Großhansdorf. Ensemble geht mithilfe des Streamingdienstes neue Wege. Sind beliebte Serien wie „Stranger Things“ der Schlüssel zum Erfolg?

Traditionelle, volkstümliche Musikensembles wie Spielmannszüge, Blaskapellen und Gesangvereine haben es nicht leicht. Der Nachwuchs fehlt, die Mitglieder werden immer älter. Viele Gruppen überall im Land haben in den vergangenen Jahren bereits aufgegeben. Auch das Orchester der Freiwilligen Feuerwehr Großhansdorf bekam die Entwicklung zu spüren.

In der Waldgemeinde geht das Ensemble jetzt kreative Wege, um junge Menschen für sich zu gewinnen. Dabei spielen die Streaminggiganten Netflix, Amazon Prime und Disney+ eine entscheidende Rolle: Für das Herbstkonzert am Sonnabend, 7. Oktober, wird das Orchester die Musik aus bekannten Fernsehserien auf die Bühne bringen.

Streamingdienst Netflix hilft: Feuerwehrorchester sucht Nachwuchs

„Wir haben uns in den vergangenen Monaten intensiv damit beschäftigt, wie wir es schaffen können, gezielt Menschen aus der ersten Lebenshälfte als Zuschauer und auch als Mitglieder zu gewinnen“, sagt Dirigent Alexander Karnstedt. Der 35-Jährige hat die musikalische Leitung des 1926 gegründeten Orchesters Anfang 2022 übernommen und sich die Verjüngung des Ensembles zur Aufgabe gemacht. „Viele haben die Vorstellung, ein Feuerwehrorchester sei zwangsläufig Ufftata und Marschmusik. Dieses Klischee stimmt schon lang nicht mehr“, sagt er.

Orchester hätten es heute schwerer als noch vor einigen Jahrzehnten, Neumitglieder zu rekrutieren. „Wir stehen in Konkurrenz zu vielen anderen Freizeitmöglichkeiten, es gibt einfach viel mehr Angebote“, sagt Karnstedt. Hinzu komme, dass sich gerade junge Menschen immer mehr mit digitalen Inhalten beschäftigten, anstatt einem analogen Hobby nachzugehen. „Das merken nicht nur wir, sondern auch Vereine“, so der 35-Jährige.

16 der 45 Orchestermitglieder sind jünger als 30 Jahre

In Großhansdorf setzte man daher auf intensive Nachwuchswerbung, unter anderem an den Schulen. „Am Emil-von-Behring-Gymnasium gibt es seit einigen Jahren eine Bigband, das ist für uns ein großes Glück“, sagt Orchesterführerin Sabine Lange, die für die organisatorische Leitung des Ensembles verantwortlich ist. Bedauerlicherweise legten viele Jugendliche das Instrument weg, sobald sie nicht mehr spielen müssten.

„Deshalb versuchen wir, diese Jungen und Mädchen frühzeitig für uns zu gewinnen, und da spielt es eine wichtige Rolle, dass wir ein zeitgemäßes Repertoire haben, mit dem sich Jugendliche identifizieren können“, so Lange. Und die Bemühungen haben augenscheinlich Erfolg. „16 unserer 45 Mitglieder sind jünger als 30 Jahre“, sagt die Orchesterführerin nicht ohne Stolz.

Dirigent Alexander Karnstedt kam als Jugendlicher zum Orchester

Gleichzeitig fühlten sich die „alten Hasen“ weiterhin in der Gruppe wohl. „Jung und Alt musizieren zusammen, die Altersspanne unserer Mitglieder reicht von 15 bis 80 Jahre“, so Lange. Auch die Senioren hätten an den Serienmelodien Freude. „Es sind einfach schöne Stücke, unabhängig davon, ob man die Serie oder den Film kennt“, sagt die Orchesterführerin.

Dirigent Alexander Karnstadt ist selbst mit dem Orchester aufgewachsen. Der Urgroßvater war ebenfalls Dirigent, der Großvater spielte mit, und der Vater ist noch immer dabei. „Mit zwölf habe ich angefangen, Tuba und E-Bass zu spielen, bin dann als Jugendlicher ins Orchester gekommen, und seitdem hat mich das nicht mehr losgelassen“, sagt der Großhansdorfer.

