Glinde. Bürgermeister Rainhard Zug spricht von dramatischer Situation und beruft interfraktionelle Runde ein. Was jetzt ausgelotet wird.

Nur noch ein Dutzend freie Plätze, bei der Quote nicht im Soll, und in den ersten beiden Oktoberwochen stehen schon wieder neun Zuweisungen an: Die Lage spitzt sich auch in Glinde zu, die Stadt sucht händeringend nach Wohnraum für Geflüchtete. „Ich halte die Situation für dramatisch“, sagt Bürgermeister Rainhard Zug. Der Verwaltungschef hat jetzt eine interfraktionelle Runde einberufen mit Vertretern aller Parteien, um das weitere Vorgehen zu besprechen. Über Details des Krisentreffs haben alle Seiten Stillschweigen vereinbart. Nach Information dieser Redaktion will Zug am 5. Oktober im Bauausschuss konkrete Vorschläge machen, wo die Kommune selbst ein Gebäude oder auch mehrere baut.

Vor Kurzem hatte das Rathaus einen Aufruf gestartet, die Bevölkerung gebeten, Wohnungen und Häuser an die Stadt zu vermieten. Aktuell werden in Glinde weniger Geflüchtete untergebracht als gesetzlich zugewiesen. Die Menschen wurden auf andere Kommunen verteilt. Die Reaktionen auf den Appell waren enttäuschend. Alle wissen: Über diesen Weg wird Glinde sein Problem nicht lösen. Deshalb muss man selbst tätig werden und Heime erstellen. Eine große Flüchtlingsunterkunft befindet sich am Willinghusener Weg gegenüber dem Friedhof. Diese zu erweitern, ist nicht einfach. Glinde müsste Wald roden und Ausgleichsflächen schaffen. Vier rote Häuser in Modulbauweise stehen auf dem städtischen Areal nahe der Kreisstraße 80 am Schlehenweg. Neun solcher Objekte sind an dem Standort möglich. Zuletzt hatte man Anfang 2022 ein Gebäude hinzugefügt. „Bei einer Versammlung in der Vergangenheit waren 300 Menschen vor Ort. Ihnen wurde zugesagt, dass deutlich weniger als neun Häuser gebaut werden“, berichtet der Bürgermeister.

An der Straße Am Berge werden Tiny Houses aufgestellt

Diese Aussage kann auch so verstanden werden: Bevor hier aufgestockt wird, sind andere Flächen in der Stadt zu prüfen. Dem Vernehmen nach soll der Rathauschef ein Grundstück in einem Gewerbegebiet ins Visier genommen haben. Er will eruieren, ob eine Pacht möglich ist. Eigentlich möchte Glinde Menschen aus Kriegs- und Krisenregion dezentral unterbringen. Aufgrund der neuen Entwicklungen sagt Zug jetzt aber: „Wir werden nicht Monate über größere Anlagen nachdenken müssen.“

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Fest steht, dass an der Straße Am Berge drei mobile Wohneinheiten, sogenannte Tiny Houses, aufgestellt werden. Im Dezember soll das Projekt mit Platz für 18 Personen umgesetzt sein. An den Baukosten in Höhe von 400.000 Euro beteiligt sich das Land mit 75 Prozent. Der Zuwendungsbescheid ist am 15. September bei der Glinder Verwaltung eingegangen. In Möbel und Küchengeräte investiert die Stadt zusätzlich 12.000 Euro. Wahrscheinlich wird die Einrichtung schnell komplett belegt sein.

Bürgermeister kann Belegung von Sporthallen allein entscheiden

Derzeit hat Glinde 443 Menschen in eigenen oder angemieteten Wohnobjekten untergebracht, darunter auch anerkannte Asylbewerber und Obdachlose. 2015 hatte die Stadt als Reaktion auf den Flüchtlingsstrom Sporthallen an Schulen belegt. Dieses Thema wurde beim Treffen des Bürgermeisters mit den Politikern ebenfalls angesprochen. „Das ist auch jetzt eine Option, allerdings die letzte“, sagt Zug. In der kleinen Sporthalle am Tannenweg sei Platz für bis zu 60 Menschen. „Wir haben Einbauten wie Trennwände eingelagert, der Standort wäre innerhalb einer Woche aktivierbar.“

Darüber kann Zug im Alleingang entscheiden, was er aber nicht beabsichtigt: „Natürlich will ich die Politik mit ins Boot nehmen.“ Die Parteienvertreter sind in dieser Angelegenheit auf einer Linie mit dem Bürgermeister. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Lauterbach: „Zumindest zum jetzigen Zeitpunkt sollten wir Schulsporthallen auf gar keinen Fall belegen, müssen alle anderen Optionen ausloten.“ Land und Bund seien gefordert, die Kommunen zu unterstützen. Er glaube Zusagen erst, wenn das Geld in Glinde angekommen sei. Lüder Lückel von den Grünen sagt: „In dem Moment, wo wir Menschen nicht anders versorgen können, müssen wir sie in Sporthallen unterbringen. Wir können sie im Winter nicht in Zelten beherbergen.“ Glinde arbeitet jetzt intensiv daran, um dieses Szenario zu vermeiden.