Oststeinbek. Ursprünglich sollte nur die Decke erneuert werden. Mittlerweile ist klar: Das reicht bei Weitem nicht. Die Folgen sind weitreichend.
Es klingt widersprüchlich: Der Abschnitt der Möllner Landstraße (Landesstraße 94) in Oststeinbek zwischen Stormarnstraße und der Landesgrenze zu Hamburg wird nicht vor 2027 saniert – weil er zu kaputt ist. Wie eine Sprecherin des zuständigen Landesbetriebes Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilt, wurde die Maßnahme erneut verschoben. 2021 hieß es, eine Sanierung werde frühestens 2023 passieren. Nun steht fest: Sie ist auch in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.
Eigentlich ist die Erneuerung des Abschnitts seit längerer Zeit vorgesehen. Ursprünglich sollte es im Juli 2021 soweit sein. Damals hieß es, man verschiebe die Arbeiten auf 2022, damit es nicht zu einer Überschneidung mit Arbeiten an der Bergedorfer Straße (Bundesstraße 5) komme. Die liegen ebenfalls hinter dem Zeitplan, dauern aktuell noch an.
Straße wird erst mal nicht saniert – weil sie zu kaputt ist
Die Erneuerung der Brücke auf der B5 im Bereich Boberg über die AKN-Gleise endete nicht wie geplant im November. Wegen eines Planungsfehlers werden die Arbeiten wohl bis zum Frühjahr dauern. Bekanntermaßen wurde nichts daraus, dass die Sanierung der L 94 2022 begann – und nun ist auch 2023 verstrichen, ohne dass der Abschnitt angefasst wurde. Und: Die Sanierung der B5 scheint wohl nur ein nebensächlicher Grund zu sein.
Anders als noch in 2018 geplant, müsse die L94 in Oststeinbek von Grund auf erneuert werden, so die LBV.SH-Sprecherin. Ursprünglich war man von einer bloßen Deckensanierung ausgegangen. Mittlerweile ist klar: Das wird bei Weitem nicht ausreichen. Man muss viel tiefer gehen. Das wiederum lässt die Kosten für die Bauarbeiten explodieren.
Sanierung der Straße ist viel aufwendiger als gedacht
„Eine belastbare Ermittlung des Investitionsvolumens wird sich erst im Ergebnis der konkreten Planung der Maßnahme ergeben. Nach Erfahrungswerten wird der Bedarf für die Straße bei etwa fünf bis sechs Millionen Euro liegen“, sagte die Sprecherin gegenüber unserer Redaktion Anfang 2023.
Dazu komme eine unbekannte Summe unter anderem für Trinkwasserleitungen und die Kanalisation. Das gesamte Asphaltpaket inklusive Deck-, Binder- und Tragschicht muss angefasst werden. Seinerzeit ging die Behörde vom Austausch der Schichten von bis zu 70 Zentimeter Stärke aus.
Die Dringlichkeit der Bauarbeiten wurde neu bewertet
Viel passiert ist in der Sache seitdem offenbar nicht. „Die Landesregierung hat im Frühjahr 2023 die Fortschreibung der Landesstraßenstrategie beschlossen und dabei die notwendigen Sanierungsmaßnahmen neu priorisiert“, sagt die Sprecherin jetzt. Die Erkenntnis, dass die Sanierung des Streckenabschnitts der L94 aufwendiger ist als gedacht, habe dazu geführt, dass die zeitliche Dringlichkeit der Maßnahme neu bewertet worden sei.
Doch wer auf die Idee kommt, der schlechte Zustand sei ein Grund dafür, dass die Maßnahme in der Dringlichkeit nach vorne rückt und zeitnah angegangen wird, der irrt. „Die Maßnahme konnte im Erhaltungsprogramm Landesstraßen erst nach 2027 eingeplant werden“, so die Sprecherin weiter.
Sprecherin erklärt, warum schlechte Straßen zuletzt saniert werden
„Auf Basis einer neuen landesweiten Zustandserfassung und –bewertung, die für 2025 geplant ist, sollen dann in 2026/27 die Erhaltungsprioritäten erneut fortgeschrieben werden.“ Vor diesem Hintergrund sei auch die Bauvorbereitung der Sanierung der L94 bislang nicht weiter forciert worden. Mit anderen Worten: Erst einmal wird dort nichts passieren.
„Es mag – wenn man sich nur eine einzelne Straßenerhaltungsmaßnahme ansieht – auf den ersten Blick widersprüchlich sein, warum es sinnvoll ist, eine Straße, die eine erhebliche Schädigung aufweist, jetzt noch nicht zu sanieren“, so die LBV.SH-Sprecherin. „Besonders dann, wenn Maßnahmen an anderen Straßen durchgeführt werden, die noch nicht dieses Schadensausmaß aufweisen.“
Aktuell gibt es im gesamten Bundesland einen erheblichen Sanierungsstau
Dennoch gebe es dafür eine Erklärung: „Vorrangiges Ziel eines auf Nachhaltigkeit zielenden Erhaltungsmanagements im Bereich der Landesstraßen ist die Optimierung der Lebenszykluskosten, das heißt die Erreichung einer möglichst langen Nutzungsdauer der baulichen Anlage bei möglichst geringem Mitteleinsatz.“
Ein wichtiges Instrument einer nachhaltigen Sanierung sei das rechtzeitige Eingreifen. Gerade das sei in den vergangenen 20 Jahren vor Beginn der Landessstraßenstrategie aber stark vernachlässigt worden, „sodass sich ein Sanierungsstau im ganzen Bundesland ausgeweitet hat, der trotz massiver Anstrengungen den vergangenen Jahren noch nicht behoben werden konnte“, sagt die Sprecherin.
2019 hatte die in vier Phasen gegliederte Straßenerneuerung begonnen
Folge zahlreicher maroder Straßen im Land durch den jahrzehntelangen Sanierungsstau sei, dass vor Ort nicht immer die schlechteste Straße zuerst saniert werden könne. „Denn: Sind die Schäden bereits weit über den gesamten Straßenaufbau fortgeschritten, wird eine vollständige Erneuerung der Straßensubstanz erforderlich, welche viel umfangreicher ist, viel länger dauert und viel kostenintensiver ist. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es zielführend, dass diese unter Berücksichtigung der Restnutzungsdauer möglichst spät erfolgt“, so die Sprecherin.
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Im April 2019 hatte von Glinde Richtung Oststeinbek die in vier Phasen gegliederte Straßenerneuerung begonnen. Der erste Abschnitt erstreckte sich über 1,8 Kilometer von der Kreisstraße 80 bis Oher Weg, der zweite über rund einen Kilometer bis zum Papendieker Redder und der dritte von dort über 1780 Meter bis zur Stormarnstraße in Oststeinbek.
Von der dortigen Kreuzung aus gelangt man zur Feuerwehrwache und in den Ortsteil Havighorst. Unter anderem wurden Radwege neu gestaltet. Auf dem letzten verbleibenden Teilstück der L94 zwischen Stormarnstraße und Hamburger Landesgrenze sind werktags bis zu 22.500 Fahrzeuge unterwegs. Wann dort indes die Bagger anrollen und Autos wieder über frischen Asphalt rollen werden, steht aktuell noch völlig in den Sternen.