Ahrensburg. Digitalpakt läuft aus und Nachfolgeregelung ist nicht in Sicht. Stadt soll einspringen, doch das Geld ist knapp. Was Schulen fordern.

Benjamin Wöhl, Schulleiter des Eric-Kandel-Gymnasiums in Ahrensburg, sitzt in seinem Büro. Vor ihm auf dem Schreibtisch: ein iPad. Auf dem Gerät hat Wöhl alles, was er zur Unterrichtsvorbereitung benötigt: Lehrbücher, Arbeitsblätter, Medien wie Fotos und Videos und vieles mehr. Seit einigen Monaten lernen die Schüler des neunten Jahrgangs des Ahrensburger Gymnasiums weitgehend digital.

Jeder der rund 100 Mädchen und Jungen hat zu Beginn des Schuljahres einen Tablet-PC für den Unterrichtsgebrauch von der Schule erhalten. „Die Schüler bringen das Gerät mit in den Unterricht und nehmen es für die Hausaufgaben mit nach Hause“, sagt Wöhl. Auf dem iPad wird gelesen, geschrieben, es werden Rechenaufgaben gelöst, mathematische Funktionen erstellt oder Vokabeln abgefragt.

Ahrensburger Schulleiter warnt: Stadt will Mittel für Digitalisierung streichen

„Über unser Schulmanagementsystem können die Kollegen den Schülern Arbeitsaufträge und Medieninhalte zur Verfügung stellen und umgekehrt können die Schüler die gelösten Aufgaben hochladen, sodass die Kollegen sie korrigieren können“, erklärt Wöhl. Die Tablets sind personalisiert und bleiben bis zum Abitur nach Klasse 13 bei den Schülern.

Aus Sicht des Schulleiters hat sich das Konzept bewährt. „Die Schüler haben alles in einem Gerät, brauchen keine Bücher mehr schleppen“, sagt Wöhl. Zudem sei das Unterrichtsmaterial stets aktuell – gerade in Fächern wie Geografie und Wirtschaft/Politik sei das angesichts der schnelllebigen Weltlage wichtig. „Schüler und Lehrer haben die Tablets sehr gut angenommen und für mich gehört es zu einem modernen Unterricht dazu, digitale Medien einzubinden“, sagt der Schulleiter.

Mittel aus dem Digitalpakt von Bund und Ländern sind aufgebraucht

Künftig möchte Wöhl deshalb jeden neunten Jahrgang mit iPads ausstatten. Aber die Fortführung des Projektes ist ungewiss. Den ersten Satz iPads hat das Eric-Kandel-Gymnasium mit Mitteln aus dem Digitalpakt angeschafft. Doch der läuft im Mai 2024 aus. Die insgesamt 6,5 Milliarden Euro, die der Bund den Ländern und Kommunen seit 2019 für den Ausbau der digitalen Bildungsinfrastruktur zur Verfügung gestellt hat, sind aufgebraucht.

Und das von der Ampel-Koalition angekündigte Nachfolgepaket lässt auf sich warten. Bislang gibt es weder eine Summe noch ein Startdatum für den Digitalpakt 2.0, der bis 2030 laufen soll. Bereits Ende Juli schien es ungewiss, ob der Digitalpakt 2.0 überhaupt kommt.

Ahrensburg muss Millionen in Schulgebäude und Feuerwehr investieren

Damals hieß es als Antwort auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion aus dem Bundesbildungsministerium, die Umsetzung sei „Gegenstand laufender Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung sowie mit den Ländern“. Eine Nachfolgevereinbarung sei „nicht für das Jahr 2024 geplant“. Angesichts des 60-Milliarden-Lochs im Haushalt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist fraglich, welche finanziellen Spielräume SPD, Grünen und FDP für einen Digitalpakt 2.0 überhaupt bleiben.

Ohnehin sei der Digitalpakt nur als Anschubfinanzierung gedacht gewesen, mit dem Ziel, dass die Schulträger irgendwann übernehmen, heißt es. Doch genau das stellt Gemeinden und Städte wie Ahrensburg vor große Herausforderungen. Die Schlossstadt muss in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbereich in den Neubau und die Modernisierung von Schulen und Feuerwachen investieren.

Verwaltung will Mittel für Digitalisierung um die Hälfte kürzen

Allein für den Abriss und Neubau des maroden Schulzentrums Am Heimgarten, das neben dem Eric-Kandel-Gymnasium auch die Gemeinschaftsschule Am Heimgarten beherbergt, sind bis 2028 105 Millionen Euro eingeplant. Für das kommende Jahr rechnet Ahrensburg mit einem Haushalsdefizit von rund 15 Millionen Euro.

Die Verwaltung möchte den Schulen deshalb einen Teil der Digital-Mittel streichen. Die vier weiterführenden Bildungseinrichtungen haben 180.000 Euro beantragt, um 2024 jeweils einen Jahrgang mit digitalen Endgeräten auszustatten. Die Verwaltung hat den Ansatz auf 95.000 Euro fast halbiert.

