Grande. An B404 werden künftig zwei Anlagen direkt nebeneinander betrieben. Notwendig macht‘s das Grundgesetz. Das sagt der Bund der Steuerzahler.
Die kleine Gemeinde Grande bei Trittau: Der Ort an der Bundesstraße 404 ist Sitz der Straßenmeisterei mit Zuständigkeit unter anderem für die schleswig-holsteinischen Abschnitte der Autobahnen 24 und 25. Von Grande aus rücken die Mitarbeiter für kleinere Reparaturarbeiten aus und während der kalten Monate zum Winterdienst.
Im kommenden Jahr bekommen die Frauen und Männer in Orange eine Baustelle direkt vor der Haustür: Auf dem Nachbargrundstück an der Möllner Landstraße wird für 23 Millionen Euro eine neue Straßenmeisterei errichtet. Sämtliche Gebäude entstehen dort noch einmal – allerdings nicht, um die derzeitige Anlage zu ersetzen.
In Grande entsteht eine zweite Straßenmeisterei direkt neben der alten
Künftig wird es in Grande zwei Straßenmeistereien geben, die zwar dasselbe machen, aber strikt getrennt nebeneinanderher arbeiten. Was wie Steuerverschwendung klingt, hat einen komplexen rechtlichen Hintergrund. Dieser findet sich im Grundgesetz und hat mit dem deutschen Föderalismus und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern zu tun.
„Die Notwendigkeit des Neubaus geht auf die 2017 im Rahmen der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den Ländern beschlossene umfassende Reform der Bundesfernstraßenverwaltung zurück“, sagt Frank Quirmbach, Direktor des Landesbetriebs Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV). Mit der Reform ging die Zuständigkeit für die Unterhaltung der Autobahnen von den Ländern an den Bund über.
GmbH des Bundes übernahm 2021 Zuständigkeit für die Autobahnen
Eine zu diesem Zweck neu gegründete Gesellschaft, die Autobahn GmbH des Bundes, hat zum 1. Januar 2021 den Betrieb aufgenommen und verantwortet seit diesem Zeitpunkt die Autobahnen und die zugehörigen Straßenmeistereien in Schleswig-Holstein. Die Zuständigkeit für die Bundesstraßen hingegen ist beim Land und damit dem LBV geblieben.
Das Problem: Die „Autobahn- und Straßenmeisterei Grande“, so der offizielle Name in der Vergangenheit, war bislang eine sogenannte Mischmeisterei, zuständig sowohl für die Autobahnen als auch für die Bundes-, Landes- und die ihr zum Teil übertragenen Kreisstraßen.
Standort kann aus rechtlichen Gründen nicht gemeinsam genutzt werden
Den Standort weiterhin gemeinsam zu nutzen, sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich, erklärt Susan Sommerburg, Sprecherin der Autobahn GmbH. „Das Auflösen der Mischmeistereien erfolgt auf Grundlage des Grundgesetzes. Dieses fordert eine klare Trennung der Verwaltungen des Bundes und der Länder“, sagt sie. Auch der Bundesrechnungshof mahne regelmäßig eine konsequente Trennung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten an.
„Die Grundstücke, auf denen sich die Mischmeistereien befanden, sind im Eigentum des Bundes“, ergänzt LBV-Direktor Quirmbach. „Daher mussten die Straßenmeistereien des Landes ausziehen.“ So wurde aus der „Autobahn- und Straßenmeisterei Grande“ die „Autobahnmeisterei Grande“.
Neubau soll auf 51.100 Quadratmeter großem Nachbargrundstück entstehen
Übergangsweise ist die Straßenmeisterei derzeit in einem ehemaligen Wohngebäude auf dem Gelände der Autobahnmeisterei untergebracht, welches das Land angemietet hat. Außerdem wurden Container für die Mitarbeiter aufgestellt. Die Fahrzeuge und Geräte der Straßenmeisterei stehen weiterhin in den Gebäuden der Autobahnmeisterei, auch die Streustofflagerhalle nutzen beide Betriebe derzeit gemeinsam. Es handele sich um eine befristete Lösung, die aufgrund einer Kooperationsvereinbarung mit der Autobahn GmbH möglich sei, so Quirmbach.
Die neue Straßenmeisterei soll auf dem etwa 51.100 Quadratmeter großen Grundstück nordöstlich des derzeitigen Standortes an der Gemeindegrenze zu Trittau entstehen. Den Standort direkt neben der Autobahnmeisterei begründet der LBV-Direktor mit der verkehrsgünstigen Lage. „Da der Standort der ehemaligen Mischmeisterei ideal lag, bot sich ein Neubau in unmittelbarer Umgebung an“, sagt er.
