Glinde. 2020 beschlossener Rahmenplan zur Stadtentwicklung wackelt.„Könnte bedeuten, dass alles eine Nummer kleiner wird.“

ln der Diskussion um die Einführung einer Stellplatzsatzung haben Glinder Kommunalpolitiker ein neues Fass aufgemacht. Sie zweifeln die Umsetzung des sogenannten Rahmenplans für die City an, der 2020 beschlossen wurde und Leitlinien für die städtebauliche Entwicklung festlegt. In ihm sind unter anderem 300 neue Wohnungen, 100 davon öffentlich gefördert, 4000 Quadratmeter zusätzliche Einzelhandelsflächen und eine Tiefgarage aufgeführt. So soll die 18.500-Einwohner-Stadt in Stormarns Süden attraktiver werden. Geschehen ist bislang nichts. Deshalb erwägen Parteienvertreter eine Überarbeitung des Dokuments. Es könnte demnach ein neues Innenstadt-Konzept entstehen mit weitaus weniger Gestaltungsmöglichkeiten als angedacht.

Die Novellierung brachte der CDU-Ortsvorsitzende Claus Peters im jüngsten Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz ins Spiel, sprach dabei von einer Anpassung und dass man den Plan hinterfragen müsse. Es ist keine Einzelmeinung. Rainer Neumann, Fraktionsvorsitzender der Christdemokraten, bestätigt eine Absprache innerhalb der Partei. Peter Michael Geierhaas, umweltpolitischer Sprecher der SPD, sprang im Gremium sofort auf die Idee an: „Auch für mich stellt sich die Frage, ob wir korrigieren müssen.“ Im Nachgang sagte er dieser Redaktion: „Es könnte bedeuten, dass alles eine Nummer kleiner wird.“ Wolf Tank von den Grünen äußert, er sei skeptisch mit Blick auf Verwirklichung des aktuellen Rahmenplans.

City-Konzept: Experte für City-Management wird in Ausschuss geladen

Dass eine solche Debatte Fahrt aufnimmt, will auch FDP-Fraktionschef Thomas Kopsch nicht ausschließen: „Wenn Dinge nicht realisierbar sind, muss man reagieren.“ Zuerst wollen sich die Liberalen von einem Experten für City-Management beraten lassen, der sich zu Problemen einer Innenstadtentwicklung äußert und Lösungsansätze skizziert. Der entsprechende Antrag fand eine knappe Mehrheit. Beim nächsten Treffen am 9. März hofft Kopsch auf einen Erkenntnisgewinn.

Mehr als zwei Dutzend institutionellen Anlegern wie Glunz Immobilien, Stiftungen oder Einzelpersonen gehören weitläufig um den Marktplatz Gebäude und Flächen. Die Neugestaltung hängt davon ab, ob sie investieren oder Häuser und Grund an Unternehmen veräußern, die dann bauen. Im vergangenen Juni berichtete Bürgermeister Rainhard Zug der Politik von grundsätzlichen Schwierigkeiten: Investoren wollten nur einen 20-Prozent-Anteil bei den Sozialwohnungen. Das steht dem Grundsatzbeschluss mit 30 Prozent bei Neubauten entgegen. Bauinteressenten begründeten ihre Haltung unter anderem damit, dass Autos in einer Tiefgarage untergebracht werden. Sie ist im Rahmenplan als Ersatz für den öffentlichen Parkplatz vorgesehen. Geschätzte Kosten für 600 unterirdische Abstellmöglichkeiten: bis zu elf Millionen Euro. 50 Prozent davon müsste die Stadt tragen. Das war aber vor dem Ukraine-Krieg. Es dürfte teurer werden. Zug nannte eine Finanzierung in dieser Größenordnung illusorisch.

Der nun von der Verwaltung vorgelegte Entwurf einer Stellplatzsatzung gilt nur für künftige Bauprojekte und beinhaltet eine sogenannte Verringerung der Herstellungspflicht sowie eigene Regeln für die City. Das als Sonderzone A deklarierte Gebiet erstreckt sich vom Sandweg im Westen bis zur Straße Am Sportplatz im Osten. Die wichtigsten Zahlen: Im öffentlich geförderten Wohnungsbau liegt der Schlüssel bei 0,5 bis 75 Quadratmeter und bei 0,7 für größere Bleiben. Das heißt mitunter: nur noch ein Auto pro zwei Wohnungen. Bei identischen Größen im frei finanzierten Bereich sind es ein und zwei Kfz-Stellpätze.

Chef der Gewerbevereinigung meldet Bedenken an

Das Rathaus hat sich an Musterstellplatzsatzungen orientiert, führt in der Vorlage als Beispiel für Schleswig-Holstein im Geschossbau bei 36 Wohnungen sogar einen Schlüssel von 0,2 auf. Das Signal: Auch diese Reduzierung ist möglich. Florian Witt, Vorsitzender der Gewerbevereinigung Glinde, war nicht ohne Grund zur Sitzung gekommen. Er ergriff in der Einwohnerfragestunde das Wort: „Wir sehen das sehr, sehr kritisch. Das Parkkonzept ist derzeit attraktiv.“ Seine Botschaft ist eindeutig: Im Fall einer Umsetzung des Rahmenplans und dem Anwenden der Stellplatzsatzung fürchten Unternehmen den Verlust von Kunden.

Momentan gibt es am Markt 300 Parkplätze, die zwei Stunden gratis genutzt werden können. Das ist die maximale Verweildauer. Parkautomaten sind nicht aufgestellt. An einem ausreichenden Gratisangebot im öffentlichen Raum will die Politik künftig festhalten – unabhängig von baulichen Veränderungen. In der Verwaltungsvorlage heißt es: „Es ist davon auszugehen, dass es zu einer Erhöhung des Parkdrucks kommen wird, wenn man sich für eine Verringerung der Stellplatzanzahl in bestimmten Bereichen wie der Ortsmitte entscheidet.“ Christdemokrat Peters urteilte über das Dokument aus dem Rathaus: „Es ist ein ideologischer und weltfremder Ansatz. So funktioniert eine Vorstadt von Hamburg nicht.“ Weniger Angebot führe zu mehr Verkehr, weil die Menschen dann in der Umgebung nach Abstellmöglichkeiten suchten. Als einen „Witz hoch drei“ bezeichnete FDP-Vertreterin Barbara Bednarz den Vorschlag. Parkplätze würden gebraucht.

Selbst Sozialdemokrat Geierhaas, der auf einen Pkw verzichtet und sich mit Bus, Bahn und dem Fahrrad fortbewegt, kann einem niedrigen Schlüssel in der City derzeit nichts abgewinnen. Zum einen sind aus seiner Sicht Radwege zu schlecht, damit Menschen vom Auto aufs Fahrrad wechseln, um in die Innenstadt zu gelangen und dort Einkäufe zu tätigen. „Und die ÖPNV-Anbindung vom Markt ist nur nach Hamburg gut, nicht aber in alle Ecken der Stadt sowie zu Nachbarkommunen.“ Für CDU-Fraktionschef Neumann steht fest: „Wir können keine Verbots- und Verdrängungspolitik betreiben, wie es in der Vorlage zum Ausdruck kam.“ Die Parteienvertreter verzichteten auf eine Abstimmung. Es sind Zweifel angebracht, ob die Stellplatzsatzung in dieser Form zu einem späteren Zeitpunkt eine Mehrheit findet.