Glinde. Ricardo Spiegel darf sein Friseurgeschäft in Glinde am 1. März wieder öffnen. Mit einer besonderen Aktion will er Kindern helfen.

Am kommenden Montag steht Ricardo Spiegel bereits um 4 Uhr auf und damit eine Stunde früher als sonst. Der tägliche Zehn-Kilometer-Lauf vor der Arbeit ist für ihn ein Muss. Dann fährt der 45 Jahre alte Friseurmeister von seinem Wohnort Breitenfelde im Kreis Herzogtum Lauenburg in seinen Salon nach Glinde, wo er bereits um 6.30 Uhr Kundschaft erwartet. Nach zehn Wochen darf er endlich wieder seiner Tätigkeit nachgehen. Und der erste Haarschnitt seit Mitte Dezember ist ein ganz besonderer, denn dieser wird gerade im Internet beim Kleinanzeigenportal eBay versteigert. Den Ertrag wird Spiegel an hilfsbedürftige Kinder spenden.

„Ein Freund, der auch Gewerbetreibender ist, hat mich auf die Idee gebracht“, sagt Spiegel. In diesem Moment klingelt schon wieder sein Handy. Der Anrufer möchte einen kurzfristigen Termin. Doch daraus wird nichts. Bis Mitte März ist der Unternehmer ausgebucht. In seinem Laden am Marktplatz hat er sechs Mitarbeiterinnen, die im Schichtdienst aktiv sind. Maximal vier sind parallel am Start – wegen der Abstandsregel. Spiegel achtet penibel darauf, dass sich die Menschen bei ihm nicht zu nahe kommen. Auf dem dunkelgrauen Linoleumboden sind weißrote Klebestreifen angebracht, das Geschäft ist in Zonen eingeteilt. Desinfektionsspray steht auf einem Tisch im Eingangsbereich, auf einem Zettel sind Dinge skizziert, die einzuhalten sind: zum Beispiel das Tragen einer Maske und das Erscheinen ohne Begleitung.

Geschäftszeiten werden auf 7 bis 21 Uhr erweitert

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr des vergangenen Jahres hat sein Hygienekonzept funktioniert. „Wir hatten hier keine Coronainfektionen“, sagt Spiegel und blickt auf die drei Haarwaschbecken im hinteren Bereich des 180 Quadratmeter großen Salons. Zwischen denen hat er Kunststofftrennwände installiert.

Zwischen den Haarwaschbecken sind Trennwände aus Kunststofffolie installiert.
Zwischen den Haarwaschbecken sind Trennwände aus Kunststofffolie installiert. © René Soukup | René Soukup

Als klar war, dass er wieder öffnen darf, klingelte sein Handy nahezu pausenlos. Der Friseurmeister erweitert nun die Geschäftszeiten, bedient Kunden mit seinem Team unter der Woche von 7 bis 21 Uhr sowie am Sonnabend von 8.30 bis 13.30 Uhr. Damit ist er kein Einzelfall. Auch seine Kollegin Despina Mahn, die am Tannenweg in Glinde einen Salon für Herren betreibt, arbeitet ab kommender Woche länger als üblich. Von einem Ansturm berichtet die Friseurinnung Stormarn. „Die Nachfrage nach zeitnahen Terminen kann im Kreis nicht befriedigt werden“, sagt Imke Karras.

Spiegel, der in Glinde aufgewachsen ist, verdient sein Geld jetzt schon seit 14 Jahren als Unternehmer. 2015 vergrößerte er sich in Glinde, hat zudem ein zweites Geschäft in Schwarzenbek mit vier Angestellten. Corona hat ihn schwer getroffen. Pro Monat macht er zwischen 38.000 und 45.000 Euro Umsatz. Zuletzt stand hier jedoch die Null. Was er durch den erneuten Lockdown verloren habe, sei nicht wieder aufzuholen – auch wenn Spiegel in den kommenden Wochen lange Arbeitstage hat.

Rücklagen für den Betrieb sind aufgebraucht

„Wir haben neun Jahre gespart, keinen Urlaub gemacht. Die Rücklagen für den Betrieb und auch im privaten Bereich sind jetzt weg“, so der Glinder. Seine Frau habe deswegen geweint. Spiegel sagt, er habe Verständnis für die Schließung der Friseurgeschäfte, weil es um die Gesundheit der Bevölkerung gehe. „Aber Geld vom Staat habe ich im zweiten Lockdown noch nicht erhalten.“ Überbrückungshilfe werde er jetzt beantragen, für eine Soforthilfe seien die Umsatzeinbußen zu gering gewesen. „Das hat auch daran gelegen, dass wir in den Tagen vor dem zweiten Lockdown bis kurz vor Mitternacht gearbeitet haben.“ Zumindest im vergangenen Jahr zu Beginn der Pandemie habe er Soforthilfe bekommen. „Die deckt aber nur einen Bruchteil der Fixkosten ab.“

Der Salon befindet sich im Erdgeschoss einer Immobilie am Marktplatz und ist 180 Quadratmeter groß.
Der Salon befindet sich im Erdgeschoss einer Immobilie am Marktplatz und ist 180 Quadratmeter groß. © René Soukup | René Soukup

Das Kurzarbeitergeld seiner Angestellten hat Spiegel im Dezember aufgestockt, das Weihnachtsgeld musste er wegen des fehlenden Umsatzes jedoch streichen. Anderen Friseurmeistern im Kreis ist es noch schlechter ergangen. „Es haben schon Betriebe aufgegeben“, sagt Monika Böhmer, Obermeisterin der Stormarner Friseurinnung. Eine genaue Zahl kann die Ammersbekerin aber nicht nennen.

Spiegel hat sich in den vergangenen zweieinhalb Monaten vermehrt um seinen vier Jahre alten Sohn gekümmert und die gemeinsame Zeit genossen, außerdem im Februar mit einem Freund eine Platte herausgebracht. Der Glinder produziert nebenberuflich elektronische Tanzmusik.

Der Gewinner darf über Empfänger mitentscheiden

Spendenaktionen sind für ihn nichts Neues. Spiegel unterstützt die Tafel mit Gutscheinen und Kitas beim Weihnachtsbasar. Mit dem Geld aus der Haarschnittversteigerung möchte er einer alleinerziehenden Glinderin mit drei Kindern helfen. „Der Gewinner hat aber Mitspracherecht. Auf jeden Fall soll die Summe in der Stadt bleiben, weil ich hier mein Einkommen erwirtschafte“, sagt der Friseur. Die Versteigerung bei eBay endet am Sonntag, 28. Februar, um 20.15 Uhr. Dienstagabend lag das höchste Gebot bei 81 Euro.