Bad Oldesloe. Brennerei August Ernst feiert Geburtstag. Zum Jubiläum gewährt das Traditionsunternehmen einen Blick hinter die Kulissen.

Die ikonischen, nach unten schmal zulaufenden Glasflaschen klappern über das Förderband in der Abfüllhalle der August Ernst GmbH. Vollautomatisch werden die Flaschen befüllt, verschlossen, etikettiert und verpackt. Hier, an der Industriestraße im Gewerbegebiet von Bad Oldesloe, entsteht der wohl bekannteste Exportschlager aus Stormarns Kreisstadt: der Oldesloer Weizenkorn.

Die Spirituose, die in Liebhaber-Kreisen längst Kultstatus genießt, ist eine Stormarner Erfolgsgeschichte. Im April 1898 erhält der gelernte Brennmeister August Ernst die Brennrechte für Kornbrand vom preußischen Ministerpräsidenten Otto von Bismarck und gründet den Betrieb an der Hamburger Straße. Heute, 125 Jahre später, ist der Oldesloer nach Angaben des Unternehmens der meistverkaufte Korn Deutschlands.

Oldesloer Weizenkorn: Hier wird Stormarns Kult-Spirituose hergestellt

In den vergangenen Jahrzehnten habe man die Marke und die Produkte stetig weiterentwickelt, sei sich aber immer treu geblieben, sagt Geschäftsführer Thomas Ernst, Urenkel des Firmengründers. Er hat die Führung des Unternehmens 1993 nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften mit gerade einmal 28 Jahren übernommen, nachdem sein Vater Harald überraschend gestorben war.

„Für uns war immer klar: Wir kommen hier aus der Region und es ist die Region, die uns stark macht.“ Bis heute ist das Unternehmen zu 100 Prozent in Familienhand und tief in Bad Oldesloe verwurzelt. „Der Weizen zum Beispiel kommt unter anderem von einem Hof dort hinten, nicht einmal 500 Meter von hier entfernt“, sagt Thomas Ernst, selbst in Bad Oldesloe geboren, und deutet aus dem Fenster.

Das Unternehmen ist mit der Landwirtschaft eng verzahnt

Mit der Landwirtschaft ist die Brennerei eng verzahnt. Wie die Bezeichnung Weizenkorn vermuten lässt, ist das Getreide der Hauptbestandteil des Getränks. Einmal pro Woche liefern Landwirte in der Zeit von Oktober bis März den Weizen an. Die Körner enthalten viel Stärke, die sich durch die Zugabe bestimmter Enzyme in Zucker umwandeln lässt.

Beim Verarbeiten entsteht die sogenannte Maische, ein hellbrauner Brei. Durch die Hinzugabe von Hefe beginnt die Vergärung zu Alkohol. Dazu wird die Maische in einen der drei 40.000 Liter fassenden Gärtanks gepumpt. Der Gärprozess selbst dauert drei Tage. „In einer Flasche Oldesloer stecken rund 13.000 bis 17.000 Weizenkörner“, sagt Ernst. Bis in die 1970er-Jahre stammte das Getreide zum Teil noch aus eigenem Anbau. „Als ich Kind war, hatten wir noch eine Bullenmast, die meine Eltern dann aufgegeben haben, um sich vollständig auf das Unternehmen zu konzentrieren“, erzählt der Geschäftsführer.

Der Korn wartet in Tanks auf die Abfüllung. Das Fassungsvermögen liegt bei 1,5 Millionen Litern.
Der Korn wartet in Tanks auf die Abfüllung. Das Fassungsvermögen liegt bei 1,5 Millionen Litern. © HA | Filip Schwen

Das Schlempe genannte Abfallprodukt ist ein wichtiger Futtermittelzusatz

Nach der Gärung wird die Maische nach und nach in die Rohbrandkolonne gepumpt und zum Sieden gebracht. „Der Siedepunkt des Alkohols ist niedriger als bei den übrigen Bestandteilen der Maische, sodass er sich verflüchtigt“, erklärt Ernst. Der Dampf wird abgekühlt und der so entstandene Rohbrand wieder verflüssigt. „Der Rest der Maische, die Schlempe, wird von den Landwirten wieder abgeholt“, so der Geschäftsführer. Sie sei ein wertvoller Futtermittelzusatz.

