Glinde. SPD stellt Antrag. Das 1894 errichtete Gebäude ist seit einem Brand unbewohnbar. Wie die Idee bei anderen Parteien ankommt.
Seit einem Brand im Dezember 2019 ist der Togohof in Glinde unbewohnbar. Die Immobilie gehört der Stadt. Sie möchte eigentlich das Gebäude samt Grundstück per Erbpacht abgeben. Den Prozess hat die Politik in Gang gebracht. Ein Verkauf ist nicht beabsichtigt. So behält die Kommune nämlich ihr Tafelsilber, das Areal in einem Grünzug ist mehrere Tausend Quadratmeter groß. Der Wert dürfte langfristig steigen. Geht es nach der SPD, wird so schnell kein Vertrag unterschrieben. Sie will die Immobilie sanieren und dort Flüchtlinge unterbringen. Andere Fraktionen stehen dem offen gegenüber.
„Laut der Versicherung ist das Haus kein Totalschaden und die Substanz soweit in Ordnung. Es muss in einem Maß hergerichtet werden, dass man darin wohnen kann. Es bedarf keiner Blümchentapeten“, sagt Frank Lauterbach, Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten. Die Partei hat einen entsprechenden Antrag verfasst für die Sondersitzung der Stadtvertretung am Donnerstag, 12. Oktober, im Festsaal des Bürgerhauses. Das Parlament trifft sich schon um 18 Uhr und soll eine Stunde tagen. „Die jüngste Entwicklung des zunehmenden Flüchtlingsstromes diktiert uns fast jeden zur Verfügung stehenden Platz“, heißt es in dem Dokument. Glinder würden mit sehr viel Unverständnis reagieren, wenn die Verwaltung nicht zuerst das nutze, worauf sie den direkten Zugriff habe.
Glinde kommt mit Anmietung von Objekten nicht weiter
Glinde ist bei der Quote nicht mehr im Soll. Aktuell sind weniger Geflüchtete untergebracht als gesetzlich zugewiesen. Ein Aufruf an die Bevölkerung, Wohnungen und Häuser an die Stadt zu vermieten, brachte nicht den gewünschten Erfolg. Wie berichtet, hatte Bürgermeister Rainhard Zug vor Kurzem ein Krisentreffen mit Teilnehmern aller Fraktionen einberufen. Man erörterte, wo zusätzlicher Wohnraum für Menschen aus Kriegs- und Krisenregionen geschaffen werden kann. Klar ist, dass Glinde selbst bauen muss. Ob an einem oder mehreren Standorten und vor allem wo? Das ist ungewiss. Alle hüllen sich in Schweigen. Der Verwaltungschef beschrieb die Situation jedenfalls als dramatisch und sprach daher auch von größeren Anlagen.
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Eine davon liegt am Schlehenweg unweit der Kreisstraße 80 mit vier roten Häusern in Modulbauweise. In einem Objekt ist Platz für 26 Personen. Neun solcher Komplexe sind dort möglich. Allerdings hat man der Bevölkerung zugesagt, deutlich weniger zu erstellen. Glinde wünscht sich eine hohe Akzeptanz bei weiteren Einrichtungen. Beim Togohof sieht die SPD diesbezüglich offenbar keine Probleme.
Die Mängelliste für den Togohof ist lang
Das 1894 errichtete Gebäude mit seinen drei Geschossen war früher Verwaltungssitz sowie Polizeistation. Zuletzt diente es als Obdachlosenunterkunft. Seit dem Brand steht es leer. Die Feuerwehr rettete die Bewohner. Vier Männer hielten sich damals in der Immobilie auf. Niemand wurde verletzt. 16.000 Euro zahlte die Versicherung. Mit dem Geld wurden zum Beispiel verkohlte Abhangdecken inklusive Bodenbeläge abgebrochen und entsorgt. Mitte 2021 fertigte die Verwaltung für die Politik einen Bericht über den Zustand des Togohofs an. Die Mängelliste ist lang: Setzrisse, eine veraltete Wärmedämmung, Schimmelbildung, tragende Holzbalken, die stark in Mitleidenschaft gezogen sind, Kessel und Gasbrenner abgängig.
Daraufhin entschlossen sich die Parteienvertreter, nicht mehr in das Haus zu investieren. Es steht übrigens trotz seines Alters nicht unter Denkmalschutz. 15.000 Euro wurden im Haushalt 2023 für das Vergabeverfahren bereitgestellt. Auf Nachfrage dieser Redaktion bekundete die Wichern-Gemeinschaft, die nebenan ein Alten- und Pflegeheim betreibt, im Dezember vergangenen Jahres Interesse. Ihre Idee: die Unterbringung einer Pflegegemeinschaft im Togohof mit Anbindung ans Haupthaus. Allerdings hatten Verantwortliche das Objekt noch nicht inspiziert.
Erbpacht-Thema wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt
Rainhard Zug berichtete damals von zwei Anfragen aus der Nachbarschaft. Den Parteien hat er bis heute noch keinen Anwärter präsentiert. Seine Begründung: „Es gibt nur eine Willensbekundung und keinen formalen Beschluss. Die Vorlage ist in jeder Sitzung der Stadtvertretung im nicht öffentlichen Teil auf der Agenda, immer wieder wird die Sache vertagt.“ Der Bürgermeister will das Areal exakt zuschneiden, dafür müssen Vermessungen vorgenommen werden. Scheinbar gibt es bei Ausgestaltung der Vorlage Unstimmigkeiten.
Mit der Erbbauregelung kann Glinde auch zu einem späteren Zeitpunkt auf den Immobilienmarkt gehen, so das Kalkül der SPD. Der CDU-Vorsitzende Claus Peters sagt zum Antrag der Sozialdemokraten: „Ich sehe das noch nicht. Es gibt sicher eine schnellere und einfachere Lösung mit Containern. Erstmal müssten wir die Kosten prüfen für eine Sanierung des Togohofs.“ FDP-Fraktionschef Thomas Kopsch blockt nicht gleich ab: „Das kann man machen. Wir fürchten nur, dass wir nicht rechtzeitig fertig werden und die Kapazität nicht allzu groß ist.“ Ähnlich klingen die Grünen. Fraktionschef Lüder Lückel: „Es ist ja bekannt, dass wir Probleme mit der Unterbringung haben. Deswegen muss man sich natürlich darüber unterhalten. Grundsätzlich stehen wir der Idee offen gegenüber.“