Reinbek. Etwa 40 Männer sollen am Krabbenkamp einziehen: Das gefällt einigen Anwohnern nicht. Emotionen kochen bei Infoveranstaltung hoch.
Sonnabendvormittag, 16. Dezember, der Reinbeker Stadtteil Krabbenkamp: Um 11 Uhr soll die Informationsveranstaltung der Stadt zur geplanten Flüchtlingsunterkunft mit Bürgermeister Björn Warmer und Bürgeramtsleiter Torsten Christ beginnen. Doch bereits rund zehn Minuten zuvor haben sich auf dem Gelände, auf dem bereits seit 2015 Container für Geflüchtete standen, rund 30 Anwohnerinnen und Anwohner versammelt. Etwa 50 Interessierte werden am Ende insgesamt kommen. Nicht alle von ihnen sind von den Plänen in ihrer Siedlung begeistert.
Wie berichtet, wird die Stadt Reinbek an der Straße Krabbenkamp im gleichnamigen Stadtteil zeitnah eine temporäre Flüchtlingsunterkunft errichten. Den entsprechenden Beschluss hat die Reinbeker Politik einstimmig gefasst, nachdem die Verwaltung dies empfohlen hatte. In das Containerdorf sollen 40 alleinreisende Männer größtenteils aus arabischen Ländern einziehen.
Neue Flüchtlingsunterkunft: Einige Anwohner sind nicht begeistert von der Idee
„Ich bin nicht begeistert, dass nur Männer kommen sollen“, sagt eine Frau – eine Aussage, der mehrere Bürgerinnen und Bürger zustimmen. Familien habe er stets als angenehm wahrgenommen, so ein anderer Anwohner. Doch als 2015 ebenfalls geflüchtete Männer im Krabbenkamp gewesen seien, habe er sie als aggressiv wahrgenommen, sie hätten an der Straße herumgelungert und Langweile gehabt. „Muss das so sein?“, wollte er vom Bürgermeister wissen.
Der hat indes zwischendurch Schwierigkeiten, zu Wort zu kommen, kochen doch die Emotionen mitunter hoch. Immer wieder wird es lauter in der Gesprächsrunde, mahnen die Bürgerinnen und Bürger einander an, sich gegenseitig ausreden zu lassen. Die geplante Flüchtlingsunterkunft, so viel wird an diesem Sonnabend deutlich, erhitzt offenbar die Gemüter.
Flüchtlinge in Reinbek: Einigen gefällt nicht, dass ausschließlich Männer einziehen sollen
Sie hätte Angst um die Kinder, sagt eine Frau. Es passiert viel, sagt ein Mann. „Belegen Sie das!“, fordert ein anderer. Unter Befürchtungen und Widerstand mischen sich auch Stimmen von Bürgerinnen und Bürgern, die klipp und klar deutlich machen: Sie haben nichts gegen die Flüchtlinge, die kommen sollen.
Sie habe schon 2015, als ebenfalls geflüchtete Männer am Krabbenkamp wohnten, Kontakt zu ihnen gehabt und nie schlechte Erfahrungen gemacht, berichtet eine Bürgerin. „Meine damals pubertäre Tochter und ihre Freundin sind zu jeder Tages- und Nachtzeit unbeschadet hier vorbeigefahren“, sagt sie. „Wovor genau haben Sie Angst?“, will sie von den Anwohnern wissen.
Geflüchtete unterzubringen: Dazu ist auch Reinbek verpflichtet
„Meine Einschätzung ist, dass diejenigen, die 2015 Kontakt zu den Geflüchteten hatten, keine Vorbehalte haben, die anderen aber schon“, sagt die Frau. Ein weiterer Bürger pflichtete ihr bei. Er finde es daneben, junge Männer automatisch mit Überfällen in Verbindung zu bringen. „Man kann nicht pauschal sagen, dass sie gefährlich sind“, sagt er. Dass es Einzelfälle gibt, wolle er nicht abstreiten. „Aber das müssen wir in Relation setzen.“
Unmut über die Gesamtsituation äußert ein anderer Bürger. Gemäß der entsprechenden Landesverordnung ist auch Reinbek als Kommune verpflichtet, Geflüchtete aufzunehmen. Für die Quote der Stadt Reinbek wird die Anzahl der Einwohner der Stadt Reinbek ins Verhältnis der Einwohner des Kreises Stormarn gesetzt. Die Quote beträgt aktuell 11,5 Prozent. 2023 hat Reinbek rund 130 Geflüchtete aufgenommen. Die städtischen Unterkünfte sind mit 568 Menschen zu fast 100 Prozent belegt.