Der 35-Jährige spielte bereits in einer Rock- und einer Bigband

Nach dem Abitur machte er sein Hobby auch zum Beruf, studierte in Osnabrück Musikerziehung. Dabei ist der 35-Jährige keineswegs nur auf Orchestermusik fixiert. Während des Studiums spielte Karnstedt in einer Rockband, gründete eine Bigband und ließ sich in Jazz- und Rockmusik fortbilden. „Vielleicht habe ich deshalb einen Blick über den Tellerrand, der mir jetzt in meiner Funktion als Dirigent hilft“, sagt der Großhansdorfer, der hauptberuflich als Webproduzent selbstständig ist.

„Das Herbstkonzert steht jedes Jahr unter einem Motto, 2022 war es zum Beispiel Schifffahrt“, sagt Karnstadt. „Als wir zusammensaßen und nachgedacht haben, welches Thema ein jüngeres Publikum ansprechen könnte und welche Art von Musik jüngere Mitglieder gern spielen würden, waren wir schnell bei Filmmusik“, erzählt er. „Aber weil das dann doch schon viele Orchester gemacht haben und auch professionell spielen, sind wir dann irgendwann bei Streamingdiensten hängengeblieben.“

Zu hören gibt es Melodien aus Stranger Things und Haus des Geldes

„Das Motto mag auf den ersten Blick sehr nischig erscheinen, aber irgendwie kennen sich doch die meisten Menschen damit aus“, sagt Karnstedt und verweist auf den Hype, den Formate wie „Squid Game“ oder „Haus des Geldes“ in den vergangenen Jahren entfachen konnten. Der 35-Jährige ist selbst bekennender Serien-Fan. Die Netflix-Hits „Stranger Things“ um eine fiktive Kleinstadt in den USA, die in den 1980er-Jahren von übernatürlichen Ereignissen heimgesucht wird, und „Das Damengambit“ über das Leben des fiktiven Schachgenies Elizabeth „Beth“ Harmon haben es ihm besonders angetan.

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„Wenn ich Filme oder Serien schaue, denke ich als Musiker oft: Hey, das ist eine tolle Melodie, die würde ich gern mal auf der Bühne spielen. Und genau das werden wir jetzt tun“, sagt Karnstedt. Das Repertoire für das Herbstkonzert umfasst unter anderem Melodien aus „Stranger Things“, „Haus des Geldes“ und „Das Damengambit“, aus „Star Trek Picard“ und aus „Star Wars“, das jüngst in Form von Serien wie „The Mandalorian“ und „Obi-Wan Kenobi“ Erfolge bei Disney+ feiern konnte.

Viele Stücke musste Karnstedt für das Orchester selbst umschreiben

Die Idee, Serienmusik auf die Orchesterbühne zu bringen, hätten offenbar zuvor erst wenige gehabt, sagt Karnstadt. „Ich habe bei der Vorbereitung schnell festgestellt, dass es für viele Stücke gar keine Noten für ein Blasorchester gibt.“ Für den 35-Jährigen bedeutete das eine Herausforderung. „Ich habe kurzerhand angefangen, die Noten selbst umzuschreiben“, berichtet der Dirigent. Ein immenser Aufwand, wie sich schnell herausgestellt habe.

Pro Stück sind gut 40 bis 50 Arbeitsstunden draufgegangen, weil ich für jedes Instrument eigene Noten schreiben und anschließend schauen muss, dass alles zusammen funktioniert“, so Karnstedt. Doch das Ergebnis habe sich gelohnt, ist Orchesterführerin Sabine Lange sicher. Zu hören gibt es das am 7. Oktober von 19 bis 21 Uhr im Forum des Emil-von-Behring-Gymnasiums (Sieker Landstraße 203a).

Outfits, Catering und Sofas sollen das Serien-Feeling abrunden

Dann stehen nicht nur musikalisch Serien im Mittelpunkt. „Auch die Outfits unserer Musiker, das Catering und die Dekoration werden zum Thema passen“, sagt Lange. Und wer besonderen Wert auf das authentische Serien-Feeling legt, könne sogar auf einem Sofa anstatt in den Stuhlreihen Platz nehmen.

Karten gibt es für 12 Euro (Schüler 6 Euro, Menschen mit Behinderung 10 Euro) im VVk unter infoqoffg.de oder an der AK.