Barsbüttel. Große Anbieter sehen außerhalb der Großstadt kein Potenzial. Grüne haben aber einen Plan für Barsbüttel – einen umweltfreundlichen.
Florian Albertsen fährt seit zwei Jahren ein Elektroauto und ist damit auch zufrieden. Allerdings bewegt er seinen Renault Zoe nur alle zwei Wochen zum Einkaufen. „Eigentlich ist das ein Verlustgeschäft. Unter bestimmten Voraussetzungen will ich ihn loswerden“, sagt der 44-Jährige. Sein Wunsch ist es, sich ein Fahrzeug mit anderen Menschen zu teilen. Er ist Mitglied der Grünen-Fraktion in Barsbüttel. Geht es nach der Partei, kann der Requisiteur seinen Pkw demnächst verkaufen. Die strebt jetzt eine Kooperation mit dem Verein Dorfstromer an und möchte in der rund 13.700 Einwohner zählenden Gemeinde E-Carsharing etablieren. Dafür müssen aber einige Bedingungen erfüllt werden.
„Ich möchte alle Fraktionen mit ins Boot nehmen und würde mich freuen, wenn andere Kommunen die Idee adaptieren“, sagt Grünen-Fraktionschefin Angela Tsagkalidis. Sie und ihre Mitstreiter haben für Freitag, 10. November, eine öffentliche Informationsveranstaltung im Dorfgemeinschaftshaus Stemwarde (Kronshorster Weg 7) organisiert. Beginn ist um 18 Uhr. Dort wird Dorfstromer-Vorstand Edgar Schmidt das Konzept des Vereins präsentieren, das E-Werk Sachsenwald hat ebenfalls zugesagt und berichtet über den Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Region. Das Unternehmen mit Sitz in Reinbek hatte damit 2016 begonnen. Mit den Kommunen im Versorgungsgebiet hat man einen Langzeitplan bis ins Jahr 2030 entworfen. Dieser sieht 200 zusätzliche Stromtankstellen vor.
Dorfstromer-Flotte wächst von drei auf 23 Autos
Das Wort wird zudem Sonja Zinke ergreifen, Bürgermeisterin von Steinkirchen im Landkreis Stade. Dort startete Dorfstromer mit einem der ersten Fahrzeuge. Natürlich ist auch Barsbüttels Verwaltungschef Thomas Schreitmüller dabei. Geladen sind alle Fraktionen sowie die Grünen-Ortsverbände aus Reinbek, Glinde, Oststeinbek, Großhansdorf, Siek und Großensee.
„Die Versuche der Gemeinde, die großen Carsharing-Anbieter nach Barsbüttel zu holen, scheiterten bisher am mangelnden Interesse der Unternehmen. Der Dorfstromer bietet eine Alternative“, sagt Tsagkalidis. Ihr Kollege Albertsen hat sich bereits intensiv mit dem Verein beschäftigt und einige Male mit Schmidt kommuniziert. Der macht den Barsbüttelern Hoffnung: „In Finkenwerder gab es vorher das gleiche Problem, da war das Gebiet für die kommerziellen Anbieter nicht attraktiv genug.“ Im Dezember 2021 stellte der Verein aus dem Alten Land dort ein Elektrofahrzeug zur Verfügung. Neben Altona bedient er inzwischen auf Hamburger Terrain eine Siedlung in Klein Borstel mit gleich fünf Stromern.
Schmidt ist Mitbegründer des seit August 2018 existierenden Vereins aus Hollern-Twielenfleth (Niedersachsen). Zu Beginn legte dieser sich drei Fahrzeuge zu, ermöglichte damit in Horneburg, Jork und Steinkirchen ein alternatives Mobilitätsangebot. Inzwischen umfasst die Flotte 23 Pkw unterschiedlicher Marken: neben Renault zum Beispiel Peugeot, Citroën und Volkswagen mit den Modellen Up und Golf. „Wir sind angefangen, um die Mobilität im ländlichen Raum zu verbessern. Es gibt aber auch in urbanen Gebieten eine Nachfrage“, sagt Schmidt über den Grund des Wachstums seiner Organisation. Barsbüttel wäre der erste Standort in Stormarn.
Das E-Auto des Vereins benötigt eine eigene Ladesäule
„Ziel ist es, mit jeweils einem Auto in den vier Ortsteilen zu starten. Die sind nämlich nicht alle optimal an den öffentlichen Personennahverkehr angeschlossen“, so Tsagkalidis. Von einem Dorfstromer-Engagement versprechen sich die Grünen zudem weniger zugeparkte Straßen. Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, dass Familien zumindest auf den Zweitwagen verzichten und bei Bedarf Carsharing nutzen. Die Fahrzeuge bei den Kooperationspartnern des Vereins haben einen festen Platz, werden dort abgeholt und auch wieder abgestellt nach der Leihe. Und sie benötigen eine eigene Ladesäule. Für die Errichtung ist Dorfstromer nicht zuständig. Auch die Parkfläche muss gestellt werden – von der Gemeinde, einer Person mit Grundbesitz oder zum Beispiel einer Firma. Eine E-Tankstelle kostet laut Tsagkalidis 5000 Euro. Die Grünen haben sich über die Finanzierung Gedanken gemacht und bei der Aktivregion Sieker Land Sachsenwald angefragt. „Das Projekt wurde als förderfähig eingestuft“, sagt die Fraktionsvorsitzende.
Auch interessant
- So wirbt Oststeinbek um Carsharing-Anbieter
- Ehemals Ioki: Elektroshuttle HVV hop fährt jetzt auch nach Ammersbek
- Stormarner fahren auf Elektroshuttle hvv hop ab
Wer einen Dorfstromer fahren möchte, muss dem Verein beitreten. Singles zahlen fünf Euro pro Monat und Familien acht für die Mitgliedschaft. Bei Gemeinden sind es 100 Euro, wobei sich hier ausschließlich Rathausmitarbeiter ans Steuer setzen dürfen. Unternehmen müssen 20 aufbringen. Die Autos werden per App gebucht. Die Nutzung kostet fünf Euro die Stunde inklusive 250 Freikilometer, für jeden weiteren werden 30 Cent berechnet. Das Laden der Batterie ist inbegriffen. „Ein Fahrzeug kostet im Schnitt 850 Euro im Monat samt Versicherung und Buchungsplattform. Entscheidend ist, dass diese Summe von unseren Partnern gedeckt wird“, sagt Schmidt. Man benötige 20 bis 30 Mitglieder pro Fahrzeug. Die müssten es dann auch intensiv bewegen. Dorfstromer hat nach eigenen Angaben 720 Nutzer.
Der Aufwand ist inzwischen so groß geworden, dass Schmidt und seine Vorstandskollegen eine Mini-Jobberin für die Buchhaltung eingestellt haben. Für Tsagkalidis hat Dorfstromer Priorität. Sollte eine Zusammenarbeit scheitern, sei eine Vereinsgründung in Barsbüttel eine Alternative. Dafür müsste man allerdings Ehrenamtler gewinnen. Sich in eine gewachsene Struktur einzubetten erscheint sinnvoller. „Wir wollen E-Carsharing vornehmlich für die Bürger“, betont die Fraktionschefin. „Es wäre klasse, wenn sich auch die Gemeindeverwaltung und Firmen an dem Projekt beteiligen, damit Barsbüttel sehr breit aufgestellt ist.“