Bad Oldesloe. Der Kreis schmückt sich mit einer besonders guten CO2-Bilanz. Bundesweite Zahlen zeigen ein ganz anderes Bild. Ein Erklärungsversuch.
Ist Stormarn Klimaschutz-Primus oder Schlusslicht in Sachen CO2-Bilanz? Es sind Zahlen, die auf den ersten Blick für Verwirrung sorgen – und auch in der jüngsten Kreistagssitzung für Gesprächsstoff gesorgt haben. Laut dem aktuellen Klimaschutzbericht des Kreises hat Stormarn den CO₂-Ausstoß seit 1990 um knapp 20 Prozent gesenkt. 2021 lagen die CO₂-Emissionen pro Kopf in Stormarn laut Bericht bei 9,8 Tonnen.
So weit, so gut. Doch ein Blick auf Zahlen in Gesamtdeutschland lassen die Vermutung zu, dass Stormarn im Vergleich womöglich doch gar nicht so gut dasteht: Laut Bundesumweltamt nämlich ist der CO₂-Ausstoß deutschlandweit seit 1990 um 40 Prozent zurückgegangen. Die Emissionen pro Kopf lagen 2021 bei 9,1 Tonnen, also auch unter dem Wert in Stormarn.
Umweltschutz: Ministerin Steffi Lemke zeigte sich beeindruckt von Stormarn
Wie kann das sein in einem Kreis, der sich selbst damit schmückt, in Sachen Klimaschutz besonders engagiert zu sein? Zuletzt äußerte sich Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bei einem Besuch im September beeindruckt von Stormarn. Seit 1995 setzt sich der Kreis aktiv für das Thema ein, war seinerzeit Pionier auf dem Gebiet. 1996 ging im Kreis das erste Klimaschutzprogramm an den Start, das 2023 zum vierten Mal fortgeschrieben wurde. Im selben Jahr wurde in Stormarn die erste Klimaschutzmanagerin Schleswig-Holsteins eingestellt.
Drei kreiseigene Klimaschutzmanager kümmern sich heute um die Umsetzung der festgelegten Ziele. Als erster Landkreis Deutschlands hat Stormarn Anfang des Jahres eine Klimaanpassungsmanagerin eingestellt, die dafür sorgen soll, dass der Kreis mit den unaufhaltbaren Folgen des Klimawandels möglichst gut umgehen kann. Laut Klimaschutzprogramm strebt der Kreis verwaltungsintern eine klimaneutrale Energieversorgung bis 2035 und klimaneutrale Gebäude bis 2040 an.
Kreis Stormarn setzt zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen um
Wie im Bericht nachzulesen ist, werden zahlreiche Maßnahmen aktuell umgesetzt oder befinden sich in Planung. Dazu zählt etwa die Ausstattung von kreiseigenen Gebäuden mit Photovoltaikanlagen. Neubauprojekte wie die neue Rettungsleitstelle in Bad Oldesloe werden nach höchsten energetischen Standards umgesetzt. Der Neubau wird mit erneuerbarer Wärme über Erdwärme und Wärmepumpe versorgt.
Ferner wird der Fuhrpark des Kreises auf E-Autos umgestellt, die Ladeinfrastruktur für Elektroautos ausgebaut, der Radverkehr gefördert – die Liste kleinerer und größerer Maßnahmen ist lang. Wie kommen also die Zahlen zustande? Sorgen womöglich die vier viel befahrenen Autobahnen im Kreis für einen erhöhten CO₂-Ausstoß, sind es Industrie, Landwirtschaft, oder ist es etwas ganz anderes?
Klimaschutzmanagerin klärt auf, wie die Zahlen zustande kommen
Bei Stormarns Klimaschutzmanagerin Anne Munzel nachgefragt, hat diese eine Erklärung dafür: nämlich schlicht unterschiedliche Berechnungsmethoden. „Grundsätzlich dienen Treibhausgas-Bilanzierungen dazu, einen Überblick über Energieverbräuche und Treibhausgas-Emissionen nach verschiedenen Sektoren, zum Beispiel private Haushalte und Industrie, und Energieträgern, zum Beispiel Öl, Strom und Gas, zu schaffen“ so Munzel. „Für die kommunale CO₂-Bilanzierung gibt es aktuell noch keine standardisierte, einheitliche Systematik.“
Die Daten der Emissionsentwicklung vom Bundesumweltamt basieren laut Munzel auf einer Bilanzierungsmethode unter anderem ohne Kohlendioxid-Emissionen aus Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft. Als Landnutzung wird die Art der Inanspruchnahme von Böden und Landflächen durch den Menschen bezeichnet, darunter fällt auch die Landwirtschaft. Eine Landnutzungsänderung bezeichnet den Vorgang der Umnutzung einer Fläche. Dadurch können im Boden gespeicherte Stoffe, zum Beispiel Kohlenstoff als Kohlendioxid, in die Atmosphäre entweichen.
Mehrheit der Kreistagsabgeordneten lobt den Klimaschutzbericht
Munzel: „Für Städte und Gemeinden sowie Kreise des Landes Schleswig-Holstein steht die Software Klima-Navi für die Energie- und Treibhausgasbilanzierung zur Verfügung.“ In der Bilanz für den Kreis Stormarn seien Emissionen durch Landwirtschaft – im Unterschied zur bundesweiten Bilanz – mit berücksichtigt worden. Unter anderem aus diesem Grund seien die Zahlen nicht miteinander vergleichbar. Das sei aber auch nicht das Ziel, sagt die Klimaschutzmanagerin: „Treibhausgas-Bilanzen auf kommunaler Ebene dienen vor allem dem eigenen Benchmarking, nicht unbedingt für den Vergleich.“ Damit ist die Verbesserung der CO₂-Bilanz in Stormarn im Laufe der Zeit gemeint.
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Die Mitglieder des Kreistages äußerten sich überwiegend positiv über den Klimaschutzbericht. Laut dem Vorsitzenden des Umweltausschusses, Gerold Rahmann (Grüne), motiviere der Bericht zum Weitermachen. Bei seinen eigenen Liegenschaften sei der Kreis bereits vorbildlich. Wolfgang Gerstand (CDU) nannte den Klimaschutz eine „bemerkenswerte Vorlage“ und dankte namentlich der langjährigen Klimaschutzmanagerin Isa Reher für ihr Wissen und ihre Beharrlichkeit. In den 90er-Jahren sei das Thema Klimaschutz oft noch nicht ernst genommen worden. Gerstand: „Heute ist es nicht mehr wegzudenken.“
Auch Marion Meyer (SPD) dankte den für Klimaschutz zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ihre gute Arbeit. Bernd Uwe Rasch (FDP) hob die Bedeutung der Anpassung an die Klimafolgen hervor. Denn, so der Kreistagsabgeordnete weiter: „Ich glaube, 1,5 Grad schaffen wir nicht mehr. Dessen müssen wir uns bewusst sein.“