Barsbüttel. 1986 war Joachim Germer Mitbegründer der Grünen in Barsbüttel. Bei der Kommunalwahl im Mai tritt der ehemalige Lehrer wieder an.

Inzwischen kommt Joachim Germer mit einem Rollator zu den Gremiumssitzungen ins Barsbütteler Rathaus am Stiefenhoferplatz. Das geliebte Fahrrad kann er nicht nutzten. Ob das überhaupt nochmal möglich sein wird, steht in den Sternen. Von einer Bandscheibenoperation im Herbst 2021 hatte sich der Senior mehr versprochen. „Aber Politik macht man mit dem Kopf. Und solange der arbeitet, ist es in Ordnung“, sagt der 81-Jährige, der im Februar Geburtstag hat. Deshalb macht der Grüne auch weiter über diese Legislaturperiode hinaus und tritt bei der Kommunalwahl im Mai erneut an.

Der aktuelle Fraktionsvorsitzende wird nicht ganz vorne auf der Liste der Partei stehen, weil er jüngeren Mitstreitern den Vortritt lässt. Seinen Platz in der Gemeindevertretung könnte er damit verlieren, wird aber gewiss in irgendeinem Ausschuss Mitglied sein. Derzeit haben die Grünen drei Sitze im Parlament und ein Durchschnittsalter von 50 Jahren. Germer zieht es maßgeblich in die Höhe. Daran stößt sich jedoch niemand. „Er ist sehr wertvoll und hat einen großen Erfahrungsschatz, von dem wir alle profitieren“, sagt Co-Fraktionschefin Angela Tsagkalidis.

Kampf gegen Umgehungsstraße trieb ihn in die Politik

Im Stormarner Kreistag ist der Barsbütteler ältestes Mitglied und genießt auch dort hohe Wertschätzung. Der gebürtige Hamburger zog 1984 in den Hauptort, zwei Jahre später dann in den Ortsteil Stemwarde. 1986 war er Mitbegründer des Grünen-Ortsverbands. Er ging aus einer Initiative gegen die Umgehungsstraße hervor. Damals kämpfte Germer an der Seite von Wulf Jütting, der 2020 verstorben ist. „Neben der Umgehungsstraße war auch die Deponie-78-Thematik Triebfeder, mich politisch zu engagieren“, sagt der Rentner. „Es nützt nichts, wenn man nur herumläuft und protestiert. In den Gremien kann man am meisten bewirken.“

Barsbüttel ist Ort einer der größten Umweltskandale in Schleswig-Holstein. Auf dem Gelände am Ellerhoop hatte es früher eine Kiesgrube gegeben, die in den 1050er- und 1960er-Jahren illegal mit teilweise giftigem Müll befüllt wurde. Später wurde das Elf-Hektar-Areal mit Einfamilien- und Reihenhäusern bebaut. 1986 traten die schlagzeilenträchtigen Schäden auf. Methangas aus dem Untergrund drang in die Keller ein. Ein Jahr darauf wurden die unglücklichen Hauseigner erlöst: Das Land kaufte ihnen die Immobilien ab. Die Siedlung wurde evakuiert, ein Teil der Gebäude abgerissen. 20 Jahre blieb das Areal eine Geisterstadt, während das Gelände saniert wurde. Erst ab der Jahrtausendwende konnte die Siedlung wieder bewohnt werden.

Vertreter anderer Parteien schätzen seine Umgangsformen

Germer zog für die Grünen sofort ins Gemeindeparlament ein, arbeitete im Planungsausschuss mit. „Wir haben damals noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit getagt“, berichtet er und auch davon, wie er Verkehrsinseln für das Wohngebiet am Guipavasring selbst gezeichnet habe, die dann so umgesetzt wurden. „Wir haben da sehr viel mit der CDU zusammengearbeitet.“ Dann wurde es ruhiger um die Grünen, weil Jütting mit vielen Gleichgesinnten die Partei verließ und 1999 die Barsbütteler Kommunale Alternative (BKA) gründete. Germer ging nicht mit, machte stattdessen Kreispolitik, wurde darüber hinaus Fraktionsvorsitzender der Grünen im Landkreistag.

In seinem Wohnort machte er sich auch verdient in der Stemwarder Aktionsgemeinschaft für Naturschutz und Landschaftspflege, schrieb zum Beispiel die Satzung des Vereins und ist noch heute dessen stellvertretender Vorsitzender. „Ich war schon immer sehr naturinteressiert, habe als kleiner Junge alle Pilze gekannt.“ Sein Geld hat Germer als Lehrer an einer Grund-, Haupt- und Realschule verdient, mit Ausnahme von Chemie sämtliche Fächer unterrichtet. Er hat eine Tochter und einen Sohn, ist in zweiter Ehe verheiratet.

Engagement liegt bei Germer in der Familie

Sein Elternhaus beschreibt Germer als christlich, die Familie sei über Generationen sozial engagiert gewesen. Ein Onkel war Diakon, andere Verwandte Krankenschwestern. Als Heranwachsender war der Barsbütteler stellvertretender Vorsitzender des Jugendkonvents der Hamburger Landeskirche. Hier liegt der Anfang seiner ehrenamtlichen Tätigkeit. Durch Erkenntnisgewinne in der Politik brachte er sich auch an anderen Stellen ein, organisierte den Discobus beim großen Pfingstfest der Stemwarder Feuerwehr. „Ich habe mich beim Kreis als Verkehrspolitiker mit Fahrplänen beschäftigt, da war diese Art von Hilfe natürlich naheliegend“, sagt Germer, der seit mehr als zehn Jahren wieder Gemeindevertreter ist.

Wenn es bei den Treffen hoch hergeht und mal lauter wird, hält sich der Polit-Dino zurück und beobachtet. Verbale Tiefschläge sind ihm fremd. Seine Meinung tut er jedoch stets auf sachlicher Ebene und mit monotoner Stimme kund. Er pflege innerhalb der Politik zwar keine besonderen Freundschaften, betrachte sein Wirken allerdings auch nicht als Kampf gegen andere. „Ich nehme die Leute so, wie sie sind, und akzeptiere skurrile Meinungen“, sagt Germer, der vor Gründung der Grünen die Liberalen gewählt hat.

„Er ist sehr tiefsinnig und ein sehr kompetenter Kollege. Man kann Spaß mit ihm haben.“

Seine Umgangsformen nötigen Vertretern anderer Fraktionen in Barsbüttel Respekt ab. So sagt Rainer Eickenrodt, Fraktionsvorsitzender der Wählergemeinschaft Bürger für Barsbüttel (BfB): „Seine Wortbeiträge sind von Fairness geprägt. Er trägt keinerlei Aggressivität in sich.“ Christdemokrat Henri Schmidt: „Joachim Germer ist für mich ein unglaublich geschätzter Kollege, mit dem man sachorientiert reden kann. Er ist stets unideologisch unterwegs und für Argumente offen.“

Klaus-Jürgen Krüger ist stellvertretende SPD-Fraktionschef und steht an der Spitze des Stemwarder Ortsbeirats, sagt über Germer: „Er ist sehr tiefsinnig und ein sehr kompetenter Kollege. Man kann Spaß mit ihm haben.“ Krüger zielt dabei auf die kleine Runde nach den Ortsbeiratstreffs, wo man sich bei einem Bier nicht nur über politische Themen unterhält. Übrigens: Auch wenn Germer nicht mehr in die Pedalen treten kann, fungiert er weiterhin als Ansprechpartner des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) in Barsbüttel.