Hoisdorf. Aufgrund des Flächenbedarfs hat der Sport unter Ökologen einen schlechten Ruf. Eine wissenschaftliche Studie soll das ändern.

Golf ist eine der Sportarten mit dem größten Flächenbedarf. Zwischen 60 und 100 Hektar benötigt es für einen 18-Loch-Kurs. Unter Ökologen haben Golfplätze einen schlechten Ruf: Der akkurat getrimmte Rasen bietet wenig Nahrung für Insekten, hinzu kommt der hohe Wasserverbrauch, um das Gras grün zu halten. Wissenschaftler von vier deutschen Universitäten wollen das ändern.

Gemeinsam mit dem Deutschen Golf Verband (DGV) haben sie das Forschungsprojekt „GolfBiodivers“ ins Leben gerufen. Das Motto: Wildblumen und -kräuter statt Buchsbaum und Thuja. Der Golf-Club Hoisdorf ist einer von bundesweit 16 Vereinen, die bei der Studie dabei sind.

Forschungsprojekt: Golf-Club in Hoisdorf soll zum Insektenparadies werden

„Der Golfsport nimmt natürlich viel Platz in Anspruch, wenn man das mit der Fläche eines Sportplatzes für Fußball oder Leichtathletik vergleicht“, sagt Birgit Riez, Projektkoordinatorin im Vorstand des GC Hoisdorf. Doch ein Großteil des Areals werde gar nicht bespielt. „Diese Flächen möchten wir der Natur zurückgeben“, sagt sie. Und genau darin sieht Pia Tappe, Doktorandin am Institut für Natur- und Ressourcenschutz der Christian-Albrechts-Universität (CAU) zu Kiel Potenzial.

„Es werden bereits viele Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversität am Rand landwirtschaftlicher Nutzflächen umgesetzt, aber der Raum dafür ist begrenzt, weil die Flächen ja auch bewirtschaftet werden“, sagt die Nachwuchswissenschaftlerin. Deshalb könnten die Golfplätze einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten.

Zwei Drittel der Flächen von Golfplätzen werden nicht bespielt

Neben der Kieler Universität sind auch die Hochschulen in Münster und Freiburg sowie die Technische Universität München mit im Boot. Das Bundesamt für Naturschutz fördert das Projekt mit 2,7 Millionen Euro. Golfanlagen könnten ein Baustein des nationalen Biodiversitätsnetzwerks sein, so die Umweltschützer.

Die CAU betreut neben dem Platz in Hoisdorf vier weitere Anlagen in Schleswig-Holstein. Nach einer Hochrechnung des Golfverbands Schleswig-Holstein werden zwei Drittel der Gesamtfläche der Golfanlagen zwischen Nord- und Ostsee gar nicht bespielt. „Diese Flächen können wir nutzen, um Insekten durch das Ausbringen entsprechender Saaten ein reichhaltigeres Nahrungs- und Blütenangebot zur Verfügung zu stellen“, sagt Tappe.

Auch Vögel und Fledermäuse sollen von den Maßnahmen profitieren

Das Projekt läuft auf allen teilnehmenden Golfplätzen gleich ab. Die Anlage wird in zwei Hälften geteilt, wobei die eine durch verschiedene Maßnahmen ökologisch aufgewertet wird, während die andere unverändert belassen wird. „Dadurch haben wir den direkten Vergleich, ob die Maßnahmen zielführend sind“, erklärt Tappe.

In Hoisdorf sollen in den kommenden Wochen Flachlandmähwiesen, Blühstreifen und Waldsäume mit für die jeweiligen Biotope typischer Vegetation entstehen. Außerdem werden Nisthilfen für Wildbienen und andere Insektenarten aufgestellt. Audioaufzeichnungsgeräte sollen den Wissenschaftlern einen Überblick über Vögel und Fledermäuse geben. „Die Hoffnung ist, dass auch diese Tiere profitieren, wenn ihnen mehr Insekten als Nahrungsquelle zur Verfügung stehen“, so Tappe.

