Glinde. Villa Togohof in Glinde ist sanierungsbedürftig. Politik muss entscheiden, ob die Stadt investiert. Bürgermeister positioniert sich.
Es ist ein Bild des Jammers: die Fassade beschmiert, Fenster mit Sperrholzplatten abgedeckt, dazu jede Menge Moos auf den Dachziegeln und durchrostete Regenrinnen. Drinnen sieht es auch nicht besser aus. Der Togohof in Glinde, 1894 erbaut und früher Sitz der Verwaltung, ist in einem erbärmlichen Zustand. Das bis zu dreigeschossige Gebäude steht derzeit leer, ist nach einem Brand im Dezember 2019 unbewohnbar. Was nun? Diese Frage sollen demnächst die Politiker beantworten. Alles scheint möglich: Sanierung in Eigenregie, Verkauf oder Abriss. Die Entscheidung ist keine leichte.
Bürgermeister Rainhard Zug hat sich schon positioniert. Er würde das Haus am liebsten verkaufen, sagt aber: „Es muss erhalten bleiben und eine Sanierung zur Auflage gemacht werden.“ Eine Kostenschätzung, um die Immobilie auf Vordermann zu bringen, hat das Bauamt ob der vielen Unwägbarkeiten noch nicht vorgenommen. Es gilt jedoch als sicher, dass mindestens ein hoher sechsstelliger Betrag fällig ist. Womöglich wird es sogar teurer als eine Million Euro. Über die Beschaffenheit des Togohofs berichtet die Verwaltung detailliert an diesem Donnerstag im Bauausschuss, eine Beschlussvorlage liegt nicht vor. Danach sollen die Parteien Gelegenheit haben, sich intern zu beraten.
In dem Bericht des Rathauses sind diverse Mängel aufgeführt. Zum einen ist die Wärmedämmung nicht mehr zeitgemäß. Das Gebäude hat größere Setzrisse, die tragenden Holzbalken sind stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Verwaltung prangert „schlechtes Heiz- und Lüftungsverhalten der Nutzer“ an. Zum Beispiel wurde in den Räumen bei geschlossenen Fenstern gekocht, in regelmäßigen Zeitabständen kam es zu sehr viel Schimmelbildung. Die Rede ist auch von Wasserschäden.
Versicherung zahlte nach Brand 16.000 Euro
Die Haustechnik befindet sich ebenfalls im katastrophalen Zustand. „Demnach muss die gesamte Elektroinstallation von der Hauseinspeisung bis zur Steckdose nach den derzeitig gültigen VDE-Normen und VDE-Verordnungen auf Neubaustand erneuert werden“, heißt es. Trinkwasserleitungen sind mitunter noch jene, die beim Bau installiert wurden. Schlimm ist es auch um die Heizung bestellt. Kessel sowie Gasbrenner sind alt und abgängig, energetisch nicht mehr auf dem heutigen Stand. Die Rohrisolierung ist zum großen Teil nicht mehr vorhanden.
Der Brand vor eineinhalb Jahren hat die Situation noch einmal verschlechtert. Damals war der Togohof Obdachlosenunterkunft. Die Feuerwehr konnte alle Bewohner retten. Ein Zimmer wurde zerstört, angrenzende Flure und Räume wurden beschädigt. Die Versicherung hat rund 16.000 Euro gezahlt. Mit dieser Summe wurden verrauchte Bereiche entgast, die verrußten Putzflächen der Wände abgeschlagen und die verkohlten Abhangdecken inklusive Bodenbeläge abgebrochen und entsorgt.
Um die Sinne zu schärfen, hat Zug die Politiker kurz vor der Bauausschusssitzung zur Ortsbegehung geladen. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Thomas Kopsch kann sich mit der Idee, das Gebäude zu veräußern, schon jetzt anfreunden. Er sagt: „Es verkommen zu lassen, ist die schlechteste Lösung.“ Sein Pendant von der CDU, Rainer Neumann, betont, er sehe keine sinnvolle Nutzung für Glinde. Er fürchtet ein zu hohes Investitionsvolumen für die Stadt, sagt: „Es wird wohl eher auf einen Verkauf hinauslaufen.“ Das Grundstück sei jedenfalls sehr interessant. Bei einem Abriss solle im Fall eines Neubaus kein großes Gebäude entstehen. Der Togohof steht nicht unter Denkmalschutz, für einen Villa-Ersatz muss der Bebauungsplan jedoch geändert werden.
Gebäude diente auch als Polizeistation
Das ist für Jan Schwartz von den Grünen kein Thema. „Ich bin für den Erhalt des Gebäudes, aber skeptisch, ob es die Stadt selbst hinbekommt. Wir haben viele andere Projekte vor uns.“ In den kommenden Jahren investiert die Kommune zum Beispiel viele Millionen Euro in Schulen. Zudem hofft der Politiker immer noch, dass Glinde die Suck’sche Kate in der Dorfstraße kauft. Das historische Haus mit seinem Reetdach ist in Privatbesitz, der Eigner lässt es verkommen, obwohl er eine Sanierung versprochen hatte. Darüber sind viele Bürger empört.
Die SPD will ebenfalls den Fortbestand des Togohofs und von der Verwaltung eines Kostenschätzung zwecks Sanierung. Diese Option hat Bürgermeister Zug bereits vorgeschlagen. Er würde ein Fachbüro mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragen. Dafür müsste die Politik dann Geld bewilligen.
Glinde, damals noch Gemeinde, hatte die Immobilie 1942 gekauft. Von 1948 bis 1967 war sie Sitz der Verwaltung. Danach diente der Togohof als Polizeistation, Flüchtlings- und zuletzt als Obdachlosenunterkunft.