Der Alkohol wird anschließend ein zweites Mal destilliert, um leicht flüchtige Nebenprodukte der Gärung sowie unerwünschte Geruchs- und Geschmacksstoffe zu entfernen. Ehe das so entstandene Feindestillat zum Oldesloer Korn wird, müsse noch der Alkoholgehalt reduziert werden, um es genussfähig zu machen, erklärt Ernst. Anschließend wird das Destillat für etwa drei Wochen in großen Tanks eingelagert. „Der Korn muss sich zunächst setzen, damit er rund und mild im Geschmack wird, ehe wir ihn in die Flaschen füllen“, so der Geschäftsführer.

Ab Mitte der 1960er-Jahre kam der Korn flächendeckend in den Handel

Am Herstellungsprozess habe sich in den vergangenen 125 Jahren kaum etwas verändert. Das Unternehmen dagegen sei stets mit der Zeit gegangen – wenn auch behutsam. „Zu Beginn war die Brennerei, wie damals fast überall, ein Anhängsel der Landwirtschaft“, sagt Thomas Ernst. Das habe sich erst nach dem Ersten Weltkrieg gewandelt. „Richtig ging es aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg los, als dann ab Mitte der 1960er-Jahre Oldesloer Korn flächendeckend in den Einzelhandel kam.“

Neben Korn war von Beginn an auch der deutlich weniger bekannte Oldesloer Kümmel im Sortiment. 1990 zog der Betrieb von der Hamburger Straße an seinen heutigen Standort, an dem bis 1971 bereits eine moderne Abfüllanlage errichtet worden war. „1988 kamen unsere Fruchtigen auf den Markt“, sagt Ernst.

Liköre mit Fruchtgeschmack erfreuen sich wachsender Beliebtheit

Die Liköre mit Geschmacksrichtungen wie Maracuja, Saure Kirsche, Waldmeister oder Saurer Apfel erfreuen sich laut dem Geschäftsführer wachsender Beliebtheit. Der klassische Weizenkorn bleibe aber mit einem Anteil von mehr als 50 Prozent am Umsatz der Verkaufsschlager des Unternehmens.

Nach und nach hat August Ernst nicht nur seine Produktpalette erweitert, sondern auch die der zugehörigen Marken. Über die Jahre erwarb das Unternehmen andere Spirituosenhersteller. Heute gehören neben der Kernmarke Oldesloer auch die Marken Meeraner, Specht, Greizer, Sternmarke, Scharlachberg, Zinnaer Klosterbruder, Romanza Amaretto, Käpt‘n Flint und Holborn zu August Ernst.

Marketingchef Okan Cavuslu zeigt die Produktpalette des Unternehmens. In der rechten Hand hält er eine historische Kornflasche, in der linken die Jubiläumsedition mit
Marketingchef Okan Cavuslu zeigt die Produktpalette des Unternehmens. In der rechten Hand hält er eine historische Kornflasche, in der linken die Jubiläumsedition mit "Danke"-Schriftzug. © HA | Filip Schwen

Marketing-Chef sieht Premiumisierung im Spirituosen-Markt skeptisch

Das Unternehmen stieg auch in das Geschäft mit Fertig-Mischgetränken ein, die in den vergangenen Jahren in Mode gekommen sind. So gibt es den Oldesloer Korn auch mit Cola gemixt in der Dose. „Bei anderen Trends sind wir bewusst nicht mitgegangen“, sagt Marketing-Chef Okan Cavuslu.

Die Entwicklung zur Premiumisierung im Spirituosen-Markt etwa sieht Cavuslu skeptisch. „Das sollte gut geplant sein, um nicht die Authentizität der Marke oder seine Zielgruppe zu verlieren“, sagt er. Diese sieht das Oldesloer Unternehmen vor allem in jungen Erwachsenen, zwischen 20 und 39 Jahre alt, aus dem ländlichen Raum in Norddeutschland. „Der hippe Großstadt-Korn wollten wir nie sein“, sagt Cavuslu.