In zwei Jahren werden die Insekten von den Wissenschaftlern erneut gezählt

Zurzeit ist das Projekt noch in der Vorbereitung. In den Sommermonaten war die Landschaftsökologin mehrfach vor Ort und hat eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Pflanzen und Insekten vorgenommen. „Wir haben uns angeschaut, wie viele Wildbienen, Tagfalter und Heuschrecken in einem abgesteckten Gebiet zu zählen sind“, sagt die Landschaftsökologin. Die Zählung wird in zwei Jahren sowohl für die aufgewertete als auch für die unveränderte Platzhälfte wiederholt. „Im Herbst werden wir geeignete Saaten ausbringen, dafür bereiten wir die Flächen derzeit vor“, so Tappe.

Dazu werden die Rasenflächen in einem ersten Schritt Nährstoffe entzogen. Abmagerung nennt sich das. Was für den Laien widersprüchlich klingen mag, ist für die Insekten von Nutzen. Denn dadurch können sich dort die Wildkräuter ansiedeln, deren Blüten etwa Wildbienen als Nahrung dienen. „Honigbienen und Hummeln können mit vielen Blütenarten umgehen, aber viele Wildbienenarten sind auf bestimmte Pflanzen spezialisiert“, erklärt Tappe. Viele dieser Blumen und Kräuter seien durch die Bewirtschaftung der Böden aus ganzen Gebieten verschwunden.

Greenkeeper und Landschaftspfleger werden geschult

Damit das Projekt gelingt, müssen auch die Greenkeeper und Landschaftspfleger eingebunden werden. Tappe und Riez wollen sie in den kommenden Wochen schulen, wie die für die Studie vorgesehenen Flächen behandelt werden müssen. „Wichtig ist zum Beispiel, dass die Grasmahd direkt nach dem Mähen entfernt wird, weil sonst durch deren Zersetzung wieder ein Überangebot an Nährstoffen in den Boden gelangt“, sagt Tappe.

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Aufgewertet werden sollen insgesamt etwa zwei Hektar der rund 60 Hektar großen Hoisdorfer Anlage. Der Club habe sich bewusst für die Studie beworben, sagt Projektkoordinatorin Riez. „Viele unserer Mitglieder sind sehr interessiert und bereit, selbst mit anzupacken“, erzählt sie. „Schon bevor wir die Möglichkeit bekommen haben, an dem Projekt teilzunehmen, gab es den Wunsch vieler Mitglieder, eine Streuobstwiese anzulegen.“ Der Platz in Hoisdorf sei aufgrund seiner Größe, seiner Lage in der Natur und die Verfügbarkeit von Flächen optimal für die Studie geeignet, sagt Pia Tappe.

Die Studie hat eine Laufzeit von sechs Jahren bis 2029

Für den Verein bedeute die Studie, mit dem Zeitgeist zu gehen, so Riez. Ziel sei es, dass nicht die Natur dem Golfplatz angepasst werde, sondern umgekehrt. „Es gibt das Klischee, dass bei uns jeder Grashalm mit der Nagelschere geschnitten wird und kein Regenwurm eine Chance hat.“ Das sei auch bislang schon eine falsche Vorstellung gewesen. „Wir achten sehr genau darauf, wann wo gemäht wird und welchen Dünger wir verwenden, was da ökologisch vertretbar ist“, sagt Riez.

Die Studie hat eine Gesamtlaufzeit von sechs Jahren, bis 2029. Im kommenden Jahr sollen 16 weitere Golfanlagen im gesamten Bundesgebiet dazukommen. Am Ende erhoffen sich die Wissenschaftler Erkenntnisse, welche Maßnahmen effektiv und wirtschaftlich sind. Die Ergebnisse von den ersten 32 Plätzen sollen in der zweiten Phase der Studie zur Umgestaltung von 32 weiteren Anlagen genutzt werden.

Die Forscher wollen aus Ergebnissen Empfehlungen für andere Clubs ableiten

„Die Idee ist, dass wir anderen Clubs, die etwas für die Insektenvielfalt tun möchten, anschließend fundierte Empfehlungen geben können“, sagt Pia Tappe. Für den GC Hoisdorf ist das Projekt indes ein doppelter Gewinn. „Nicht nur die Natur profitiert, so eine Blühwiese ist ja auch wunderschön anzusehen“, sagt Projektkoordinatorin Riez. „Es sind sichtbare Maßnahmen, fürs Auge und fürs Herz.“