Reinbek. Politik berät über Reinbeks vorerst letzte Erweiterungsmöglichkeit für Unternehmen – gegen den Willen der Schönningstedter?
Im Jahr 2011 wurde der Wunsch der politischen Mehrheit, das Gewerbegebiet Senefelder Ring zu erweitern, zum Politikum. Denn unter der Bevölkerung regte sich Protest: Die Schönningstedter Bevölkerung und weitere Reinbeker wollten dort die grünen landwirtschaftlichen Ackerflächen erhalten und keine Hochregallager in der Nachbarschaft. Mit einem Bürgerbegehren wollten sie den Plänen der Politik, auf diesem Weg die Gewerbesteuereinnahmen zu erhöhen, ein Ende bereiten. Jetzt wird eine Gewerbegebietserweiterung im Haidland über den Senefelder Ring hinaus wieder zum Thema.
Denn der Recyclinghof der AWSH (Abfallwirtschaft Südholstein) soll wegen der zunehmenden Verkehrs- und Lärmbelästigung der Anwohner an der Glinder Straße ebenfalls ins Haidland, östlich des Unternehmens E. Michaelis, verlegt werden. Dies hat die Politik bereits beschlossen. Genau dort, wo vor Jahren das Hochregallager des Papier- und Kartonagehändlers entstehen sollte. Und schon gibt es wieder Begehrlichkeiten: Viele Reinbeker Unternehmen wollen expandieren und brauchen dafür mehr Platz, wie die WAS (Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn) dem Bauausschuss jetzt berichtet hat. Deshalb ist jetzt ein etwa elf Hektar großer Streifen im Osten des Gewerbegebietes Senefelder Ring zwischen Sachsenwaldstraße im Süden und Bummereiweg im Norden wieder für eine Erweiterung in der Diskussion.
Wird jetzt doch Gewerbe im Haidland möglich?
Die Politiker des Bauausschusses haben die Erweiterung andiskutiert, das Thema auf Antrag der Grünen aber zurück in die Fraktionen gegeben. Denn die Grünen wollen vor einer Entscheidung die Zahlen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der WAS kennen. „Die WAS berichtet von einer Umfrage unter den Unternehmern“, sagt Günther Herder-Alpen, Fraktionschef der Grünen. „Wie verbindlich die Antworten sind, wissen wir natürlich nicht. Wir Grünen wollen aber keine unnötigen Flächenversiegelungen mehr. Wir wollen nicht auf den blauen Dunst etwas beschließen, damit irgendeine Summe X irgendwann mal im Stadtsäckel landet.“
Vor allem aber wollen die Grünen die Ergebnisse der Bürgerbeteiligung unter dem Titel „Stadtteilplan Schönningstedt“ respektieren. „Dieses Projekt hat 81.000 Euro gekostet. Da sollte man auch berücksichtigen, dass die Schönningstedterinnen und Schönningstedter in ihrem Stadtteil kein weiteres Gewerbe wollen“, betont Herder-Alpen.
Für die FDP ist die Gewerbegebietserweiterung schon beschlossene Sache
Das sieht Volker Dahms (FDP) anders: „Die Frage während der Bürgerbeteiligung war nicht, ob wir eine Gewerbegebietserweiterung wollen, sondern wie eine möglichst ortsverträgliche aussehen könnte“, sagt der Liberale. „Das haben die Schönningstedter und die Grünen während der Foren ignoriert. Denn mit der Verlagerung des Recyclinghofs haben wir auch die Erweiterung bereits beschlossen.“ Wegen des Wasserschutzgebietes könne die AWSH nämlich nur im Süden des Areals angesiedelt werden. Somit sei eine sehr lange und teure Straßenanbindung nötig. „Die will weder die AWSH noch die Stadt Reinbek finanzieren“, sagt Dahms.
Auch die Zahlen habe die WAS längst geliefert, bekräftigt der FDP-Politiker. „600 Reinbeker Unternehmen wurden befragt, 20 haben sich um neue Flächen beworben. Laut WAS können elf Grundstücke vergeben werden.“ Eines sei für den Recyclinghof vorgesehen. Außerdem gebe es neun Interessenten aus Reinbek. „Politik und Verwaltung haben aber bei jedem einzelnen Kandidaten Mitspracherecht“, erklärt Volker Dahms.
Pro Jahr werde demnach im Schnitt etwa ein Plus von einer Million Euro an Gewerbesteuereinnahmen anfallen. Er geht davon aus, dass die Stadtverordneten den neuen Bebauungsplan für die Erweiterung am Donnerstag, 28. September, beraten und beschließen werden. Die FDP will dort noch einen Bürgerentscheid beantragen. „Das haben wir während unseres Wahlkampfes versprochen“, sagt Dahms.
CDU will Arbeitsplätze erhalten und hofft auf höhere Steuereinnahmen
Auch die CDU sei für die Erweiterung, erläutert Sven Tiburg, Vorsitzender des Bauausschusses: „Wir befürworten es, wenn sich Reinbeker Unternehmen dort erweitern können und uns ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben“, bekräftigt der Christdemokrat. „Außerdem erhoffen wir uns natürlich, dass die Gewerbesteuereinnahmen auf diese Weise steigen werden.“
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Er weist darauf hin, dass die WAS bei ihrem Entwurf für einen neuen Bebauungsplan auch auf Nachhaltigkeit achtet: „Die Gebäudehöhen sind begrenzt auf zehn bis zwölf Meter und liegen unterhalb der des aktuellen Michaelis-Gebäudes, es soll einen Radweg geben und als Einfriedung im Osten ist ein Knick mit grünen Bäumen vorgesehen.“ Tiburg will für Dienstag, 10. Oktober, zu einer Sondersitzung des Bauausschusses einladen, während der auch die Gewerbegebietserweiterung weiter beraten werden soll. Die SPD hat sich ebenfalls bereits im Wahlkampf für eine Ausweitung des Gewerbegebietes ausgesprochen, um mehr Steuereinnahmen zu generieren. Forum21 hatte sich ebenfalls für eine „maßvolle Erweiterung“ ausgesprochen, ohne sich auf einen Standort festzulegen.
Darum ist das Haidland so umstritten
Das 2011 vom Papiergroßhändler Michaelis geplante Hochregallager in 30 Meter Höhe sorgte damals unter den Anwohnern für massive Proteste. Die Bürgerinitiative Schönningstedt sammelte letztlich 2743 Unterschriften gegen die Bebauung des Haidlands. Doch vergebens: 2015 nahm die Politik die Aufstellungsbeschlüsse wieder zurück, der Bürgerentscheid lief ins Leere. Michaelis durfte das Hochregallager trotzdem nicht mehr bauen.
Das Reinbeker Unternehmen Hertz Flavors, das damals ebenfalls Interesse an den Flächen hatte, erhielt hingegen einen Bauplatz südlich der Sachsenwaldstraße. Dort entsteht aktuell der neue Firmensitz des Aromenproduzenten. Das Unternehmen hat zugesagt, 100 zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen.