Glinde. Dritter Abschnitt für Wohnbauprojekt am Alten Gleisdreieck wird freigeräumt. 120 Einheiten in zentraler Lage. Das ist der Zeitplan.
Das Dach einer Hütte hat Rainer Müller mit der Schaufel seines 35 Tonnen schweren Baggers bereits abgetragen, dazu sechs große Behälter zerlegt. Zwei Kollegen sortieren die Materialien für die Entsorgung. Auf dem Grundstück an der Möllner Landstraße in Glinde, wo bis Dezember vergangenen Jahres noch ein Auto-Service mit Reifenhandel und Werkstatt beheimatet war, ist jetzt Kahlschlag angesagt. Das Haupthaus und die Nebengebäude werden dieser Tage abgerissen. Den Platz benötigt das Unternehmen Semmelhaack für sein Wohnbauprojekt, welches in drei Abschnitte unterteilt ist. Nun wird das letzte Baufeld leergeräumt. Im Mai soll auf dem Stück damit begonnen werden, einen Riegel mit Geschosswohnungen in die Höhe zu ziehen.
In zentraler Lage am Alten Gleisdreieck entstehen 31 Reihenhäuser und 89 Wohnungen in zwei Gebäuden mit jeweils vier Geschossen plus Staffelebene, davon 36 öffentlich gefördert, die allesamt vermietet werden. Semmelhaack plant mit einem Investitionsvolumen von 34 Millionen Euro. „Alle Aufträge sind vergeben, zum Glück haben wir keine Lieferengpässe“, sagt Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung und Mitglied der Geschäftsleitung. Der Abriss auf dem vorderen Teil des Geländes muss jetzt geschehen, um den Zeitplan einzuhalten. Im Mai 2022 war Startschuss. Seitdem ist viel passiert an der Straße, auf der man zu den Sportstätten des TSV Glinde gelangt. Die Arbeiten gehen bislang zügig voran. An sechs Tagen in der Woche sind Handwerker im Einsatz.
6,25 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter bei 28 Wohnungen
Die Reihenhäuser ragen schon empor, im zweiten Baufeld wird gerade der Keller des Mehrfamilienkomplexes gefertigt. Quer über das Areal sind Werkstoffe gelagert, drei große Kräne schwingen hin und her. Bei den niedrigeren Immobilien sind Unterflursysteme für Müllentsorgung installiert. „Wir schaffen hier ein Nahwärmeversorgungsnetz auf Biogasbasis. Es gibt eine Heizanlage für das gesamte Quartier“, so Thede.
Im August sind die ersten Reihenhäuser mit ihren 110 Quadratmetern über drei Ebenen nach seinen Angaben bezugsfertig, die anderen Ende des Jahres. 13 Euro kalt beträgt die Miete pro Quadratmeter in diesem Segment. Ab März 2024 soll das erste Mehrfamiliengebäude bewohnbar und das komplette Projekt im Juni oder Juli umgesetzt sein. Von den 36 Sozialwohnungen werden 28 über den ersten Förderweg vergeben. Das bedeutet: 6,25 Euro Kaltmiete. Bei Variante zwei für Menschen mit höherem Einkommen sind es acht Euro. Die Preisbindung ist auf 35 Jahre festgelegt. Bei Bleiben im frei finanzierten Bereich ist es natürlich teurer. Die Spanne reicht von 10,50 bis 13 Euro – je nach Lage.
- Neues Stadtzentrum: Braucht Glinde dafür einen City-Manager?
- Tempo 30? Neue Entwicklungen am Papendieker Redder in Glinde
- Immobilien: Warum ruht ein großes Wohnbauprojekt in Glinde?
Im Mai wird Semmelhaack mit der Vergabe beginnen. Allein für die Wohnungen sind laut dem Unternehmen rund 260 Personen auf einer Warteliste registriert. „In der Stadt sehnt man die Fertigstellung offenbar herbei. Ich werde auf dem Wochenmarkt sehr oft von Leuten angesprochen“, sagt Thede. Er lebt in Glinde.
Wie berichtet, hat sich das Projekt mehrfach verzögert. Zudem war es in anderer Form geplant. Ursprünglich wollte Semmelhaack 153 Wohnungen in sieben Gebäuden mit 60-prozentigem öffentlich geförderten Anteil umsetzen. Die Politik bewilligte den entsprechenden Bebauungsplan im Mai 2015. Das Unternehmen kaufte der Stadt ein 1,2 Hektar großes Grundstück für 75 Euro pro Quadratmeter ab, man orientierte sich bei der Wertermittlung am Gutachterausschuss des Kreises. Eine Bürgerinitiative, die das Waldstück erhalten wollte, schaltete die Kommunalaufsicht ein. Ihr Standpunkt: Glinde hat zu günstig veräußert. Sie bekam Recht.
Bürgerinitiative hat Klage gegen die Stadt zurückgezogen
Semmelhaack musste draufzahlen – 170 Euro standen nun für den Quadratmeter. Unter diesen Voraussetzungen war die Sache für die Firma mit Sitz in Elmshorn nicht mehr wirtschaftlich, also steuerte sie um und speckte ab auf 89 Wohnungen mit 62 geförderten. Zugleich wurden 31 Reihenhäuser in die Planung integriert. Die Politik spielte mit. Allerdings war die Initiative hartnäckig, ging gegen den Bebauungsplan vor. Eine Normenkontrollklage im Eilverfahren wurde vom Oberverwaltungsgericht Schleswig zwar abgewiesen, im Hauptverfahren wäre eine andere Entscheidung zumindest möglich gewesen. Ein Termin dafür war lange nicht absehbar. Das Wohnungsbauunternehmen wollte kein Risiko eingehen und wartete erst einmal ab.
Weil unter anderem die KfW-Förderung abgerufen werden musste, ging Semmelhaack schließlich in die Offensive und avisierte den Baubeginn, stellte zugleich aber neue Bedingungen: eine weitere Reduzierung bei den Sozialwohnungen. Die Parteienvertreter stimmten der Modifizierung des städtebaulichen Vertrags Ende 2021 mehrheitlich zu. Für das Entgegenkommen erhöht das Unternehmen seine Beteiligung am Verkehrskreisel an der Ecke Möllner Landstraße/Am Sportplatz von 330.000 auf 425.000 Euro.
Die Bürgerinitiative hat ihre Klage inzwischen zurückgezogen. „Wir wollten das Gleisdreieck im ursprünglichen Zustand als Biotop erhalten. Es ist unrealistisch, dass man selbst im Fall eines positiven Gerichtsentscheids für uns die Gebäude abgerissen hätte“, sagte Sprecher Michael Riedinger gegenüber dieser Redaktion im vergangenen Oktober. Eine Woche später wäre die erste mündliche Verhandlung am Oberverwaltungsgericht gewesen.