Grande. Meistereien im Norden sehen sich im Kampf gegen Schnee und Eis gut gerüstet. Ukraine und Inflation haben Material enorm verteuert.

Als Carsten Butenschön nach dem ersten harten Wintereinbruch im Norden früh um sieben Uhr mit dem Auto auf der A1 unterwegs war, spürte er einen gewissen Stolz. „Trotz Schneefalls und Temperaturen um den Gefrierpunkt war ich auf einer schwarzen Decke unterwegs und nicht auf einer weißen“, berichtet der Direktor der Autobahn GmbH. Für ihn sei das ein sichtbarer Beleg dafür gewesen, dass die 227 Mitarbeiter in den zehn Autobahnmeistereien der Niederlassung Nord erfolgreich in den Winterdienst 2023/2024 gestartet sind. „Selbst wenn der Winter noch härter werden sollte, wir sind gerüstet“, ist Butenschön überzeugt.

Mit 61 eigenen Fahrzeugen und 42 weiteren von fest eingebundenen Subunternehmen werden die Straßenwärter im Norden in den kommenden Wochen und Monaten Sorge dafür tragen, insgesamt 1221 Kilometer Autobahnen, einiger Bundesstraßen der Stadtstaaten Hamburg und Bremen sowie 165 Anschlussstellen schnee- und eisfrei zu halten.

Autobahn GmbH hat schon 18.000 Tonnen Salz gelagert

In der vergangenen Wintersaison 2022/2023 wurden dafür rund 15.000 Tonnen Streusalz und 4750 Tonnen Sole benötigt. Für diese Saison sind bereits 18.000 Tonnen Salz eingelagert. Weitere 23.750 Tonnen wurden vorsorglich vertraglich fest disponiert, sollten die schon gelieferten Mengen nicht ausreichen.

Dabei wurden die Streumethoden in den zurückliegenden Jahren immer weiter optimiert, um auf die verschiedenen Fahrbahnzustände in den Wintermonaten reagieren zu können. „Wir unterscheiden hier nach Schneeglätte, Reifglätte, Eisglätte und Glatteis, auf die wir je nach Witterungslage reagieren“, sagt Thomas Loth, Leiter der Stormarner Autobahnmeisterei Grande, die für die A24 bis weit ins Herzogtum Lauenburg hinein verantwortlich ist.

Rollsplit-Effekt birgt erhebliche Unfallgefahren

Abstumpfende Streustoffe wie etwa Sand und Splitt kommen auf den Autobahnen im Norden unterdessen prinzipiell nicht zum Einsatz. Das hat gleich mehrere Gründe. Eine schnelle Verlagerung aus den Fahrspuren durch Wind oder verkehrsbedingte Verwirbelungen würde ein umgehendes Nachstreuen erforderlich machen. Das aber wäre weder effizient noch wirtschaftlich.

Thomas Loth, Leiter der Autobahnmeisterei Grande, vor einem modernen Räumfahrzeug mit einem fünf Meter langen Schiebeschild.
Thomas Loth, Leiter der Autobahnmeisterei Grande, vor einem modernen Räumfahrzeug mit einem fünf Meter langen Schiebeschild. © HA | Lutz Kastendieck

„Nicht minder problematisch wäre der Rollsplitt-Effekt nach dem Abtrocknen der Fahrbahnen, der bei unangepasster Geschwindigkeit bekanntermaßen erhebliche Unfallrisiken birgt“, erklärt Loth. Außerdem würden die Sand- und Splittreste zu Verstopfungen der Entwässerungseinrichtungen führen und sich auch nachteilig aufs Begleitgrün auswirken.

Salz wird vor dem Streuen jetzt stets angefeuchtet

Deshalb setzt die Niederlassung Nord vermehrt auf den Präventiveinsatz von FS 100. Dabei handelt es sich um ein Salz-Wasser-Gemisch. Die Sole wird je nach Witterung und Großwetterlage bereits bei leichten Plusgraden eingesetzt. „Damit können die Fahrbahnen von vorneherein nicht einfrieren“, erläutert Jens Sommerburg, Außenstellenleiter der Autobahn Nord in Lübeck. Sole hafte zudem entschieden besser als reines Streusalz, das durch die Fahrzeuge zu schnell von der Fahrbahn weggeweht werde.

Deshalb wird Salz inzwischen vor dem Ausbringen grundsätzlich angefeuchtet. „Der Einsatz von Feuchtsalz ist gegenüber Trockensalz ökologischer, wirtschaftlicher und verkehrssicherer“, so Sommerburg. Zumal mit einer geringeren Menge Feuchtsalz stets eine bessere Wirkung erzielt werden könne als mit Trockensalz. Das wird im Verhältnis 70:30 mit einer Salzlösung gemischt, die sich in Extratanks auf den Streufahrzeugen befindet.

Sole spart Kosten, ist sicherer und umweltfreundlicher

Der Sole-Einsatz birgt unterdessen etliche Vorteile und hat sich folglich längst bewährt. Er gilt nicht nur als erheblich umweltfreundlicher, er erhöht wegen der guten Haftung auch die Verkehrssicherheit. Und er ist unterm Strich auch kostensparender, weil deutlich geringere Mengen für die gleiche Tauwirkung nötig sind.

Angesichts des eklatanten Preisanstiegs auch in diesem Materialsegment ein nicht zu unterschätzender Faktor. War eine Tonne Natriumchlorid vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs samt galoppierender Inflation noch für rund 60 Euro zu haben, so kostet sie heute bis zu 84 Euro, je nach Vertragszeitpunkt.

Räumdienste sind an Schneetagen bereits ab 3 Uhr unterwegs

„Wir haben frühzeitig 1000 Tonnen geordert, vorsorglich aber noch weitere 400 vorbestellt“, sagt Thomas Loth, der in Grande 29 Mitarbeiter und acht Fahrzeuge koordiniert. Wenn man bedenkt, dass beim ersten Wintereinbruch im Bereich der Niederlassung Nord bereits 800 Tonnen Salz gestreut worden sind, eine vorausschauende Maßnahme. Zumal sich aus dem Grander Depot auch jene Mengen speisen, um Bundes- und Landesstraßen eisfrei zu halten.

Direktor Carsten Butenschön weist allerdings darauf hin, dass trotz aller hohen Motivation seiner Kollegen, die bei winterlichen Streu- und Räumeinsätzen bereits ab 3 Uhr auf den Autobahnen unterwegs seien, die Auto- und Lkw-Fahrer auch selbst viel dazu beitragen könnten, ihr Ziel sicher und unfallfrei zu erreichen.

So sollten die eigenen Fahrzeuge bereits einem eingehenden Wintercheck unterzogen worden sein. „Winterreifen mit dem vorgegebenen Luftdruck garantieren eine bessere Haftung, Kühlerfrostschutz verhindert Schäden am Fahrzeug und Frostschutzmittel im Scheibenwischwasser sowie gute Wischblätter sorgen für eine gute Sicht in der dunklen Jahreszeit“, so Butenschön.

Und dann appelliert er noch, auf das Überholen von Winterdienstfahrzeugen zu verzichten. „Klar sind die beim Räumen und Streuen nicht mit 100 Sachen unterwegs. Tatsache ist aber, dass das Fahren hinter unseren Kollegen deutlich sicherer ist als davor. Denn würden es die Straßenverhältnisse nicht erfordern, wären unsere Fahrzeuge doch gar nicht unterwegs“, sagt Carsten Butenschön.