Stapelfeld. Kesseltrommel mit dem interessanten Namen soll am Montag montiert werden. Doch etwas trübt die Freude auf der Großbaustelle.

Auf Stormarns größter Baustelle an der Müllverbrennungsanlage (MVA) Stapelfeld steht ein weiterer Meilenstein bevor: Voraussichtlich am Montag, 7. August, hebt ein Kran die 48,5 Tonnen schwere Kesseltrommel in das Müllheizkraftwerk (MHKW) ein – wenn nicht zu viel Wind weht. Die Freude beim Betreiber EEW Energy from Waste, der insgesamt mehr als 220 Millionen Euro investiert, ist allerdings durch eine andere Nachricht etwas getrübt. Die separate Klärschlammverbrennungsanlage (KVA) ist deutlich später einsatzbereit als bisher gehofft.

„Ein wesentlicher Grund ist die Insolvenz des beauftragten Generalunternehmers für die Anlagentechnik, die uns dazu zwingt, nach anderen Partnern zu suchen“, sagt ein Unternehmenssprecher. Im Hinblick auf die vereinbarte Übernahme der Klärschlammverwertung sei der Bau allerdings weiterhin im Zeitplan. Die laufenden Gespräche stimmten die Verantwortlichen zuversichtlich, die Anlage noch 2027 in Betrieb nehmen zu können. Die KVA Stapelfeld ist eines von zwei derartigen Projekten in Schleswig-Holstein. Das andere entsteht in Kiel.

Neubau in Stapelfeld kann Hälfte des Klärschlamms aus Schleswig-Holstein verwerten

Die sogenannte Klärschlamm-Monoverbrennung hat eine Kapazität von bis zu 32.500 Tonnen Trockensubstanz im Jahr, was etwa 135.000 Tonnen Originalsubstanz entspricht. Das ist fast die Hälfte der landesweiten Gesamtmenge. Die Anlage in Stapelfeld ist laut EEW schon jetzt vertraglich bis auf eine für die Kreise Stormarn und Herzogtum Lauenburg zurückgehaltene Reserve vollständig ausgelastet.

In Helmstedt (Niedersachsen) hat die EEW-Gruppe gerade ihre erste Klärschlammverbrennungsanlage eingeweiht.
In Helmstedt (Niedersachsen) hat die EEW-Gruppe gerade ihre erste Klärschlammverbrennungsanlage eingeweiht. © EEW Energy from Waste

Im Helmstedt hat die EEW-Gruppe, die mit 17 Standorten zu den Branchenführern in Europa zählt, gerade die erste Klärschlammverwertungsanlage Niedersachsens feierlich eingeweiht. Sie ist sogar für 160.000 Tonnen Originalsubstanz ausgelegt, was in dem Agrarland lediglich ein Fünftel des anfallenden Klärschlamms ausmacht.

EEW hat ein KVA-Referenzmodell entwickelt, das allen Bauvorhaben zugrunde liegt. „Es lebt allerdings von den Erfahrungen während Planung, Bau und Inbetriebnahme einer Anlage, sodass es sich ständig weiterentwickelt und verbessert wird“, sagt der Firmensprecher. Die Verfahrenstechnik sei in allen Anlagen weitgehend identisch.

Aus der Verbrennungsasche wird der knappe Rohstoff Phosphor recycelt

Der Klärschlamm wird in Qualitäten zwischen 24 und 95 Prozent Trockensubstanzgehalt angeliefert und in einem Wirbelschichtofen bei 850 Grad Celsius verbrannt. Bei einem Wert von unter 43 Prozent muss die Masse zunächst getrocknet werden. Dafür kann die Energie aus dem neu errichteten Müllheizkraftwerk genutzt werden. Das führe zu erheblichen Synergieeffekten und damit auch Kostenvorteilen für die entsorgungspflichtigen Kommunen. In der KVA Stapelfeld wird zudem ein zusätzlicher Gewebefilter – ein sogenannter „Polizeifilter“ – eingesetzt. Dieser wird aktiv, wenn vorgeschaltete Systeme eingeschränkt arbeiten.

Aus der Verbrennungsasche wird der knappe Rohstoff Phosphor zurückgewonnen. Das ist ab 2029 für größere Städte und ab 2032 auch für kleinere Klärwerke gesetzlich vorgeschrieben. Phosphor wird als Dünger in der Landwirtschaft eingesetzt. Statt der vom Gesetzgeber geforderten Quote von 80 Prozent Rückgewinnung hat sich EEW sogar 90 Prozent zum Ziel gesetzt. Bisher landet der mit Schwermetallen, Arzneimittelrückständen und Mikroplastik belastete Schlamm größtenteils ungefiltert auf den Feldern.

