Lauenburg Schwarzenbek Ahrensburg. Aufruf zu weiteren Aktionen von Blockade bis Generalstreik in den sozialen Medien. Doch die Bauernverbände distanzieren sich davon.
Gegen massive Sparmaßnahmen der Bundesregierung gehen Landwirte nicht nur in Berlin auf die Straßen. Gestern behinderten Bauern mit nicht angemeldeten Treckerdemos im Osten Hamburgs den Verkehr auf der Autobahn 1 in Stormarn und der Bundesstraße 207 im Kreis Herzogtum Lauenburg, Sonntag war es die Lauenburger Elbbrücke. Lenkt die Ampelkoalition im Streit um Agrardiesel-Förderung sowie Steuerfreiheit für Mähdrescher, Vollernter und Co. nicht ein, droht ein heißer Winter.
So wird für den 8. Januar auf sozialen Medien bereits zu vielen Aktionen aufgefordert, etwa den Verkehr in Lauenburg zum Erliegen zu bringen. Oder zum bundesweiten Generalstreik aufgerufen beziehungsweise mit gezielten Blockaden, die öffentliche Infrastruktur oder staatliche Stellen längerfristig lahm zu legen. Diverse Posts lassen eine Verbindung der Autoren zur Agrarbranche jedoch bestenfalls erahnen.
Proteste der Landwirte gegen Sparmaßnahmen gegen in eine neue Runde
Die Bauernverbände weisen jede Verantwortung für derartige Aufrufe von sich. Derzeit werde mit den eigenen Mitgliedern, untereinander und mit dem Landesverband gesprochen, wie der Protest auf die Straße gebracht werden soll, heißt es aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg sowie Segeberg. „!m Detail sind noch keine Aktionen geplant. Aber wir sehen, dass sich einiges verselbstständigt“, äußert Peter Koll, Geschäftsführer der Kreisbauernverbände im Herzogtum Lauenburg und Stormarn, sein Unbehagen.
So berechtigt der Ärger aus Sicht der Verbände ist. Proteste und Demos dürfen nicht dazu führen, „dass wir die Bürger gegen uns aufbringen“, mahnt Lennart Butz, Geschäftsführer des Kreisbauernverbandes Segeberg. „Viele Menschen verstehen, dass die Landwirtschaft mit einem Prozent der Erwerbsbevölkerung nicht zehn Prozent aller Einsparungen erbringen kann“, sagt Koll. Man wolle keinesfalls die Bürger mit Aktionen in Geiselhaft nehmen.
Landwirte: Wenn Höfe sterben, steigen die Preisen
Dies gelte umso mehr, als die Politik der Berliner Ampelkoalition auf die gesamte Bevölkerung durchschlagen werde. Landwirt Christian Pehmöller ist überzeugt, dass neben dem deutschen Agrarsektor zum Schluss vor allem die deutschen Verbraucher die Zeche zahlen. „Wenn wir keine Umkehr erreichen, trifft es besonders die bäuerliche Landwirtschaft und die Verbraucher, weil die Preise deutlich steigen werden“, warnt der frühere Bürgermeister von Schnakenbek.
Der Berliner Rotstift „wird besonders die Bio-Landwirte treffen, das Klientel der Grünen, deren Betriebe sind im Durchschnitt deutlich kleiner“, weiß Pehmöller. Kostensteigerungen, die für Agrarfabriken mit mehreren tausend Hektar in Mecklenburg-Vorpommern unter Umständen durchaus verkraftbar seien, gefährdeten die Existenz bäuerliche Betriebe. Mit Blockaden von Einkaufszentren oder Innenstädten in der Weihnachtszeit drohe der breite gesellschaftliche Konsens in Gefahr zu geraten. Butz: „Wir versuchen, die Proteste zu kanalisieren, nicht dass sie völlig aus dem Ruder laufen.“
Bauernpräsident droht: Wir kommen wieder
In Berlin haben Deutschlands Landwirte diese Woche gezeigt, was sie von der Finanzpolitik der Bundesregierung halten. Mit der Treckerdemo vor dem Brandenburger Tor haben die Bauern ein erstes Zeichen gesetzt. Verbunden mit der Mahnung von Bauernpräsident Joachim Rudwiek, lenke die Bundesregierung nicht ein, „kommen wir wieder“.