Bürgermeister: Die Lösung ist nicht ideal, aber es gibt keine Alternative
„Wieso sträubt sich keine Gemeinde, Geflüchtete aufzunehmen?“, will der Bürger wissen. Das sei nicht so einfach, sagt Warmer: „Die Geflüchteten werden vom Kreis auf die Kommunen verteilt und sobald sie hergebracht werden, sind wir für sie zuständig.“ Dann solle man sie halt wieder zurückbringen, so der Bürger. „Hier geht es um Menschen!“, ruft eine Frau. „Menschen, die Furchtbares erlebt haben und Hilfe brauchen“, sagt ein Bürger. Und ein anderer: „Wir sind nicht für das Elend der Welt zuständig.“
Dass die aktuelle Lösung nicht ideal sei, räumte der Bürgermeister ein – machte aber auch deutlich, dass es akut keine bessere Alternative gebe. „Die Container werden sehr zeitnah gebraucht“, so Warmer. Der Standort Krabbenkamp sei der einzige, an dem bereits eine Erschließung für benötigte Wohncontainer stattgefunden habe. „Es geht um den Zeitfaktor“, so Warmer.
Wohnraum nur für Männer? Reinbek bediene schlicht den Bedarf
Gleichwohl lege man nicht die Hände in den Schoß, sei ständig auf der Suche nach weiteren, nachhaltigeren Möglichkeiten und Wegen einer besseren Verteilung, die echte Integration ermögliche. Dass es in Reinbek an Wohnraum mangele, verschärfe die Situation zusätzlich. „Wir sind mit Wohnungsbauunternehmen im Gespräch“, so Warmer.
Warum es ausgerechnet junge Männer sein müssen, die am Krabbenkamp einziehen, erläuterte Torsten Christ. „Das Land nimmt fast nur alleinreisende Männer auf“, so der Amtsleiter. Entsprechend habe die Stadt nicht die freie Wahl, sondern bediene den Bedarf und müsse schlicht Wohnraum für Männer schaffen. Das Containerdorf, das geschaffen werden soll, eigne sich von der Raumaufteilung her nicht für Familien. Nach aktuellen Stand rechne er damit, dass die Container nicht vor Mitte Februar aufgestellt werden.
Unterkunft für Geflüchtete soll von Sozialpädagogen betreut werden
Wissen wollten die Bürgerinnen und Bürger auch, wie die geflüchteten Männer betreut werden sollen. Christ: „Es wird direkt vor Ort eine Anlaufstelle eingerichtet.“ Sozialpädagogen und Sprachmittler sollen mit 20 Wochenstunden vor Ort sein. Gegen Ende der Informationsveranstaltung werden die Gespräche konstruktiver. Roderich Ziehm von der Reinbeker Flüchtlingsinitiative ermutigte die Bürger, den Geflüchteten beim Ankommen zu helfen, mal zusammen ein Formular auszufüllen. „Sie sind sehr dankbar dafür“, so Ziehm.
- Politik verweigert Ukraine-Geflüchteten die Unterstützung
- Kreis Stormarn rechnet mit 600 Flüchtlingen bis Jahresende
- Kommunen in Stormarn sehen sich bei Flüchtlingsunterbringung am Limit
Ferner versucht er den Bürgerinnen und Bürgern Ängste zu nehmen. Ihm sei in Reinbek kein Fall bekannt, in dem ein Flüchtling eine Frau belästigt habe oder ähnliches passiert sei. „Es ist in Ordnung, Befürchtungen zu haben, aber wir haben noch keine schlechten Erfahrungen gemacht“, so Björn Warmer.
So ging die Informationsveranstaltung nach einem emotionsgeladenen Start doch versöhnlich auseinander. „Es wäre schön, wenn sich Menschen zum Helfen finden“, sagt eine Frau. Und: „Wir brauchen wieder Fahrräder für alle.“ Eine andere Bürgerin sagt: „Eine gute Integration ist in unser aller Interesse. Sie kommen sowieso und wir brauchen sie. Wir sollten alles tun, damit sie gut ankommen.“