Schulleiter: Mit der Hälfte lässt sich nicht pädagogisch sinnvoll arbeiten

Bei Benjamin Wöhl sorgt das für Kopfschütteln. „Mit der Hälfte Geräte kann ich nicht pädagogisch sinnvoll arbeiten“, sagt er. Mindestens 75 Prozent der Summe benötige er, den Rest könne er womöglich aus Eigenmitteln stemmen, sagt Wöhl. „Ich kann nicht nur jedem zweiten Schüler ein iPad geben.“ Er könne zwar eine Art Sozialmodell einführen, wonach nur diejenigen Jungen und Mädchen das Gerät von der Schule bekommen, deren Eltern sich selbst keines leisten können. Das halte er aber „unter pädagogischen Gesichtspunkten für höchst schwierig“.

Die Schulen bräuchten Planungssicherheit. „Die Kollegen müssen geschult werden, es gibt unendlich viele Apps, darauf muss ich mich als Lehrer vorbereiten“, sagt Wöhl. Die Bildungseinrichtungen investierten viel Zeit und Aufwand in digitale Unterrichtskonzepte und -materialien. „Wenn ich in einem Jahr als Highlight Tablets einführe und dann wieder aufhöre, fange ich damit gar nicht erst an.“ Es müsse die Aussicht geben, dass langfristig Mittel zur Verfügung stehen.

Ahrensburger Verwaltung warnt vor dauerhaften Kosten

Eine Rolle rückwärts hin zum rein analogen Unterricht ist für Wöhl keine sinnvolle Option. „Schule hat aus meiner Sicht die Aufgabe, auf die Gesellschaft vorzubereiten“, sagt er. Die Schüler sollten im Unterricht mit Medien arbeiten, mit denen sie auch im Alltag und im späteren Berufsleben zu tun hätten.

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„Die Welt ist in vielen Bereichen App-basiert.“ Ob das eine positive Entwicklung sei, darüber könne man streiten. „Aber der Unterricht muss dem Rechnung tragen.“ Darüber hinaus böte digitalisiertes Lernen auch pädagogische Vorteile. „Wir können beispielsweise individuelle Lernpfade für jeden Schüler mit an das Leistungsniveau angepasstem Schwierigkeitsgrad erstellen.“

Tablets können wohl nach fünf Jahren nicht wiederverwendet werden

Die Verwaltung kann Wöhls Argumentation inhaltlich zwar folgen, verweist aber auf die angespannte Haushaltslage. „Für die Stadt ergibt sich eine erhebliche, dauerhafte finanzielle Belastung“, sagt Tanja Eicher, Leiterin des Fachbereichs Bildung, Familie und Kultur. „Die angeschafften Geräte müssen nicht nur regelmäßig gewartet, sondern auch nach einigen Jahren ersetzt werden.“ Tablet-PCs seien nicht nur in der Anschaffung teurer, sondern hätten auch eine deutlich kürzere Lebensdauer als Bücher.

Das weiß auch Wöhl. Er geht davon aus, dass die iPads bereits nach einem Nutzungszyklus von Klasse neun bis 13 ausgetauscht werden müssen. „Die Lebenszeit eines Geräts liegt in etwa bei fünf Jahren“, sagt er. Heißt: Für jeden neuen neunten Jahrgang müssten auch neue Tablet-PCs angeschafft werden. „Das bedeutet aber nicht, dass wir die gebrauchten Geräte verschrotten“, sagt der Schulleiter. Die intakten iPads könnten in Sammlungen übergehen und anschließend von den Lehrkräften flexibel eingesetzt werden.

Grüne, SPD und FDP wollen Antrag stellen und Kürzung rückgängig machen

Wöhl hofft auf die Politik. Die Fraktionen, die den Haushalt letztlich absegnen müssen, könnten durchsetzen, dass die Schulen doch das volle Budget erhalten. Im jüngsten Bildungs-, Kultur- und Sportausschuss hat der Schulleiter sich mit einem eindringlichen Appell an die Kommunalpolitiker gewendet.

Bei Grünen, SPD und FDP stößt er damit auf offene Ohren. Die drei Fraktionen wollen für die kommende Sitzung des Ausschusses einen Antrag stellen, der die Mittelkürzung rückgängig macht. „Wir sehen die schwierige Haushaltslage, aber dieser Ansatz ist der falsche, um zu sparen“, sagt Christian Schubbert (Grüne).

Wählergemeinschaft sieht derzeit keinen finanziellen Spielraum

Für Wolfgang Schäfer (FDP) ist klar: „Wenn wir gute Bildung wollen, müssen wir den Schulen die Möglichkeit geben, sich mit moderner Technik auszustatten.“ Für SPD-Fraktionschef Béla Randschau ist das Geld für die Tablet-PCs eine „Investition in unsere Zukunft“. Die Schüler von heute seien die Arbeitnehmer von morgen. „Wir hinken in Deutschland schon jetzt hinterher, was die Digitalisierung des Bildungssystems betrifft“, sagt er.

Das Dreierbündnis wirbt auch bei CDU und WAB um Unterstützung. Beide Fraktionen haben sich noch nicht positioniert. Während die CDU laut Fraktionschef Wolfdietrich Siller ebenfalls den Bedarf sieht, ist die Wählergemeinschaft skeptisch. Er sehe derzeit nicht die finanziellen Spielräume, sagt der Fraktionsvorsitzende Peter Egan. Letztlich könnten Grüne, SPD und FDP, die gemeinsam über eine knappe Mehrheit verfügen, den Antrag aber auch ohne CDU und WAB durchsetzen.