Die Kesseltrommel wird traditionell nach Mitarbeitern benannt

Wie genau das Phosphorrecycling technisch vonstatten geht, soll bis zur Inbetriebnahme der KVA Stapelfeld im Jahr 2027 geklärt sein. Ein Mitte 2021 gestartetes Pilotprojekt im nur wenige Kilometer von Helmstedt entfernten Haldensleben (Sachsen-Anhalt) hatte im Zuge der Energiekrise im Sommer 2022 Insolvenz anmelden müssen. Es habe sich aber gezeigt, dass das Verfahren funktioniere. „Jetzt werden auf allen Seiten tragfähige Lösungen für das Recycling im industriellen Maßstab gesucht“, so der EEW-Sprecher. Für die Überbrückungsphase werden die Aschen aus Helmstedt so deponiert, dass sie weiterhin für das Recycling zur Verfügung stehen.

Der Stapelfelder Neubau-Projektleiter Felix Ranseder sagt: „Die Kesseltrommel ,Anke’ hängt bis zu acht Stunden am Kran.“
Der Stapelfelder Neubau-Projektleiter Felix Ranseder sagt: „Die Kesseltrommel ,Anke’ hängt bis zu acht Stunden am Kran.“ © Harald Klix

Weitgehend planmäßig schreitet in Stapelfeld dagegen der Bau der neuen Müllverbrennung voran. Mit einer thermischen Leistung von 120 Megawatt entsteht dort der größte Kessel der EEW-Gruppe. Die 48,5 Tonnen schwere Trommel, die am kommenden Montag eingesetzt werden soll, ist 19 Meter lang und hat einen Durchmesser von rund 2,50 Meter. Traditionell wird sie nach einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin benannt: Die Wahl ist auf „Anke“ gefallen.

Das riesige Spezialteil hängt bis zu acht Stunden am Kran

Montiert wird sie auf einer Höhe von rund 44 Metern. Dafür muss der 700-Tonnen-Kran das riesige Spezialteil, das das Wasser-Dampf-Gemisch im Kreislauf wieder in Wasser und Dampf trennt, zunächst auf 55 bis 65 Meter heben. Da die Trommel nicht im Stahlgerüst aufgelegt wird, muss sie vollständig mit den Fallrohren verschweißt werden. „,Anke’ hängt somit bis zu acht Stunden am Haken des Krans“, sagt Projektleiter Felix Ranseder.

Wenn alles planmäßig läuft, soll der neue Ofen Ende 2024 in Betrieb gehen und anschließend die alte, aus dem Jahr 1979 stammende „Mülle“ ersetzen. Bislang werden mehrere Tausend Haushalts- und viele Industriekunden in Hamburg-Ost mit Wärme aus einem Blockheizkraftwerk, das auf Erdgas-Basis läuft, sowie mit Abwärme aus der Müllverbrennungsanlage Stapelfeld versorgt. Künftig kommt die Energie aus dem modernen Ersatzneubau.

Der neue CEO von EEW war zum Antrittsbesuch in Stapelfeld

„Dank deutlich verbesserter Energieeffizienz werden wir bei gleichbleibendem Abfalleinsatz von bis zu 350.000 Tonnen pro Jahr das Fernwärmeangebot um mehr als 60 Prozent auf bis zu 400.000 Megawattstunden erhöhen können“, sagt Morten Holpert, Technischer Geschäftsführer von EEW Stapelfeld. Rechnerisch reiche diese Menge aus, um mehr als 50.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen. Dank dieses Potenzials kann HanseWerk Natur den Erdgaseinsatz im sogenannten Verbundnetz Ost reduzieren.

„Grüne Abwärme wird fossiles Erdgas als Energieträger für die Fernwärmeerzeugung immer weiter zurückdrängen“, sagte Timo Poppe, Vorsitzender der Geschäftsführung von EEW Energy from Waste, in dieser Woche bei seinem Antrittsbesuch in Stapelfeld. Anfang Juli hatte Poppe den CEO-Posten von Bernard M. Kemper übernommen, der im Laufe des Jahres neuer Aufsichtsratsvorsitzender wird.

Klärschlamm bestehe zu fast 100 Prozent aus Biomasse, daraus gewonnene Energie gelte dementsprechend als grüne Energie. „Mit unserer Klärschlammverwertungsanlage in Stapelfeld werden wir einen weiteren Beitrag für mehr grüne Fernwärme in Hamburgs Nordosten leisten“, so Timo Poppe. Er ist überzeugt: „Industrielle Abwärme aus der energetischen Verwertung eines erneuerbaren Energieträgers wie Klärschlamm bietet den größten Hebel für die Dekarbonisierung von Wärmenetzen und die Wärmewende im Allgemeinen.“

Virtueller Rundgang durch die Klärschlammverbrennungsanlage Helmstedt mit Erklärungen der einzelnen Stationen: www.eew-energyfromwaste.com/de/standorte/rundgang-und-ar/rundgang/Baustellenkamera Stapelfeld:www.devisubox.com/dv/dv.php5?pgl=Project/interface&sRef=3QGGRKWE2&nStartingSite=K33YOVCCW&sStartingImage=3ixqEgggGGyhMz3E0UU_KWS-iG8%3D