Glinde. Auf dem Marktparkplatz gilt die Zwei-Stunden-Regel. Beschäftigte am Ort ignorieren das und müssen zahlen. Was sie vorschlagen.
Allein vom 14. bis 26. September hat Ricardo Spiegel vier Strafzettel kassiert wegen Überschreitung der Maximalverweildauer von zwei Stunden auf dem großen Parkplatz am Glinder Markt. Pro Knöllchen zahlte der 48-Jährige 20 Euro. Seit April liege er bei den Tickets im zweistelligen Bereich, habe das Gefühl, dass gerade jetzt noch mehr kontrolliert werde. Der Unternehmer betreibt einen Friseursalon direkt im Ortszentrum. Angestellte von am Markt ansässigen Firmen stöhnen ebenfalls über viele sogenannte Verwarngelder. Sie alle sind sauer auf die Stadt, man ärgert sich insbesondere über das Ordnungsamt. „Ich ziehe Kaufkraft nach Glinde, mein Laden ist immer voll. Zum Dank dafür werde ich abgestraft“, sagt Spiegel mit sarkastischem Unterton.
Der Haarspezialist bedient Kunden in der Kommune seit 16 Jahren. Erst hatte er sein Geschäft in der früheren Kneipe Filou an der Ecke Ohe Weg/Avenue Saint Sebastien, die inzwischen einem Haus mit Wohnungen und Geschäften im Erdgeschoss gewichen ist. Das aktuelle 180 Quadratmeter große Geschäft hat Spiegel von Glunz Immobilien gemietet. In dem Komplex, der bis an das Bürgerhaus grenzt, ist auch ein griechisches Restaurant. Die Commerzbank-Filiale existiert dort nicht mehr. Dem Eigentümer gehört auch der kleine Parkplatz auf der Hinterseite des Gebäudes Richtung Hauptstraße. Hier hat Spiegel lange das Auto kostenlos geparkt –wie auch viele andere in der City beschäftigte Personen. Der Bereich war öffentlich zugänglich.
Vom Ordnungsamt beim Weiterdrehen der Parkscheibe erwischt
Seit rund einem halben Jahr ist er jedoch gesperrt. Auf der Westseite verhindern Betonblöcke die Zufahrt, wenige Meter weiter ist ein Zaun aufgestellt samt Schiebegitter. Den Schlüssel dafür hat der Friseur. Er darf Materialien ausladen, darf das Auto dort aber nicht stehen lassen. „Glunz wird das Gebäude energetisch sanieren. Fenster und Heizung werden erneuert, genauso wie die Fassade“, berichtet Spiegel. Wann es genau losgeht, weiß er nicht. Nur eines sei sicher: Die Arbeiten würden bis ins Jahr 2024 hinein dauern.
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Für Spiegel und seine Mitarbeiterinnen ist das ein großes Problem. Sie müssen in der Regel auf den städtischen Parkplatz ausweichen mit der Zwei-Stunden-Begrenzung. Wegen mangelnder Alternativen, an anderen Stellen sei um 7.30 Uhr alles belegt. „Ich habe Personalnot, früher waren wir zu fünft im Geschäft, jetzt sind wir meistens zwei Personen, nur manchmal drei. Da kann ich nicht alle 120 Minuten rauslaufen und an der Parkscheibe drehen.“ Selbst das ist nicht regelkonform und kann bestraft werden. Diese Erfahrung hat Tanja Eichelberg gemacht, die bei einem Bekleidungsgeschäft in der Passage als Verkäuferin arbeitet. „Ich war gerade dabei, eine neue Ankunftszeit einzustellen, als mich das Ordnungsamt quasi auf frischer Tat erwischt hat“, sagt die 49-Jährige. Sie lebt in Linau und sei auf das Auto angewiesen. 40 Minuten benötige es morgens, um nach Glinde zu kommen. „Die öffentlichen Verkehrsmittel sind keine Option bei rund zwei Stunden Anfahrt.“ Ihre Bilanz: fünf Knöllchen binnen sechs Monaten.
Bürgermeister Rainhard Zug lehnt Ausnahmegenehmigungen ab
Manchmal gelingt es ihr, das Fahrzeug an der Avenue Saint Sebastien abzustellen. „Da wurde mein Auto einmal gerammt. Der Täter hat Fahrerflucht begangen. Ich war bei dem 1000-Euro-Schaden mit 300 Euro Selbstbeteiligung dabei und wurde in der Versicherung hochgestuft“, sagt Eichelberg. Mitunter sei sie allein im Laden. „Dann ist es gar nicht möglich, den Pkw auf dem großen Platz umzuparken.“ Ihre Kollegin Angelique Reimer (35) aus Braak liegt im firmeninternen Ranking auf Platz eins mit zehn Strafzetteln. Die Frauen wünschen sich, dass die Stadt ihnen einen Schein ausstellt, der sie berechtigt, während der Arbeitszeit die Fläche zu nutzen.
Daraus wird nichts. Bürgermeister Rainhard Zug sagt: „Der große Parkplatz ist in erster Linie für Kunden und nicht für Mitarbeiter von Firmen. Es wird keine Ausnahmegenehmigungen geben.“ Glinde habe sogenannte Überliegerparkplätze in der Avenue Saint Sebastien, der Sönke-Nissen-Allee, an der Straße Am Sportplatz sowie im erweiterten Bereich des Gutshauses. Dort ist das Gratis-Abstellen ohne Zeitbegrenzung erlaubt. Natürlich stellt sich die Frage, ob es nicht sinnvoll wäre für Spiegel und Eichelberg, einen Parkplatz zu mieten, um weiteren Knöllchen-Ärger zu vermeiden. „Es gibt nicht viele Mietstellplätze in Glinde. Und wenn sie verfügbar sind, ist es teuer“, so Zug.
Rathaus verneint vermehrte Kontrollen am Markt
Anfang September hatte Friseursalonbetreiber Spiegel, der in Breitenfelde lebt, einen Termin beim Verwaltungschef im Rathaus. „Ich konnte ihm keine Lösung anbieten“, sagt Zug. Was er dem Unternehmer allerdings mitteilte: „Es gibt die politische Diskussion, die Parkdauer von zwei auf vier Stunden zu erweitern.“ Diese Aussage ist auch für Jens Buhrandt unbefriedigend. Der 35-Jährige leitet die Filiale des Optikers Fielmann und ist Vorgesetzter von 17 Mitarbeitern. Eine Kollegin habe bereits fünf Strafzettel kassiert. „Das Wechseln der Kontaktlinsen dauert manchmal länger als zwei Stunden, da kann man nicht mal eben aufstehen und den Pkw umparken“, sagt Buhrandt.
Andrea Köhler, Sachgebietsleitung Ordnungsamt, widerspricht Vermutungen, die städtischen Mitarbeiter würden auf dem Marktparkplatz vermehrt kontrollieren. Ricardo Spiegel wird noch einige Zeit mit der Zwei-Stunden-Regel leben müssen. „Nach der Sanierung wurde mir vom Vermieter in Aussicht gestellt, Parkplätze zu mieten. Wenn die Möglichkeit besteht, nehme ich gleich drei auch für meine Angestellten.“ Im September bezahlte der Friseur übrigens für drei Knöllchen im Voraus. Auch da versteht die Stadt keinen Spaß und hat die 60 Euro zurück überwiesen..