Baubeginn für die neue Meisterei soll im kommenden Jahr sein
Die Pläne für die neue Meisterei sehen ein Betriebsgebäude, eine Streustofflagerhalle nebst Soleanlage, eine Halle für Großfahrzeuge inklusive Werkstatt und Waschhalle, eine Kleinfahrzeughalle, eine Lagerhalle, Lagerboxen sowie Remisen als Unterstellmöglichkeit für Fahrzeuge, Anhänger und größere Geräte vor. Der Baubeginn ist für die zweite Jahreshälfte 2024 geplant. 2026 sollen die Mitarbeiter der Straßenmeisterei auf die neue Anlage umziehen.
Neben der räumlichen Trennung ist mit der Aufspaltung der Mischmeisterei auch eine Neuorganisation der Mitarbeiter notwendig. Bis 2021 konnten die zuletzt 24 Straßenwärter auf sämtlichen Streckenabschnitten eingesetzt werden. Jetzt können sie nur noch für eine der beiden Meistereien tätig sein und wurden vor die Wahl gestellt.
Straßenwärter verdienen bei der Autobahnmeisterei besser
Das hat vor allem für die Straßenmeisterei Folgen, denn der Haustarif ist bei den Autobahnmeistereien besser. Die Autobahn GmbH zahlt im Monat rund 100 Euro mehr. Das hat zur Folge, dass bei der Autobahnmeisterei derzeit 29 Mitarbeiter tätig sind, während bei der Straßenmeisterei nur 16 von 20 Straßenwärter-Stellen besetzt sind.
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Bei der Autobahn GmbH sieht man in der räumlichen Trennung vor allem Vorteile. „Mit Einführung der Autobahnreform saßen zwei Betriebe mit unterschiedlichen Dienstherren und Aufgabengebieten auf dem Gehöft, die sich in den Ausstattungsbedarfen und Anforderungen unterscheiden“, sagt Sprecherin Susan Sommerburg.
Zentrale Bestellvorgänge sollen zu besseren Konditionen führen
So sei etwa der Fuhrpark der Autobahnmeisterei ein anderer als jener der Straßenmeisterei. Auch bei der Ausstattung gebe es Unterschiede. Die Autobahnmeisterei benötige beispielsweise kräftigere Fahrzeuge für breitere Schneepflüge und autobahnspezifische Verkehrsschilder.
Außerdem würden die Meistereien künftig bundesweit einheitlich ausgestattet. „Das hat den Vorteil, dass wir uns im Schadensfall kurzfristig behelfen können, weil Gerät von einem zum andern Standort weitergeben werden kann“, sagt Sommerburg. „Damit vermeiden wir Engpässe und erhöhen die Einsatzbereitschaft der Meistereien.“ Durch zentrale Bestellvorgänge von Materialien und Geräten könnten zudem bessere Konditionen für den Bund und damit die Steuerzahler erwirkt werden.
Neben Grande muss an zwei weiteren Standorten neu gebaut werden
Neben Grande müssen in Schleswig-Holstein noch an zwei weiteren Standorten neue Straßenmeistereien gebaut werden: In Schleswig und in Süsel (Kreis Ostholstein) sind infolge der Auflösung der Mischbetriebe ebenfalls Neubauten geplant. Finanziert werden sie vom Land.
Trotz Millionenkosten findet der Bund der Steuerzahler lobende Worte. Die Aufteilung der Mischmeistereien schaffe mehr finanzielle Transparenz. „Bislang ließ sich nicht nachvollziehen, ob die Bundesmittel, die der LBV für den Unterhalt der Autobahnen erhalten hat, auch wirklich in die Autobahnen geflossen sind“, sagt Rainer Kersten, Landesgeschäftsführer des Vereins in Schleswig-Holstein.
Bund der Steuerzahler hält Vorgehen des Bundes für nachvollziehbar
Es sei nicht überprüfbar gewesen, ob Geld des Bundes nicht auch zur Unterhaltung von Straßen eingesetzt worden sei, für welche eigentlich das Land aufkommen müsse. In der Mehrzahl der Bundesländer habe es aus diesem Grund schon immer getrennte Meistereien gegeben. „De facto hat das Land Schleswig-Holstein auf Kosten des Bundes Geld gespart“, so Kersten. Es sei nachvollziehbar, dass man das in Berlin nicht mehr hinnehmen wolle.