zufrieden. Holpert: „Bei so einem aufwendigen Schwertransport kann immer etwas passieren. Insofern sind wir sehr glücklich, dass alles glatt gelaufen ist.“ Im Laufe des Vormittags wurde der Schwertransport mit der Turbine entladen.

Freuen sich, dass alles nach Plan gelaufen ist (v. l.): Felix Ranseder (Projektleiter), Morten Holpert (technischer Geschäftsführer EEW Stapelfeld) und Maurice Joecks (Förderberater der WTSH).
Freuen sich, dass alles nach Plan gelaufen ist (v. l.): Felix Ranseder (Projektleiter), Morten Holpert (technischer Geschäftsführer EEW Stapelfeld) und Maurice Joecks (Förderberater der WTSH). © Juliane Minow

Bis sie zum Einsatz kommt, wird es vermutlich noch ein gutes halbes Jahr dauern. Denn: „Das Bauwerk, dass die Turbine aufnehmen wird, ist noch nicht fertig“, so Holpert. Die Ukrainekrise habe auch die Bauarbeiten in Stapelfeld „durchgerüttelt“ und zu Verzögerungen geführt. Bis der Betrieb losgehen kann, fehlt außerdem noch ein weiteres Teil: „Zu einem Turbinensatz gehört neben der Turbine auch der Generator“, sagt Ranseder. Dessen Ankunft ist für Ende März geplant.

Bis zu 350.000 Tonnen Abfall werden jährlich in Stapelfeld verbrannt

Bis zu 350.000 Tonnen Abfall werden pro Jahr in der Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld verbrannt. Dieser besteht zu etwa 90 Prozent aus Restmüll und kommt aus den Kreises Stormarn, Herzogtum-Lauenburg, Segeberg und der Stadt Hamburg. „Die neue Anlage wird bei gleichem Input mehr als doppelt so viel Strom und Fernwärme erzeugen wie die jetzige“, so Holpert. Konkret erhöhe sich der Gesamtnutzungsgrad auf etwa 60 Prozent. Die erzeugte Strommenge wird verdoppelt und etwa 25 Prozent mehr Fernwärme produziert. Die alte Anlage wurde 1979 eingeweiht und gehört seit 2003 zur EEW-Gruppe. Sie soll nach der Inbetriebnahme des neuen Kraftwerks nach und nach zurückgebaut werden.

Die Baustelle in Stapelfeld ist aktuell die größte in ganz Schleswig-Holstein. 
Die Baustelle in Stapelfeld ist aktuell die größte in ganz Schleswig-Holstein.  © Juliane Minow | Juliane Minow

Turbine und Generator kosten zusammen etwa 6,5 Millionen Euro. Weil die neue Anlage so energieeffizient arbeitet und damit einen Beitrag zum Erreichen der Klimaschutzziele leistet, bezuschusst das Land Schleswig-Holstein das Vorhaben. Drei technische Komponenten werden aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) mit bis zu 4,54 Millionen Euro gefördert: die Turbine, der Wasser-Dampf-Kreislauf sowie ein luftgekühlter Kondensator. Schleswig-Holstein will bis 2040 das erste klimaneutrale Industrieland werden.

Mit der Anlieferung der Turbine ist ein weiterer Meilenstein erreicht

„Mit der Anlieferung der Turbine geht das Förderprojekt einen großen Schritt voran“, so Maurice Joecks, Förderberater bei der WTSH (Wirtschaftsförderung und Technologietransfer Schleswig-Holstein GmbH), die im Auftrag des Landes die Förderung gewährt hat. „Wir freuen uns, dass der CO2-Ausstoß in naher Zukunft signifikant reduziert werden kann“, so Joecks weiter. Die Müllverbrennungsanlage in Stapelfeld ist einer von 17 Standorten der EEW-Gruppe in Deutschland und im benachbarten Ausland. Aktuell werden jährlich etwa 229.000 Megawattstunden Fernwärme und 113.000 Megawattstunden Strom erzeugt und 32.000 Haushalte mit Strom versorgt. Künftig sollen es 64.000 sein.

In drei Etappen fuhr der Schwertransport von Brünn über Magdeburg nach Seevetal und kam schließlich in Stapelfeld an.
In drei Etappen fuhr der Schwertransport von Brünn über Magdeburg nach Seevetal und kam schließlich in Stapelfeld an. © Juliane Minow

Bevor es soweit ist, muss auf der Riesenbaustelle aber noch einiges passieren. Doch zunächst einmal atmen Felix Ranseder und Morten Holpert kräftig durch. Immerhin wurde mit der Lieferung des wichtigen Herzstücks für mehr Energieeffizienz ein Meilenstein erreicht. Morten Holpert: „So eine Neuanlage zu errichten und beim Aufbau dabei zu sein, ist schon einzigartig. Wir haben uns lange auf diesen Tag vorbereitet. Deshalb war es toll, alles mitzuerleben.“