Lang warten wollen viele Bauern nicht. Gestern sorgten Landwirte aus den Kreisen Stormarn und Herzogtum Lauenburg in den Morgenstunden auf der Autobahn 1 und der Bundesstraße 207 (zwischen Wotersen und Börnsen) mit ihren Traktoren und Ackerschleppern für massive Verkehrsbehinderungen.
Treckerdemo auf der A1 – Polizei ermittelt wegen Nötigung
15 Treckerfahrer starteten gegen 6.30 Uhr im Autobahnkreuz Bargteheide eine Aktion, die ihnen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Nötigung einbringt. Die Teilnehmer fuhren mit ihren Fahrzeugen auf allen drei Richtungsfahrbahnen der A1 extrem langsam Richtung Süden.
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„Mit etwa 10 Kilometern in der Stunde statt der geforderten mindestens 60 km/h bremsten sie für eine runde halbe Stunde den Berufsverkehr Richtung Hamburg aus“, so eine Sprecherin der Polizeidirektion Ratzeburg. Nach Aufforderung der Polizei verließen die Protestierer die A1 an der Abfahrt Ahrensburg. Dort nahmen die Beamten die Personalien auf.
Bauernprotest auf der Bundesstraße 207
Andere Landwirte blockierten zeitweilig die Autobahnauffahrten Ahrensburg, Bargteheide und Bad Oldesloe. Und gaben sie danach in Abstimmung mit der Polizei nach und nach wieder frei. Auch diese Aktion war nicht angemeldet: Gegen die Teilnehmer werden Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet.
„Die meisten Bürger haben auf den Protest bemerkenswert ruhig reagiert, zeigten teils Verständnis“, so Polizeisprecherin Sandra Kilian. Kaum Chancen auszuweichen, hatten gestern viele Autofahrer auf der Bundesstraße 207. Mit gut 50 Traktoren hatten sich Bauern von Wotersen auf den Weg Richtung Börnsen gemacht. Lange Staus waren die Folge. Kilian: „Eine solch lange Kolonne lässt sich kaum überholen.“
Volle Kfz-Steuer für Mähdrescher, Grubber und Co?
Eine derart große Zahl landwirtschaftlicher Fahrzeuge auf öffentlichen Straßen sei die Ausnahme, nicht die Regel, widersprechen Peter Koll und Christian Pehmöller Behauptungen, die beschlossene Kfz-Steuerpflicht sei Ergebnis der Entwicklung, dass immer mehr Agrarfahrzeuge auf öffentlichen Straßen unterwegs seien.
Ein Betrieb bei Reinbek müsste von einem auf das nächste Jahr plötzlich mehrere Tausend Euro Steuern zahlen, so Koll, „dabei fahren die kaum jemals auf einer öffentlichen Straße“. Das kennt auch Pehmöller: „Mein Grubber hat rund 27.000 Kilometer auf der Anzeige, der hat aber noch nie eine öffentliche Straße befahren.“
Politik sollte auf die eigenen Experten hören
Derartige Behauptungen belegen aus seiner Sicht, dass die politisch Verantwortlichen den Erkenntnissen ihrer Fachleute keinen Glauben schenken. Oder nicht zuhören wollen. „Die Experten wissen natürlich, dass dieser Verkehr nicht zugenommen, sondern abgenommen hat.“ Getreide, Kartoffeln und weitere Produkte würden heute in aller Regel nicht mit Traktoren und Anhängern, sondern mit schnelleren Lkw auf der Straße transportiert. Pehmöller: „Und für die wird ganz normal Steuern bezahlt.“