Mit der aktuellen Werbekampagne setzt das Unternehmen auf Humor

Diese Zielgruppe möchte August Ernst mit der aktuellen Kampagne ansprechen, die auf Humor und Selbstironie setzt. „125 Jahre alt. Und keine Falten. Isso.“, lautet etwa einer der Slogans zum Jubiläum. „Wir haben eine Macke und das zeigen wir auch“, sagt Cavuslu. „Wir versuchen, den norddeutschen Humor zu treffen und zeigen, dass wir über uns selbst lachen können.“

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Das kommt offenbar an. Dem Instagram-Account des Unternehmens, der erst vor einem Jahr gestartet ist, folgen mehr als 10.000 Menschen. Im firmeneigenen Online-Shop verkauft August Ernst zahlreiche Fan-Artikel mit dem markanten Oldesloer-Schriftzug, darunter Sweatshirts, T-Shirts, Schirmmützen und Gläser.

Zum Jubiläum bedankt sich August Ernst mit Sonder-Aktionen bei Fans

„Wir haben eine sehr treue Fan-Basis“, sagt Marketing-Chef Cavuslu. „Sie haben Oldesloer Korn zu dem gemacht, das er heute ist und damit für einen gewissen Kultstatus gesorgt.“ Dafür wolle man sich mit einer besonderen Aktion bedanken: Zum Jubiläum trägt jede vierte Flasche anstatt des Oldesloer-Logos den Schriftzug „Danke“.

Mit dem „Goldesloer“ hat das Unternehmen zudem eine limitierte Sonderedition seines Kultgetränks auf den Markt gebracht. Seine goldgelbe Färbung erhält dieser Korn durch die Reifung in Fässern, in denen vorher Bourbon, Single Malt oder Sherry gelagert wurde. „Der Goldesloer ist etwas Wertvolles für Genießer“, sagt Cavuslu.

Destillateurmeister Paul Brusdeilins hat bei dem Oldesloer Unternehmen seine Lehre absolviert. Als Laborleiter ist er unter anderem für die Qualitätskontrolle verantwortlich.
Destillateurmeister Paul Brusdeilins hat bei dem Oldesloer Unternehmen seine Lehre absolviert. Als Laborleiter ist er unter anderem für die Qualitätskontrolle verantwortlich. © HA | Filip Schwen

Werbung für alkoholische Getränke ist eine Gratwanderung

Neben all dem Fan-Kult ist August Ernst auch bemüht, neue Kunden anzusprechen. Unter anderem trat das Unternehmen 2022 als Haupt-Spirituosensponsor des Heavy-Metal-Festivals Wacken auf. Kundenwerbung sei immer eine Gratwanderung, sagt Cavuslu. „Wir sind uns unserer Verantwortung als Hersteller alkoholischer Getränke bewusst“, so der Marketing-Chef.

„Wir achten zum Beispiel bei der Auswahl unserer Werbegesichter darauf, dass die Models nicht jünger als 25 Jahre sind und aussehen“ Auch vermeide man, Einzelpersonen beim Verzehr der alkoholhaltigen Produkte zu zeigen. Als Präsident des Bundesverbandes der deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) ist Geschäftsführer Thomas Ernst zudem mitverantwortlich für Kampagnen zur Suchtprävention wie die Initiative „maßvoll genießen“.

Das Unternehmen beschäftigt heute 60 Mitarbeiter an drei Standorten

Neben dem Hauptsitz in Bad Oldesloe betreibt das Unternehmen zwei weitere Standorte im sächsischen Meerane und im südlichen Baden-Württemberg. Insgesamt werden rund 60 Mitarbeiter beschäftigt, davon 40 in Stormarns Kreisstadt. Zwischen 56.000 und 72.000 Flaschen gehen an einem Tag vom Band. Die Tankkapazität in Bad Oldesloe liegt bei 1,5 Millionen Liter.

August Ernst bildet auch selbst aus, unter anderem in den heute vom Aussterben bedrohten Berufen des Brenners und des Destillateurs. „Wir wollen diese alten Berufe bewahren“, sagt Geschäftsführer Thomas Ernst. Schließlich solle auch in den nächsten 125 Jahren noch nach traditioneller Art Korn in Bad Oldesloe gebrannt werden. Und auch künftig soll die Brennerei in Familienhand bleiben. Mit Ernsts Sohn Keke steht ein potenzieller Nachfolger bereit. „Er hat gerade ein Studium begonnen, aber zumindest schon Interesse bekundet“, sagt der Geschäftsführer.