Großhansdorf. 112 Jahre alte Regelung lässt Bau der dringend benötigten Einrichtung nicht zu. Warum sich diese nicht so einfach loswerden lässt.
Eigentlich schien alles fix: Am Klinikweg in Großhansdorf, wenige Meter entfernt von der LungenClinic, sollte eine neue Kita entstehen. Das Krankenhaus benötigt neue Räume für seinen Betriebskindergarten „Luftikus“, die Gemeinde muss dringend weitere Betreuungsplätze schaffen. Mit dem Neubau auf dem Grundstück, das sich im Eigentum der Klinik befindet, hätten sich somit gleich zwei Probleme auf einmal lösen lassen. Doch daraus wird nun nichts.
Grund ist eine mehr als 100 Jahre alte Regelung im Grundbuch. Demnach darf auf dem Areal lediglich eine Villa errichtet werden. Zulässig sind auch Viehhaltung und Gartenbau, eine Kita dagegen nicht. Und obwohl sowohl die Gemeinde als auch LungenClinic diese sogenannte „Villenklausel“ gern loswerden würden, ist das so einfach nicht möglich.
100 Jahre alte „Villenklausel“ verhindert Bau von Kita in Großhansdorf
„Solche Klauseln wurden im 19. Jahrhundert und Anfang des 20. Jahrhunderts in vielen Städten und Gemeinden festgeschrieben“, sagt Großhansdorfs Bürgermeister Janhinnerk Voß. Es gab oder gibt sie unter anderem auch in einigen Bereichen Hamburgs und Reinbeks. „Meist wurden sie von einem Verbund aus Grundstückseigentümern angestrebt, um die Homogenität des Wohngebietes zu sichern“, erklärt der Verwaltungschef.
Die großzügigen, parkähnlichen Grundstücke und die Gebäude mit Villencharakter sollten geschützt und eine Störung des Straßenbildes durch andere Arten der Bebauung verhindert werden. Oft sind neben der Art der Bebauung Mindestgrößen für Grundstücke festgelegt, sodass hintere Bebauungen und Grundstücksteilungen ausgeschlossen sind.
Regelung am Klinikweg in Großhansdorf gilt seit 1911
Für die Eigner kann die Klausel sowohl Belastung als auch Absicherung sein. Zwar verhindert sie die profitablere Nutzung des eigenen Grundbesitzes, etwa durch eine Bebauung mit Wohnungen, garantiert aber auch dessen Wert, weil das exklusive Ambiente des Viertels garantiert erhalten bleibt.
Die Regelung am Klinikweg gilt laut Voß seit 1911. „In Großhansdorf haben wir zwei Gebiete, in denen es solche Klauseln gibt“, sagt Voß. Noch heute prägen große Altbauvillen viele Straßenzüge in der Waldgemeinde. Im direkten Umfeld des Baugrundstücks hingegen stehen überwiegend gar keine Villen, sondern Bungalows und ein Mehrfamilienhaus. Auf dem betroffenen Areal selbst befindet sich eine Garage. Offenbar hatte man in der Vergangenheit nicht so viel Wert auf die Beachtung der Villenklausel gelegt. Doch bei Neubauvorhaben müsse die Vorschrift beachtet werden, so Voß.
Die Klausel kann nur mit Zustimmung aller Nachbarn gestrichen werden
Einfach aufheben oder ändern lasse sich die Villenklausel nicht. „Es handelt sich nicht um eine baurechtliche Vorgabe der Gemeinde, wie sie etwa Bebauungspläne und Flächennutzungspläne darstellen, sondern um ein privatrechtliches Baustatut“, erklärt der Bürgermeister. Dieses könne nur mit Zustimmung der Eigner aller in dem Gebiet gelegenen Grundstücke gestrichen werden.
Laut Susanne Quante, kaufmännische Geschäftsführerin der LungenClinic, hat das Krankenhaus genau das in den vergangenen Monaten versucht – vergeblich. „Leider gibt es diese sogenannte Villenklausel, die bei anderen Bauvorhaben die Zustimmung aller Nachbarn erfordert. Diese Zustimmung wurde nicht flächendeckend erreicht“, sagt sie. Nach Informationen unserer Zeitung hat ein Großteil der eine Handvoll mitspracheberechtigten Anwohner sich einverstanden erklärt, lediglich ein Nachbar stemmt sich vehement gegen den Kita-Bau.
Gemeinde sollte Betreuungskapazitäten in der Betriebskita erhalten
„Wir bedauern dies sehr, zumal wir einen Träger hatten, der den Kita-Neubau gerne betrieben hätte“, sagt Quante. Mit der Lebenshilfe Stormarn, die neben der Betriebskita der LungenClinic auch die im November 2019 eingeweihte Kindertagesstätte „Beste Freunde“ am Kortenkamp betreibt, hatten Krankenhaus und Gemeinde bereits eine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen.
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Demnach sollte der Neubau größer ausfallen als von der LungenClinic für die Betriebskita benötigt, die Gemeinde dafür im Gegenzug Betreuungskapazitäten in der Einrichtung anmieten. Derzeit werden 15 Kinder von Beschäftigten des Krankenhauses, darunter fünf Krippenkinder und zehn Jungen und Mädchen im Elementarbereich, in zwei Gruppenräumen in der gegenübergelegenen Bungalowsiedlung betreut. Dabei handelt es sich aber laut Klinik um eine zeitlich befristete Lösung.
Großhansdorf sucht jetzt nach anderen Standorten für eine Kita
Wie es mit dem Kita-Neubau nun weitergeht, ist unklar. Theoretisch könnte die LungenClinic gegen die Klausel vor Gericht ziehen. Ob ein solcher Schritt geplant ist, dazu äußert sich das Krankenhaus nicht. Nach Einschätzung von Großhansdorfs Bürgermeister würde ein solches Verfahren wohl Jahre dauern, die Erfolgsaussichten ungewiss. „Wie die Voraussetzungen in diesem konkreten Fall sind, kann ich nicht beurteilen“, sagt Voß.
Die Gemeinde sucht inzwischen nach einem anderen Standort für eine neue Kita. Nach Angaben der Vorsitzenden des Sozialausschusses, Gudrun Apel (SPD), sind mehrere Grundstücke im Gespräch, darunter sowohl solche in Gemeindeeigentum als auch welche in Fremdeigentum. „Eine Entscheidung gibt es noch nicht“, sagt die Politikerin.
Neue Einrichtung soll 70 Plätze im Krippen- und Elementarbereich bieten
Diskutiert wird neben einem vollständigen Neubau auch die Erweiterung einer der bestehenden Kitas. Insbesondere die Einrichtungen der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde am Vogt-Sanmann-Weg und Bei den Rauhen Bergen stehen im Fokus der Überlegungen. Ein geeignetes Grundstück, das sich zudem in Gemeindeeigentum befindet, gibt es etwa an der Straße Roseneck.
„In den Fraktionen herrscht mehrheitlich die Überzeugung, dass wir einen Neubau an einem Standort gegenüber Erweiterungen an mehreren Einrichtungen bevorzugen“, sagt Apel. Kitas mit mehr als 100 Kindern wolle man vermeiden. Um den Bedarf an Betreuungsplätzen langfristig zu decken, müsste ein Neubau laut der Ausschussvorsitzenden drei Krippen- und zwei Elementargruppen mit isngesamt 70 Plätzen aufnehmen können. Eine Entscheidung für eine Variante soll es im November geben.