Lütjensee. Was Steffi Lemke ins Gästehaus des Kreisjugendrings Stormarn geführt hat. Und welche Rolle die Klimaanpassung dabei spielt.

Das Ambiente dürfte der Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) bei ihrem Besuch in der schleswig-holsteinischen Provinz schon mal gefallen haben: Saftige Wiesen, gepflügte Äcker und dazwischen ein blau schimmernder See. Rund um das Gästehaus des Kreisjugendrings am Lütjensee scheinen der Klimawandel und seine Folgen weit weg zu sein. Dabei steht das Thema in der Kreisverwaltung wie in der Kreispolitik ganz weit oben auf der Agenda. Beredter Ausdruck dessen ist etwa, dass Stormarn als erster Flächenkreis bundesweit bereits im Oktober vergangenen Jahres eine Klimaanpassungsmanagerin berufen hat: Sarah Hartwig. Und genau die wollte die Ministerin aus Berlin jetzt unbedingt treffen.

Klimakrise hinterlässt immer deutlichere Spuren

„Extremwetter, Hitze und Trockenheit – die Klimakrise hinterlässt immer stärkere Spuren. Deshalb hat mich natürlich interessiert, wie in verschiedenen Regionen damit umgegangen wird und welche konkreten Maßnahmen ergriffen werden, um gegenzusteuern“, so die Ministerin. Es gehe längst nicht mehr nur um Klimaschutz, sondern um Klimaanpassung.

Stormarns Klimaanpassungsmanagerin Sarah Hartwig (l.) erläutert Steffi Lemke die Entstehung des Stormarner Klimaanpassungskonzepts.
Stormarns Klimaanpassungsmanagerin Sarah Hartwig (l.) erläutert Steffi Lemke die Entstehung des Stormarner Klimaanpassungskonzepts. © HA | Lutz Kastendieck

Genau darum soll sich Sarah Hartwig, die 28 Jahre alte Vorreiterin unter Deutschlands Klimaanpassungsmanagern, in den kommenden Jahren intensiv kümmern. Seit vielen Jahren an der Grenze zum Kreis lebend, kannte sich die Hamburgerin aus Bergstedt mit Stormarn schon bestens aus, bevor sie im Oktober 2022 ihren Job in der Kreisverwaltung in Bad Oldesloe angetreten hat.

Managerin ist Master of Science in Climate Change

„Natürlich habe ich Stormarn zuvor eher durch Freizeitaktivitäten wie Rad- und Shoppingtouren oder das Baden im Bredenbeker Teich kennengelernt“, räumt sie freimütig ein. Inzwischen sei sie aber auch über die vielen klimabedingten Herausforderungen des Kreises bestens im Bilde.

„Da haben wir in den nächsten Jahren viel anzupacken, um eine bestmögliche Anpassung an den Klimawandel und wirksame Maßnahmen hinzubekommen“, so die junge Frau, die erst in Kiel Geografie studierte und dann in Kopenhagen ihren Master of Science in Climate Change nachschob.

Heidekamper Wohld und Höltigbaum sind Hotspots

In den ersten Monaten ihres Wirkens sei es aber erst einmal um „eine intensive Analyse der Verwundbarkeit“ gegangen. Dazu seien nicht nur verschiedene Datenquellen ausgewertet worden, es habe zudem eine Onlineumfrage unter den Bürgern des Kreises gegeben, an der sich mehr als 440 Personen beteiligten.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (l.) im Gespräch mit Sarah Hartwig (2.v.r.) und Landrat Henning Görtz.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (l.) im Gespräch mit Sarah Hartwig (2.v.r.) und Landrat Henning Görtz. © HA | Lutz Kastendieck

Daraus entstanden etwa eine Hitzegefahrenkarte, die vor allem Stormarns Städte als besonders gefährdet ausweist, und eine Karte der buchstäblichen Hotspots in Wäldern, Mooren und Grünflächen, in der unter anderen das Waldgebiet Heidekamper Wohld nördlich von Reinfeld, das Naturschutzgebiet Höltigbaum und die städtische Vegetation in Reinbek ganz im Süden herausstechen.

14 Handlungsfelder in sechs großen Clustern definiert

„Im Zuge unserer Erhebungen haben sich 14 Handlungsfelder in sechs großen Clustern ergeben“, berichtete Hartwig der Ministerin. Zu den umfangreichsten zählen landbezogene Handlungsfelder wie Land- und Forstwirtschaft, Boden und Moore und das Infrastruktur-Cluster mit Bauwesen, Verkehr und Energiewirtschaft. Betrachtet worden sind aber auch das Wassermanagement, Industrie und Gewerbe, der Tourismus, der Gesundheitsschutz sowie die Regional- und Bauleitplanung.

„Aus all dem wird nun bis zum ersten Quartal 2024 ein konkretes Klimaanpassungskonzept entstehen, das all diese Facetten aufnimmt und eine Priorisierung konkreter Maßnahmen ableitet, verbunden mit konkreten Zuständigkeiten“, erläutert Hartwig. Es gehe um eine Steigerung der Resilienz gegenüber Klimawandelfolgen, um Synergien zwischen verschiedenen Fachbereichen, um Handlungsempfehlungen für die Kommunen, aber auch um eine stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung.

Feuerwehren des Kreises wurden taktisch neu aufgestellt

Allerdings ist längst nicht alles nur graue Theorie. Der Kreis hat sich schon auf den Weg gemacht und kann bereits auf einige Best-Practice-Beispiele verweisen. Dazu gehören etwa die Sanierungsmaßnahmen am Haus St. Ansgar im Kloster Nütschau in Travenbrück und die Schaffung einer Retentionsfläche durch Wiedervernässung in der Wolkenweher Niederung nordwestlich von Bad Oldesloe.

Landrat Henning Görts auf dem E-Bike des Jugendgästehauses.
Landrat Henning Görts auf dem E-Bike des Jugendgästehauses. © HA | Lutz Kastendieck

Ein weiteres Beispiel nannte Landrat Henning Görtz. „Nach gehäuften Starkregenereignissen im Kreisgebiet mit heftigen Überschwemmungen wurde ein technischer Zug aus Feuerwehrkräften gebildet. Er wurde mit spezieller Pumpentechnik ausgerüstet, um bei besonderen Einsatzlagen schneller und effizienter reagieren zu können“, so Görtz. Außerdem seien die Feuerwehren taktisch anders aufgestellt worden, indem Notrufe jetzt an zehn dezentrale Meldestellen weitergeleitet würden, was sich bewährt habe.

Zeltlager durch 18 Holzhütten mit Gründächern ersetzt

Bei ihrem Besuch am Lütjensee konnte die Bundesumweltministerin ein erfolgreiches Klimaanpassungsprojekt sogar direkt in Augenschein nehmen. Das Hüttencamp am Gästehaus des Kreisjugendrings (KJR) war bis 2015 als reines Zeltlager betrieben worden. „Durch viele Linden und deren klebrigen Honigtau mussten die Zelte alle drei Jahre ausgetauscht werden, obwohl sie normalerweise eine Lebensdauern von bis zu 20 Jahren haben. Das war natürlich nicht sehr nachhaltig“, berichtet KJR-Geschäftsführer Uwe Sommer.

An gleicher Stelle stehen heute 18 Holzhütten mit je acht Schlafplätzen und Gründächern, die für ein ganz anderes Raumklima sorgen. Die Wege dazwischen sind zwar befestigt, aber nicht versiegelt und damit regendurchlässig. „Und das 5000 Quadratmeter große Gelände rundherum ist naturbelassen, gefällte Bäume bleiben liegen“, sagt Sommer.

Auch sonst gilt das Areal als mustergültig. Sprudelautomaten statt Glasflaschen, eine Grauwasseranlage, ein Blockheizkraftwerk und ein nagelneues E-Bike komplettieren die Ausstattung des energiesparenden Selbstversorgercamps.

Ministerin Steffi Lemke zeigte sich beeindruckt von den Anstrengungen und den ersten positiven Ergebnissen im Kreis Stormarn. „Die Auswirkungen des Klimawandels sind in jedem Ort unterschiedlich. Daher braucht es passgenaue Konzepte“, sagte die Umweltministerin. Klimaanpassungsmanager könnten die Folgen der Erderwärmung sicher nicht verhindern. Jedoch entscheidend dazu beitragen, die Risiken deutlich zu verringern.